Martin Kreuschs persönlicher Schwitters-Abschluss

Regisseur und Schauspieler Martin Kreusch beschäftigt sich seit seinem Studium intensiv mit Kurt Schwitters. Neben vielen Workshops, in denen er die dadaistischen Texte eingehend studierte, ist die Produktion „Ein Zusammenstoß“ bisher die dritte Schwitters Bearbeitung, an der er mitwirkt. Kulturfalter-Mitarbeiter Sebastian Krziwanie sprach mit Martin Kreusch über Schwitters und das Gefühl der Bedrohung.

Herr Kreusch, was würden Sie machen, wenn Sie wüssten, dass demnächst die Welt untergeht?

Das habe ich mir neulich tatsächlich mal überlegt, was ich dann machen würde. Große Projekte kann man ja nicht mehr stemmen. Aber viele antworten darauf ja immer, sie müssten dann Dinge mit anderen Menschen klären. Ich fände es daher spannend, ob sich jemand bei mir meldet – und warum erst jetzt.

Also sitzt Herr Kreusch beim Weltuntergang am Telefon und wartet, dass irgendjemand anruft?

Sollten die Telefone da noch gehen: Ja, ich warte und bin sehr gespannt.

Außer vom Weltuntergang, der ja nun wohl nicht kommt, fühlen Sie sich von irgendetwas bedroht?

Eigentlich bin ich kein Mensch, der in Angst lebt. Aber die Frage, wie lange es die Erde noch macht, habe ich mir auch schon gestellt. Ehrlich gesagt: Aktionismus entwickelt, um was zu ändern, habe ich bisher aber auch nicht.

Zu Kurt Schwitters haben Sie ja eine besondere Beziehung...

...ja, er begeleitet mich schon seit zwölf Jahren, seit den Anfängen meines Studiums. Und bis heute fasziniert mich immer noch, wie extrem fortschrittlich Schwitters komponiert und geschrieben hat. Man könnte mitunter meinen, dass hat der von Brecht übernommen, doch er hat es ja vor ihm entwickelt. Bei all den verrückten Sachen komm ich manchmal aber doch zu dem Schluss: Der hat einen Knall gehabt – aber im positiven Sinne.

Und wird es nach dem aktuellen Stück eine weitere Schwitters-Bearbeitung geben?

Nein, ich denke aller guten Dinge sind drei und „Ein Zusammenstoß“ wird mein persönlicher Schwitters-Abschluss.

Vielen Dank für das Interview!



Si-Fi-Theater in bester Schwitters-Manier

Mit dem Stück „Der Zusammenstoß“ setzte sich Autor Kurt Schwitters in den 1920er Jahren humorvoll mit einem möglichen Weltuntergang und dessen Folgen auseinander. Als Trash-Theater-Show interpretierte Regisseur Martin Kreusch das Stück, welches in der Theatrale zur Aufführung kam.

Und da ist es nun: das Ende der Welt. In Form eines Kometen tritt es auf die Bühne und versetzt das milliardenfach anwesende Publikum in Angst und Schrecken und in rege Betriebsamkeit. Denn irgendwie lässt sich doch aus der Tatsache, dass bald ein Komet mitten in Berlin einschlägt, bestimmt noch Kapital schlagen. So gibt es alle zwei Minuten Shuttle-Busse zum Weltuntergang. Massenmedien, Mode, Presse, Rundfunk und Schlagerindustrie – alle reagieren sie auf das bevorstehende Großereignis. In den Schaufenstern wird die Weltuntergangsmode präsentiert. Vom Rundfunk wird der Schlager „Onkel Heini” in die Charts gepusht. Und um in diesem Chaos ja die Ordnung zu bewahren, tritt Ordnungsmeister Meisterlich auf den Plan: Denn auch beim Weltuntergang muss alles gesittet vonstattengehen. Wenn schon, dann tritt man mit Anstand ab!

Das Stück „Der Zusammenstoß“ von Kurt Schwitters, geschrieben Ende der 1920er-Jahre, entstand in einer Zeit, in der in weiten Teilen der damaligen deutschen Kunst- und Künstlerszene eine gewisse Müdigkeit auszumachen war. Nach den rauschhaften Partys der Goldenen Zwanziger stellten sich nicht wenige die Frage: Was soll jetzt noch kommen? Schwitters beantwortete dies gewohnt grotesk und humorvoll. In einem Bilderbogen der menschlichen Natur wollte er zeigen, wie Menschen angesichts der nahenden Katastrophe reagieren und handeln.

Regisseur und Schauspieler Martin Kreusch brachte seine Interpretation des Stückes nun auf die Bühne der Theatrale. Trotz des vermeintlich ernsten Themas wollte er das Stück leicht, kunstvoll, skurril-komödiantisch umsetzen. Auf zwei Spielebenen ließ Kreusch dazu 14 Schauspieler und drei Musiker in einer bunten Trash-Theater-Show das Ende der Welt erleben – Science-Fiction-Theater in bester Schwitters-Manier also.