Stadtmuseum Halle öffnet seine Pforten - Eine Geschichte mit der Geschichte

In Halles musealer Landschaft hat sich in den vergangenen Jahren viel getan. Die Moritzburg wurde renoviert und modern ausgebaut, das Landesmuseum ebenso wie  das Händelhaus. Mit dem Friedemann-Bach-Haus und dem Beatles-Museum entstanden sogar neue Museen in der Saalestadt. Nur das Stadtmuseum war lange Zeit das Schmuddelkind zwischen all den sanierten und blitzenden Konkurrenten. Doch nun, nach fast 100 Jahren voller Irrungen, Wirrungen, Umzüge, Aufteilungen und Zusammenführungen, zahlreicher Entwürfe und vieler unverständlicher Entscheidungen bekam die Salzstadt im November 2012 endlich einen würdigen und hoffentlich dauerhaften Platz für ihre Geschichte.

Und dieser Platz befindet sich in der Märkerstraße 10, im Haus des Philosophen und Universalgelehrten Christian Wolff und in den Räumlichkeiten der direkt  daneben liegenden Druckereigebäude der Druckereifamilie Gebauer-Schwetschke, später bekannt als „VEB Druckerei der Werktätigen“. Zunächst eröffnet im Wohnhaus von Christian Wolff am 26. November die neue Dauerausstellung über Wolff, jenen berühmten halleschen Universitätsprofessor und Gelehrten, aber auch über den prominenten Nachmieter des Hauses Johann Justius Gebauer.

Christian Wolff – ein Universalgelehrter seiner Zeit

Christian Wolff (1679-1754) war einer der großen Gelehrten seiner Zeit. Er war ein charismatischer Professor, dessen in deutscher Sprache gehaltene Vorlesungen über Rationalismus, Vernunft und Offenbarung oder mathematische und philosophische Erkenntnis bei Studenten und Gelehrten Anklang fanden, so dass er über eine große Anhängerschaft verfügte. Seine Ideen und Gedanken zur Vernunft bildeten auch die Grundlage des modernen Völkerrechts. Christian Wolff war Mitglied der Royal Society, der Berliner Akademie der Wissenschaften, der Sankt Petersburger Akademie, zudem wurde er auswärtiges Mitglied der Académie des Sciences in Paris. Einer seiner Schüler war Michail Wassiljewitsch Lomonossow, dessen Name heute die Lomonossow- Universität in Moskau ziert.

In seinem Haus in der Märkerstraße hielt Wolff seine Vorlesungen und wohnte dort zugleich. In der Ausstellung kann man sich das Leben und Wirken des Gelehrten erschließen. Wie bei einem Philosophen nicht anders zu erwarten, nähert man sich dem Denker mit Fragen, begibt sich mit Hilfe dieser auf eine Zeitreise ins 18. Jahrhundert und lernt so die Welt von damals kennen. Man startet die Ausstellung im Empfangszimmer Wolffs und kann hier einige der wenigen erhaltenen Gegenstände aus dem Nachlass des Gelehrten betrachten. Highlights sind der Sekretär und Leinwandbespannungen im Stil von Bildtapeten, die in großformatigen Fragmenten erhalten geblieben sind, sowie der Renaissance-Kamin samt barocken Aufsatzes, der das Wappen des Hausherrn, einen aufrecht gehenden Wolf, trägt. (Foto, oben) Nicht nur die Stücke an sich sind sehenswert. Sie erzählen eine eigene Geschichte, die auch einen tiefen Einblick in die Entstehungsgeschichte des Stadtmuseums geben.

Zum Beispiel der Sekretär: Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde dieser für die erste Händelausstellung (1947) in die Moritzburg gebracht. Da diese auch einmal im Gespräch als Museumsstandort für das Stadtmuseum Halle war, verblieb der Sekretär dort. Zufällig stieß die Kuratorin Cornelia Zimmermann im Händel-Haus auf alte Aktennotizen und erinnerte sich, das Möbelstück in der Moritzburg „in der Ecke stehen gesehen zu haben“, beschreibt sie die Fundsituation. Nachforschungen ergaben, dass es sich bei dem Prunkstück tatsächlich um Wolff`s Sekretär handelt, der nun frisch restauriert den Besuchern präsentiert wird. Das Möbelstück ist ein wirklicher Glückstreffer für das Museum, denn sowohl die Bibliothek Wolff´s als auch sein persönlicher Nachlass gelten bislang als verschollen. Ein weiterer Raum im Erdgeschoss der neuen Ausstellung gibt Auskunft über das Leben des Verlegers Julius Justus Gebauer, der nach Wolff das Haus viele Jahre bewohnte und durch seine Tätigkeit als Verleger eine zentrale Rolle im Wissenschaftsleben der Stadt spielte.



Aufklärung ist ohne Geselligkeit nicht denkbar

Mit „Vernunft bringt Licht in die Welt“ gelangt man in das zweite Obergeschoss, welches sich den Geselligkeiten des 18. Jahrhunderts in Halle widmet. Das 18. Jahrhundert wird auch als das „gesellige Jahrhundert“ bezeichnet. Aufklärung in Deutschland war ohne Kaffeehäuser, Tabakskollegien, literarische Zeitschriften, das Lesen in Zirkeln und ohne Freundschaftsbünde oder Gelehrtensozietäten nicht denkbar. Anhand von einzelnen Ausstellungstücken wird der Besucher an die Geselligkeiten Halles, ihr stadtgeschichtliches Wirken und den städtischen Kontext herangeführt. Ein Zeitstrahl mit Daten, die jeder aus der Schule kennt, erleichtert die zeitgeschichtliche Einordnung.

In der zweiten Etage erblickt der Besucher den Globus von Johann Georg Klinger. Dieser ist nicht nur ein besonderes Ausstellungsstück, sondern seine Präsentation ist Ergebnis einer Arbeit eines Studierenden des Interdisziplinären Zentrums für die Erforschung der europäischen Aufklärung (IZEA). Gemeinsam mit dieser Forschungseinrichtung der Martin-Luther-Universität werden den Studenten dieses Studienganges Forschungsarbeiten und Praktika ermöglicht, die sowohl den Studenten als auch dem Museum zu Gute kommen, wie man am Beispiel des Globus sehen kann. Mit diesem Projekt und mit Veranstaltungen wie den Kamingesprächen soll im neuen Stadtmuseum der wissenschaftliche Faden weitergesponnen werden, dessen Anfang der Gelehrte Christian Wolff knüpfte.

Die Ausstellung ist aber nur ein Teil des neuen Stadtmuseums in Halle. Die eigentliche Ausstellung zur Stadtgeschichte wurde im Jahr 2013 eröffnet. Neben vielen neuen Exponaten dürften die miteinander korrespondierenden Ausstellungskonzepte für die Besucher interessant sein, ermöglichen sie doch einen besonderen Einblick in die reichhaltige Geschichte von Halle an der Saale, die dann endlich eine Heimat gefunden hat.

(Martin Große, Kulturfalter November 2012)




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