Naturgewalten in alten Bibeln der Franckeschen Stiftungen

Überschwemmungen, Erdbeben, Feuersbrünste, Heuschreckenschwärme – die Bibel ist voller Geschichten von Naturgewalten, die als Strafe und Gericht Gottes aufgefasst wurden. Die Sintflut steht sprichwörtlich dafür. Diese Naturkatastrophen haben Menschen angeregt, sich davon ein Bild zu machen. Schon in den frühesten deutschen Bibeldrucken aus dem 15. Jahrhundert finden sich eindrucksvolle Illustrationen, die die Dramatik der Texte lebhaft in Szene setzen. Derartige Bibeln finden sich auch im Besitz der Franckeschen Stiftungen, die sie im Frühjahr und Sommer 2020 in einer online verfügbaren Ausstellung präsentieren.

Ausgehend von Bibelzitaten werden in der Ausstellung bildliche Darstellungen zu Naturgewalten in Bibeln gezeigt. Dabei spannt sich der Bogen von der Sintflut über den Untergang von Sodom und Gomorra, über die Ägyptischen Plagen bis hin zu den verstörenden Bildern der Apokalypse.



Die Sintflut stellt sicherlich die bekannteste Naturkatastrophe dar, die im Alten Testament überliefert ist. Die Geschichte von Noah und seinem Bau einer Arche hat die Phantasie der Menschen beflügelt. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass diese Geschichte in vielen Bibeln illustriert ist. Sodom und Gomorra gelten im Alten Testament als Orte der Sünde, die von Gott zerstört wurden. Im Zentrum der Erzählung vom Auszug der Israeliten aus Ägypten steht die ausführliche Schilderung der zehn Plagen, wie Hagel und Heuschreckenschwärme.

Nicht zuletzt die Offenbarung des Johannes gehört seit dem frühen Mittelalter zum Kanon der christlichen Ikonographie. Bereits in frühen Bilderhandschriften wurde die Johannes-Apokalypse verbildlicht und kommentiert. Durch das Aufkommen der Druckerkunst erfuhr die Darstellung der Apokalypse eine weite Verbreitung. In einer von Endzeiterwartungen geprägten Zeit politischer und religiöser Umwälzungen stieg um 1500 das Interesse an apokalyptischen Themen.



Die Bibliothek der Franckeschen Stiftungen besitzt und präsentiert herausragende Werke der Buchkunst aus fünf Jahrhunderten: Dies sind zum einen die 1494 von Steffen Arndes (ca. 1450–1519) in Lübeck gedruckte mittelniederdeutsche Bibel, die besonders durch ihre Illustrationen berühmt wurde und das 1522 in Wittenberg erschienene „Septembertestament” Martin Luthers (1483–1546) mit Holzschnitten aus der Werkstatt Lucas Cranachs d.Ä. (1472–1553). Gezeigt werden auch die mit zahlreichen erklärenden Kupferstichen ausgestattete Nürnberger „Kurfürstenbibel“ in der Auflage von 1692, die Merian-Bibel mit ihren anschaulichen Kupferradierungen in der Ausgabe von 1704 sowie Johann Jacob Scheuchzers (1672–1733) „Kupferbibel“ mit zahlreichen Kupfertafeln zur wissenschaftlichen Erläuterung der biblischen Naturereignisse. Für das 19. Jahrhundert schließlich stehen die kunstvollen Illustrationen von Julius Schnorr von Carolsfeld (1794–1872) und Gustave Doré (1832–1883), die als die bedeutendsten Bibelillustratoren ihrer Zeit gelten.



Als diese Buchausstellung im letzten Jahr geplant wurde, konnte keiner erahnen, dass das Thema „Naturgewalten in alten Bibeln“ eine gewisse Aktualität gewinnen würde.
Das Thema wurde in Korrespondenz zu der Jahresausstellung der Franckeschen Stiftungen „Im Steinbruch der Zeit. Erdgeschichten und die Anfänge der Geologie“ gewählt.

Ab Mai können die eindrucksvollen Illustrationen in den Bibeln aus dem Bestand der Bibliothek der Franckeschen Stiftungen mit Fotografien von Klaus E. Göltz und mit von Sven Hanson, Mitteldeutsches Bibelwerk – Canstein Bibelzentrum, verfassten Texten zu den Bibelstellen über die Website der Franckeschen Stiftungen unter www.francke-halle.de/de/naturgewaltenaufgerufen werden.

Zugleich besteht nach der Wiedereröffnung der Museen die Möglichkeit, die Bibeln im ehemaligen Lesezimmer neben der Kulissenbibliothek zu besichtigen.
Informieren Sie sich vor Ihrem Besuch auf der Webseite der Franckeschen Stiftungen über die aktuellen Maßnahmen im Zuge der Corona-Pandemie.

(Autor/in: Michael Hübner)