Frauenbilder – Frauenleben des 18. Jahrhunderts in Halle

Wie diese Zeilen: „Weiber sind nicht in der Welt, bloß um Männer zu amüsieren…“ der Philosophin Dorothea Schlözer unterstreichen gab es im 18. Jahrhundert Frauen, die mit großem Selbstbewusstsein ihren Anspruch auf Gelehrsamkeit einforderten, da sie ebenso wie Männer über Verstand und Vernunft verfügten. Doch es bliebnur einigen Frauen des Bürgertums und des Adels vorbehalten, das tradierteRollenbild der Frau, ausschließlich Gattin, Hausfrau und Mutter zusein, in Frage zu stellen. Die „gelehrten“ Frauenzimmer wirkten als Künstlerin, Dichterin oder betätigten sich in den Wissenschaften. Jedoch verdientendie wenigsten von ihnen damit ihren Lebensunterhalt.

In der preußischen Stadt Halle prägte die Universität ein Klima, indem aufklärerisches Gedankengut bedeutsam war. Das nutzten Frauenpersönlichkeitenwie die erste promovierte deutsche Ärztin Dorothea Christiane Erxleben (1715-1762) oder die Dichterin und Philosophin Johanna Charlotte Ziegler, verheiratete Unzer (1725-1782), die 1751 in Halle das Werk „Grundriß einer Weltweißheit für das Frauenzimmer“ veröffentlichte. Neben diesen prominenten Beispielen für weibliche Emanzipation gab es auch Frauen anderer gesellschaftlicher Schichten und Milieus, die vielfach nicht von den Errungenschaften der Aufklärung profitierten. Dazu gehörten die adlige Stiftsdame, die Handwerkerfrau, die Soldatenfrau, die Hebamme, die geächtete Frau in Männerkleidern oder auch die Kindsmörderin. Eine Vielzahl der in der aktuellen Ausstellung des Stadtmuseums gezeigten Originalzeugnisse, Objekte und Porträtbilder des Zeitalters geben Einblicke in die in Halle existierenden weiblichen Lebenswelten des 18. Jahrhunderts, die neben Bildung und Gelehrsamkeit der Frauen auch Haushaltung, Interieur und Mode der Zeit widerspiegeln.



Eine Frau aus bürgerlichem Hause, die in einem Beruf tätig war und sogar einen gewissen wirtschaftlichen Erfolg hatte, war die Musikerin Luise Reichardt (1779-1826). In Berlin geboren, machte sie sich als Liedkomponistin und Gesangspädagogin einen Namen. Sie gehörte zu den ersten Frauen in Deutschland, die ihre Kompositionen nicht nur drucken lassen konnten, sondern die Musik beruflich und in einer öffentlichen Position ausübten. Luise war die älteste Tochter des preußischen Hofkapellmeisters Johann Friedrich Reichardt und seiner ersten Frau Juliane (geb. Benda). Ihre Erziehung im Elternhaus schloss selbstverständlich die musikalische Bildung mit ein, deshalb erhielt Luise kurzzeitig Gesangsunterricht und erlernte Klavier, Gitarre und Laute.

Mit dem durch die Entlassung des Vaters, der mit den Ideen der Französischen Revolution sympathisierte, bedingten Umzug der Familie nach Giebichenstein im Jahre 1794 kam für Luise die Gelegenheit, im gastfreundlichen Hause ihres Vaters die berühmtesten Dichter der Zeit kennen zu lernen. Dazu zählten die Brüder Grimm, Ludwig Tieck, Novalis (Friedrich Ludwig von Hardenberg), Clemens Brentano und Achim von Arnim. Viele von ihnen inspirierten Luise dazu, Gedichte zu vertonen. Mit ihrer schönen Stimme brachte sie die Lieder dann vor den Gästen zum Klingen. In den Zeiten der Napoleonischen Kriege hatte die Familie Schwierigkeiten, das prachtvolle Gartengrundstück vor den Toren Halles als Wohnsitz zu erhalten. Es fiel Luise schwer, Giebichenstein zu verlassen. Im Jahre 1809 aber zog sie nach Hamburg, um sich als Gesangspädagogin selbstständig zu machen und damit zur finanziellen Unterstützung der Familie beizutragen. Sie gründete und leitete hier außerdem einen Frauenchor, aus dem 1819 der Hamburger Singverein hervorging.



Mit ihrem Partner Johann Heinrich Clasing im Musikverein der Hansestadt tätig, beförderte Luise Reichardt durch die Aufführung zahlreicher Oratorien Georg Friedrich Händels die Renaissance des Komponisten in Deutschland. Dafür übernahm sie die Übersetzung der Texte ins Deutsche und die Einstudierung der Chorpartien. Eine Tätigkeit, für die sie große Anerkennung fand. Der Komponist Carl Maria von Weber, schon im Giebichensteiner Garten zu Gast bei Familie Reichardt, widmete ihr in dieser Zeit eine eigene Volksliedersammlung. Von den mehr als 90 überlieferten Liedern und Chören aus ihrer Hand wurden einige im 19. Jahrhundert recht populär und in verschiedenen Liederbüchern veröffentlicht. Zu diesen nach Clemens Brentanos Gedichten entstandenen Melodien mit volksliedhaftem Charakter gehören u. a. „Es sang vor langen Jahren…“, „Ich wollt´ ein Sträusslein binden …“ und „Nach Sevilla“.

(Steffen Thater, Kulturfalter Dezember 2008)