Händel-Festspiele Halle vom 6. bis 15. Juni 2025

Das Festspielmotto "Frischer Wind: Der junge Händel in Italien" lenkt den Blick auf die vier Jahre, die Händel in Italien verbrachte. Vermutlich im Sommer oder Herbst 1706 war er von Hamburg aufgebrochen. Viel Zeit verbrachte er in Rom (Februar bis Herbst 1707 und Juli 1708 bis Herbst 1709, aber auch das weiß man nur ungefähr), wo er unter anderem Corelli, Lotti und die beiden Scarlatti kennenlernte. Dies war die Schule in der italienischen Musik, mit der der junge Komponist sich auseinandersetzte.
Die Festspiele präsentieren daher das Oratorium „La Santissima Annunziata“ von Alessandro Scarlatti, das selten zu hören ist, in einer engagierten Interpretation durch Fabio Biondi und sein Ensemble Europa Galante. Scarlatti hatte es 1700 oder 1703 auf ein Libretto des Kardinals Ottoboni komponiert, der auch Händel mit Aufträgen versah. Händels geistliches Oratorium „La resurrezione“ wurde unter Leitung Corellis am Ostersonntag 1708 im Römischen Palast des Marchese Ruspoli uraufgeführt und zeugt davon, wie der 23-jährige Komponist in Italien gereift war.
Auch die Aufführung des Te Deums von Francesco Urio (1631-1719) durch die Staatskapelle Halle unter der Leitung von Reinhard Goebel folgt den italienischen Einflüssen, die Händel aufsog. Deshalb veröffentlichte Chrysander das Werk 1902 in Leipzig als Supplement seiner Händel-Ausgabe. Chorpart und Solopartien werden vom MDR-Chor übernommen
Die Festspiele beginnen mit einem Auftakt-Konzert am Vorabend: Das Händelfestspielorchester unter Leitung seines Chefdirigenten Attilio Cremonesi bringt ein frühes Zeugnis der Händel-Rezeption in Italien zur Aufführung: Die italienische Fassung des Oratoriums „Das Alexanderfest“ von 1788 in Florenz.
Dessen Botschaft könnte aktueller nicht sein: Die Überwindung von Krieg und Zerstörungswut durch die Musik. Händel komponierte in Italien zwei Opern: im November 1707 kam in Florenz „Rodrigo“ auf die Bühne, am 26. Dezember 1709 in Venedig „Agrippina“, beides frische und zugleich reife Werke. „Agrippina“ wird von der Oper Halle in einer Neuinszenierung des Intendanten Walter Sutcliffe präsentiert.
Schon früh fiel auf, dass Händel sich dabei auch von der Oper „Octavia“ seines Hamburger Kollegen und Chefs Reinhard Keiser hatte inspirieren lassen. Keiser und Händel standen dort in einer kreativen Konkurrenzsituation. So wurde am 25. Januar 1705 an der Hamburger Gänsemarkt-Oper Händels heute verlorene Oper „Nero“ auf ein Libretto von Feustking uraufgeführt. Das veranlasste seinen Chef Reinhard Keiser, am 5. August des gleichen Jahres eine „Octavia“ herauszubringen, für die er das Libretto von Barthold Feind schreiben ließ.
Keisers Octavia-Partitur nahm Händel mit auf seine vierjährige Italienreise, und als er für den Karneval 1709/10 in Venedig seine „Agrippina“ schrieb, bediente er sich großzügig bei Keiser. Schon das zeigt, das Händel diese Musik sehr geschätzt hat. Im Goethe-Theater Bad Lauchstädt wird deshalb Keisers „Octavia“ präsentiert, um zum ersten Mal dem Publikum die Gelegenheit zu geben, die beiden Werke miteinander zu vergleichen und Händels „Borrowings“ mit eigenen Ohren zu hören. Vor allem aber soll das Publikum die Qualität von Keisers Oper schätzen lernen. Denn nicht nur die Musik ist hervorragend – „eine der musikalisch reichsten Opern aller Zeiten“ (Michael Pacholke, HHA) –, sondern auch das Libretto von Feind ist klug aufgebaut, mit abwechslungsreichen Szenen und dramatischen Zuspitzungen.
Ansonsten sind aus der Italien-Zeit vor allem die über 100 Kantaten bemerkenswert, die Händel vor allem für die Gesellschaftsabende des Marchese Ruspoli schrieb. „Clori, Tirsi e Fileno“ ist ein reizendes Schäferspiel, bei dem die hübsche Nymphe Clori gleich zwei Hirten in den Wahnsinn treibt. Michael
Hofstetter bringt es mit drei blutjungen, aber schon hinreißenden Stimmen auf die Bühne des Goethe-Theaters Bad Lauchstädt.
Bei 66 Haupt- und Begleitveranstaltungen an 17 Aufführungsorten in und um Halle, sind Internationale Stars der Barockmusik zu erleben wie etwa Julia
Lezhneva, Max Emanuel Cencic, Anna Bonitatibus, Mahan Esfahani, Rey Chenez, Bruno de Sa, Christoph Prégardien, mit Reinhard Goebel, Fabio Biondi, Martyna Pastuszka, Attilio Cremonesi, Federico Maria Sardelli, Hervé Niquet, Wolfgang Katschner, die Lautten Compagney Berlin, die italienischen Ensembles Modo Antiquo und Europa galante, das polnische {Oh! Orkiestra}, der estnische Philharmonic Chamber Choir zusammen mit dem dänischen Concerto Copenhagen oder Le Concert Spirituel aus Paris.
Der Händel-Preis der Stadt Halle, vergeben durch die Stiftung Händel-Haus, wird in diesem Jahr an das Händelfestspielorchester Halle vergeben. Das Kuratorium der Stiftung Händel-Haus würdigt damit die jahrzehntelange, leidenschaftliche Interpretation von Händels Musik auf Originalinstrumenten
durch dieses Spezialistenensemble der Staatskapelle Halle. Die Internationale Wissenschaftliche Konferenz 2025 trägt den Titel „Händels italienische Texte und seine Textdichter“. Sie nimmt damit die von Händel vertonten italienischen Texte und seine Kontakte mit italienischer Literatur und Textdichtern genauer in den Blick und strebt auch Vergleiche mit anderen Komponisten des 18. Jahrhunderts an.
Besonders wichtig ist den Händel-Festspielen die Offenheit zu Stadt und Region. Einige Veranstaltungen sind bei freiem Eintritt zugänglich, die beiden Konzerte in der Galgenbergschlucht beschließen das Festival mit populären Programmen und Gästen wie Kissin‘ Dynamite und dem britischen Dirigenten Joolz Gale. Hip-Hoper Raphael Moussa Hillebrand und der junge Komponist Oscar Jockel erarbeiten ein Programm mit Jugendlichen aus Halle-Neustadt.
Voller Vorfreude auf das Festival ist Bürgermeister Egbert Geier: „Mit dem aktuellen Festspielmotto laden die Händel-Festspiele ihr Publikum auf eine Reise zu einigen eher weniger bekannten Wurzeln von Händels künstlerischer Entwicklung ein. Welche italienischen Einflüsse prägten den Komponisten? Besucherinnen und Besucher aus aller Welt dürfen sich auf Raritäten und Neuentdeckungen freuen – vom Meister selbst wie auch seinen Zeitgenossen.“