Moritz Götze: Es war ganz einfach lang und weilig

Im Stadtmuseum lief im Jahr 2008 die Ausstellung „too much future / Punk in der DDR 1979 - 1989“. Diese beschäftigte sich mit dem Punkkultur in der DDR und im speziellen mit der Bewegung in Halle. In den Jahren 1983 und 1984 gab es in Halle zwei Punkkonzerte, die im ehemaligen Arbeiter-und Bauernstaat für Aufsehen sorgten. Kulturfalter sprach mit dem Organisator der beiden Konzerte, dem damaligen Musiker und jetzigem Künstler Moritz Götze.

Können Sie uns die Stimmung in der Szene beschreiben, die herrschte, als Sie damals die Konzerte organisierten?

In den 70er Jahren, als die Punkbewegung aufkam, versuchte man die DDR zu ignorieren. Man arrangierte sich, klammerte den Staat aus und stieß so aber schnell an die Grenzen und das nicht nur geografisch. Anfangs hielt man die DDR auch für das bessere System. Aber sich soweit von der Gesellschaft zu entfernen, war natürlich mutig und wurde zunehmend als eine Kriegserklärung an den Staat verstanden. Punks wurden inhaftiert oder bekamen kein Studiumsplatz. Das führte dann auch zu der Ausreiswelle in den 80er Jahren.  

Waren Sie selber auch ein Punk?

Nein eigentlich nicht. Ich spielte in einer Band und wir benutzten Punkattitüden, wie viele andere. Aber wir waren keine Punks.

Was hat Sie dazu gebracht, ein Festival zu organisieren?

Es war ganz einfach langweilig im Land. Was es im Überfluss gab, war Zeit. Man saß in den Kneipen, erzählte was man alles machen könnte und ich wollte nicht nur erzählen, sondern auch was machen. Naja (schmunzelt) jede Medaille hat zwei Seiten und die weniger schlechte der zwei schlechten Seiten war, dass man als 18jähriger solche Aufmerksamkeit, die Polizei und so, erregen konnte. Es war ein Privileg der Jugend damals und so konnte man sich irgendwo auch als Held darstellen.  

Und wie organisierte man ein Punkkonzert in der DDR?

Ich war damals oft in Berlin, der großen weiten Welt und hatte durch meine private Situation Kontakt zu Punks, zu Cornelia Schleime und vielen Bands. Es lief alles über persönliche Kontakte. Die Öffentlichkeit die wir hatten waren Wohnungen und die Kirche. Ich bin dann durchs Land gefahren und hab die Bands gefragt.

Punks und Kirche – ist das nicht ein Widerspruch?

Die Kirche ist auch nur ein Spiegelbild der Gesellschaft. Wir haben bei Pfarrer Siegfried Neher Unterstützung gefunden. Er war liberal und hat erkannt, dass da ein paar Jugendlich einen Raum brauchen und das war ihm wichtiger als der Ärger, der damit verbunden war. Es war eine sehr spezielle Symbiose. 



Wie liefen die Konzerte ab?

Das erste Konzert war 1983 in den Räumen der Christuskirche in der Freiimfelder Straße. Ich habe beim ersten Mal sogar Plakate gedruckt und die in allen Gemeinden ausgehangen. Beim Namen musste ich vorsichtig sein, deswegen hieß das erste Konzert auch “Evangelischer Jugendabend”. Es spielten insgesamt acht Bands aus Halle, Leipzig, Erfurt und Berlin. Wir hatten drei Stunden Zeit und ich stand hinter der Bühne und hab den Stecker gezogen, wenn eine Band überzog. Das zweite Konzert 1984 hab ich nicht mehr alleine organisiert. Da gab es auch eine Theateraufführung und mehr. Das nannte sich dann “Werkstattgebabel”.  

Gab es Konsequenzen?

Für mich gab es erstaunlicherweise keine. Ich hatte wie viele eine Vorladung zu Polizei bekommen, wo ich aus terminlichen Gründen nicht hin konnte und das wars. Selbst in meiner Stasiakte fehlt die Punksache völlig. Aber besonders beim zweiten Konzert gab es ein riesiges Polizeiaufgebot. Alle die so aussahen, als wollten sie dahin, mussten umkehren. Am Bahnhof wurden Punks abgefangen und gleich wieder zurückgeschickt. Man bekam Vorladungen von der Polizei und die Auflage sich besser bei keiner illegalen Veranstaltung an diesem Wochenende sehen zu lassen. Bei dem Theaterstück mussten die Zuschauer mit einspringen, weil nicht alle Schauspieler durchgekommen waren.  

Wieviele Leute besuchten die Konzerte?

Das ist schwer. Beim ersten waren es geschätzt 200 bis 300. Beim zweiten Mal schien es mir leerer, aber auf den Fotos ist es doch ganz schön voll.  

Wie sind sie an der Ausstellung im Stadtmuseum beteiligt?

Ich habe mit beraten, Kunstwerke beigesteuert und natürlich jede Menge Fotos aus meinem Privatarchiv.

Herr Götze, Vielen Dank für das Interview.
(Martin Große, Kulturfalter Februar 2008)