"Und Seegen kömt ins Land..." - Friedensfeiern in Halle nach dem Siebenjährigen Krieg

Auch im 18. Jahrhundert, dem Zeitalter der Vernunft und des aufgeklärten Denkens, fanden in Europa zahlreiche Kriege statt. Die Stadt Halle – seit 1680 Teil des kurbrandenburgischen Staates und dann zu Preußen gehörig – war durch die Grenzlage bedingt in einer gefährdeten Stellung. Sie erhielt im Jahre 1714 ein Regiment zugeteilt und wurde zur Garnisonsstadt. Das für Preußen und die Saalestadt Halle folgenreichste Kriegsereignis des Jahrhunderts stellte der Siebenjährige Krieg dar. Darauf nimmt auch ein sehr selten erhaltenes Objekt Bezug, das sich in den Sammlungen des Stadtmuseums befindet. Es handelt sich um ein Fahnentuch, dem die Spuren des Alters und seiner Geschichte eingeschrieben sind. Das aus Leinen gefertigte und mit Leimfarbenmalerei sowie Klöppelspitze ausgestattete Stück erfuhr eine aufwändige Restaurierung und ließ sich in diesem Zusammenhang auch ein kleines Geheimnis entlocken, von dem noch die Rede sein wird.

Die Fahne trägt das Datum „15. Februar 1763“ und den Namen „Hubertusburg“. Zum genannten Zeitpunkt schlossen die Kriegsmächte Preußen, Österreich und Sachsen auf dem sächsischen Schloss einen Friedensvertrag und beendeten damit den Siebenjährigen Krieg. Die Fahne besitzt einen nicht militärischen Charakter und lässt sich den zahlreichen Objekten zuordnen, mit denen in bürgerlichen Kreisen Preußens das endlich erlangte Kriegsende gefeiert wurde. Ihre ursprüngliche Herkunft ist nicht mehr nachweisbar, doch fällt es nicht schwer, die auf ihr dokumentierte Friedenshoffnung auf die Saalestadt zu beziehen:



Auf dem Fahnentuch befindet sich, beidseitig aufgetragen, der preußische Adler, jedoch mit unterschiedlichen Schriftbändern. Während die Vorderseite der Ausspruch „In memoriam Pacis Hubertsburg d. 15. Febr. Anno 1763“ ziert, titelt die Rückseite „Fridericus II Magnus Rex Borussorum“. Der erwähnte Friedensschluss stellte auch für Halle ein befreiendes Erlebnis dar. Gottesdienste, Umzüge und Aufmärsche bezogen die gesamte städtische Bevölkerung ein. Zwei erhaltene  Dokumente  bezeugen diese Aktivitäten in Halle: Ein längliches Vivatband, eine typische Memorabilie, die wahrscheinlich an Brust oder Hut getragen wurde, erinnert an das zentrale Friedensfest am 13. März 1763. Es wird durch ein palmengerahmtes Epigramm geschmückt, das mit der Devise Es lebe Friedrich! es ist Friede! den Preußenkönig als Friedensbringer hervorhebt. Morgens und nachmittags läuteten an diesem Tag alle Glocken der Stadt. Zu den städtischen Feierlichkeiten gehörten Musikaufführungen und ein großes Feuerwerk.  Eine Festschrift dokumentiert ein weiteres Ereignis im großen Saal der Ratswaage vom 28. Mai 1763, welches von der „Deutschen Gesellschaft schöner Wissenschaften Halle“ organisiert wurde.

Die Freude über das Kriegsende lässt sich nur zu gut verstehen. Es fanden in Halle zwar keine militärischen Auseinandersetzungen statt, doch hatte die Stadt unter zahlreichen Okkupationen und Einquartierungen zu leiden. In den Jahren 1757 und 1759 war die Besetzung Halles durch feindliche Truppen besonders drückend, wie auch auf einem kolorierten Stadtplan aus diesen Kriegsjahren festgehalten wurde.  Anfang August des Jahres 1759 besetzten kaiserlich-österreichische Truppen die Stadt, wobei es zu Plünderungen und Erpressungen kam. Von der Stadt Halle wurde in Vergeltung der durch die preußische Kriegsführung andernorts verursachten Schäden willkürlich eine Brandsteuer von  300 000 Talern erhoben. Um diese Forderung zu bekräftigen, wurde der hallesche Rat bei Wasser und Brot auf der Pfännerstube unter Arrest gestellt. In wenigen Tagen erpresste man auf diese Art mehrere 10 000 Taler von der Stadt.



Als nach Kriegsende überall der Friedenschluss gefeiert wurde, kam wahrscheinlich auch die Fahne zu Schaden. Es ist überliefert, dass die Menschen in den feierlichen Umzügen Fahnen mitführten und unter Fackeln und Feuerwerk des Friedens gedachten. Hierbei könnten durch Funkenflug die nachweisbaren Verbrennungen entstanden sein, welche heute als schwarzrandige Fehlstellen am Tuch sichtbar sind. Ähnliches hätte auch in Halle passieren können, wo die halleschen Maurer am 18. März 1763 bei einem festlichen Aufzug zwei Fahnen mitführten. Wenn eine Zuschreibung der Fahne an hallesche Geschehnisse auch nicht möglich ist, so hat das Museum mit ihr doch ein bedeutendes Zeugnis bürgerlicher Erinnerungskultur bis zur Gegenwart überliefert.

(Steffen Thater, Kulturfalter Januar 2013)