Zum 200. Jahrestag der Franckeschen Stiftungen

Friedrich Breckling war nie in seinem Leben in der Stadt Halle, ist aber durch seine Bekanntschaft mit August Hermann Francke mit ihr verbunden. Nicht nur waren beide Korrespondenzpartner und lernten sich 1705 während Franckes Hollandreise kennen – Breckling schenkte Francke auch einen Teil seiner Bibliothek, der im Katalog der Bibliothek der Franckeschen Stiftungen verzeichnet ist. Dort können Interessenten unter ‚Provenienz Breckling‘ die Bücher auffinden, die er zwischen 1704 und 1709 nach Halle schickte.

Außerdem kann der Nutzer auf digitalem Wege das handschriftliche Inventar der Bücher Brecklings einsehen: Es umfasst insgesamt 495 Titel. Franckes Kontakte zu Breckling stammen aus den Jahren 1697–98, als Georg Heinrich Neubauer für den Bau des Waisenhauses in die Niederlande reiste.



Breckling wurde 1629 in Handewitt in einer Predigerfamilie geboren, studierte u.a. in Rostock, Königsberg und Helmstedt Theologie und wurde 1659 mit der Absicht, Nachfolger seines kränklichen Vaters zu werden, ordiniert. Ein Jahr später aber ergriff er die Flucht nach Amsterdam, weil er mit seiner Kritik an Missständen in Kirche und Staat die Wut des Flensburger Konsistoriums auf sich gezogen hatte. Es gelang ihm, eine Stelle als Prediger in Zwolle zu erhalten, aber seine separatistischen Auffassungen sowie seine eigensinnige Amtsführung führten zu seiner Suspendierung. Von 1672 an lebte er als selbstständiger Korrektor, Übersetzer und Autor in Amsterdam, wo er mit seiner Familie beim Buchdrucker Christopher Cunradus einzog. 1690 ging er nach Den Haag, hier wohnte er mit seiner Frau und Tochter bei der Spiritualistin Tanneken Denijs. Er starb 1711 in dieser Stadt.

Breckling erwähnt 1689 in einem Brief, man solle die Post in die Egelantiersgracht „in de Vreede“ schicken. Das Haus hatte einen Stein in der Vordergiebel mit dem Bilde Jesu und dem Text „Frieden sei mit Ihnen“ [„Vrede sy met V“]. Spiritualistische und libertinische Kreise waren zu der Zeit in Amsterdam nicht immer streng getrennt: Der deutsche, spiritualistische Buchdrucker Christoffel Cunradus soll zusammen mit dem mennonitischen Buchverkäufer Jan Rieuwerts 1669 oder 1670 Spinoza’s Tractatus theologicopoliticus herausgegeben haben. Cunradus hatte anscheinend keinerlei Bedenken, Spinoza’s kontroverses Werk in die Öffentlichkeit zu bringen. Neben finanziellen Erwägungen spielte vermutlich eine tolerante Grundhaltung eine Rolle.



Diese Toleranz oder Duldsamkeit lässt sich auch bei Breckling finden: Unter den Büchern, die er nach Halle schickte, befanden sich Frederik van Leenhofs cartesianische De Geest en Conscientie Des Menschen [Der Geist und das Gewissen des Menschen] (ca. 1680), sowie Van Leenhofs Den Hemel op Aarde [Der Himmel auf Erden] (1704), das Spinoza popularisierte. Breckling trat vehement für die Gewissens- und Glaubensfreiheit ein. Seiner Meinung nach dulde Gott „das Unkraut und allerlei Religionen unter seinem Himmel/ und zwinget niemand mit Gewalt zum Glauben“. Erst beim Jüngsten Gericht würde Gott den Weizen von der Spreu trennen (Lk 3,15-17).

Für ihn war die Wohlfahrt der Niederlande eine Belohnung Gottes für die Gewissensfreiheit, die die Gläubigen dort besaßen. Breckling gilt als Vertreter des Spiritualismus, der auf den Pietismus eingewirkt hat. Ihn aber nur im Kontext des Pietismus zu rezipieren, greift entschieden zu kurz. Breckling glaubte zwar, dass Naturerscheinungen Zeichen Gottes seien und wollte den Staat und die Kirche im Sinne Gottes reformieren, gleichzeitig jedoch verkündete er Ideen über Toleranz. Damit ist er nicht nur als Vertreter des Vorpietismus, sondern auch als Wegbereiter der Aufklärung zu qualifizieren.

(Viktoria Franke, Kulturfalter November 2011)