"Wir sind Copperfield für Arme“ - Ein Besuch beim Magischen Zirkel Halle

Der eisige Wind pfeift zwischen den Hochhäusern der Neustadt. Nur wenige Menschen sind unterwegs, als ich am Mittwochabend den Zollrain entlang laufe. Nach ein paar hundert Metern biege ich rechts auf einen Parkplatz ein und stehe vor dem Eingang der Kleingartenanlage „Am Zollrain“. Etwas versteckt hinter ein paar Parzellen und Lauben entdecke ich mein Ziel: Die Gartenstube, das Vereinsheim. In einem Nebenraum der Gastwirtschaft mit Tischdecken wie bei Oma und Holzvertäfelung sitzen die Herren des magischen Zirkels an einem langen Tisch und erwarten mich. Ganz vorne, links vom Leiter des Zirkels, Klaus Jürgen Sell, wurde mir ein Platz reserviert. Einmal Mäuschen spielen bei Zauberern – das war der Plan, doch sobald Publikum anwesend ist, beginnt die Show.



Es dauert nicht lange und schon wird der erste Zauberkoffer geöffnet – jeder am Tisch hat natürlich seinen ganz persönlichen. Ich spitze neugierig hinein und entdecke Karten, große, kleine, Altenburger und andere Bildkarten. Außerdem Schnüre, Ringe in diversen Größen und Farben, Sicherheitsnadeln, Würfel, Spielgeld, Stoffe, buntes Papier, Mini- Teppiche und allerhand Kleinkram, von dem meine Mutter behaupten würde, das verstaube doch eh nur im Schrank. Hier aber wird es fürsorglich verstaut. Das Zauberhobby kann teuer werden, erzählt mir Vereinsmitglied Manfred. Um beispielsweise einen komplexen Trick wie die schwebende Jungfrau vorführen zu können, müsse man schon knapp 1600€ in Material investieren. Doch fangen wir erst einmal klein an: Manfred zeigt mir den ersten Zaubertrick, den er gelernt hat. Eine Schnur umspannt meine zwei Zeigefinger, die ich vor mir in die Luft strecke. Ein grüner Ring schaukelt vor meinen Augen auf der Schnur. Manfred grinst. Mit drei gezielten Handgriffen zieht er an der Schnur und entfernt den Ring. Ich staune kurz.

Gegründet in den 50er Jahren gehört der Ortszirkel Halle seit der Wende zum Magischen Zirkel e.V. Deutschland (MZvD) und ist einer von dreien in Sachsen-Anhalt. Zwei Mal im Monat treffen sich die 17 Mitglieder in der Kleingartenanlage. Eine Gemeinschaft zur Pflege und Förderung der Zauberkunst, heißt es auf der Homepage. Zaubern gegen den Aberglauben ist ebenfalls eine Aufgabe, der sich die Zauberer des Zirkels widmen: „Du machst ja oder schaust dir Zauberei immer unter dem Aspekt an, da ist ein Trick dabei“, sagt Manfred. Und ein Trick ist schließlich nur eine gut gesetzte Illusion. Beim Stichwort Wahrsagerinnen schütteln die Herren nur mit dem Kopf: „Die Leute geben ein Heidengeld aus dafür“. Ein Zauberer habe es in der heutigen Zeit schon schwieriger. Inspiration holen sich die Zauberer von Größen wie Hans Klok oder auch den legendären Brüdern Siegfried und Roy. Eine gute Geschichte schmückt die Zauberkunst, denn als Zauberer ist man Unterhalter. „Wie verkauft man einen Trick? Ja, das ist das A&O“, berichtet Axel. „Wir sind Copperfield für Arme“, sagt Manfred. Die Gruppe lacht auf und korrigiert aber direkt: „Naja, wir sind Kleinkünstler“, die Familien- und Firmenfeiern und Kindergeburtstagen bezaubern.



Die Runde ist aufgetaut und ich wechsle von Platz zu Platz und schaue einen Trick nach dem anderen an. Mein Staunen lässt die Brust der Zauberer vor Stolz schwellen. Nachdem mir jeder einen Zaubertrick der Kategorie Tischzauberei und Kartenzauber gezeigt hat, ist es Zeit für eine Premiere. Regelmäßig führt ein Mitglied einen Zaubertrick vor und erklärt ihn seinen Kollegen – wenn er möchte. Nicht immer. Und dann geht das Grübeln los. „Ja, man überlegt schon, aber wenn man selbst schon viel probiert hat, dann kommt man darauf“, schmunzelt Klaus Jürgen. Nur ich werde heute wohl im Dunkeln bleiben. „Ein Zauberer sagte einmal: wir zahlen einen hohen Preis. Wir verlernen das Staunen“, zeigt Manfred auf, Klaus Jürgen fügt schmunzelnd hinzu: „Ein Zauberer verrät seine Tricks nicht.“ Dafür müsse ich schon Mitglied werden.

Als Anfänger mit ehrlichem Interesse ist jeder herzlich Willkommen, einen kleinen Kartentrick der Kategorie Tischzauberei sollte man aber schon mitbringen. Um dann Vereinsmitglied zu werden, steht eine Prüfung an: Theorie, Praxis und eine Showeinlage. Wer die Mindestpunktzahl erreicht, wird Mitglied des Vereins. Wer nicht, hat Pech und muss sich noch einmal dem Studium der Zauberkunst widmen.

Bevor ich nach vielen Eindrücken bezaubert hinausgehe, fragt Axel nach meinem Interesse, Zaubererassistentin zu werden. Die schwebende Jungrau wollte er schon immer einmal ausprobieren. Ich muss schmunzeln und antworte: Am Ende staune ich doch lieber.

(Autorin: Lisa Ossowski)