Gertraud Möhwald - Bildhauerin und Keramikerin

„Was eigentlich kennzeichnet keramische Plastik? Ist ein Bronzeguss eine Metallplastik? Wie weit sind Materialspezifik und Abhängigkeit von der Herstellungsweise ausschlaggebend?“, fragt Gertraud Möhwald in einem 1984 publizierten Text. Und sie gibt auch gleich die Antwort: „Die Bedeutung des Begriffs hat sich wohl gewandelt: eine griechische Terrakotta bezeichnet man weniger als keramische Plastik, sondern als Plastik, für deren Beständigkeit nicht Stein oder Bronze, sondern eben Ton verwendet wurde. Der Begriff, wie wir ihn heute verstehen, setzt den Akzent auf ‚keramisch‘ – man erwartet eine Aussage auch über das Material.“
Für Gertraud Möhwald war das keramische Material eine starke Triebfeder. Sie erkundete es von einem uneingeschränkten Kunststandpunkt aus und öffnete damit ihr Metier subjektiven künstlerischen Programmen. Mit dem von Gertraud Möhwald forcierten Aufbrechen des Dogmas von der „Materialgerechtheit“ erhalten Experiment und formale Neuerungen Kraft und Grundlage. Das in der Kunst viel geschmähte „Handwerkliche“ bleibt bei ihr als Mittel zum Zweck ganz selbstverständlich Teil der Kunst. Auf den engen Zusammenhang zwischen ihren Gefäßformen und Plastiken hat sie immer wieder hingewiesen. Die Gefäßkeramik sei für sie das Fundament, „auf dem meine Skulpturen auf so eigene, ganz spezifische Art wachsen konnten“.
Gertraud Möhwald hat sich in den letzten zwanzig Jahren ihres Lebens nahezu ausschließlich mit Plastik beschäftigt. Das große Thema ihres Spätwerkes ist die Figur, oder besser ein Teil der menschlichen Figur: die Büste, der Torso, der Kopf, auch Hände. Das Fragment als Zeichen für das Ganze. Das Machen, das Werden, das Arbeiten sind ihr Thema. Das Material hat nicht einfach dienende Funktion, sondern selbständigen Wert. Sie sucht Gleichgewicht und Stabilität der Form, Geschlossenheit trotz Gebrochenheit. Damit gelingt es ihr, existentielle menschliche Situationen auszudrücken.



Gertraud Möhwald, 1929 in Dresden geboren, machte nach dem Abitur von 1948 bis 1950 eine Lehre als Steinbildhauerin im Dresdner Zwinger und studierte ab 1950 zunächst Bildhauerei und später Keramik an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle. Von 1964 bis 1989 lehrte sie hier. Seit 1983 war sie Mitglied der Académie internationale de la Céramique (AIC) in Genf; im letzten Jahr ihres Bestehens wurde sie Mitglied der Akademie der Künste zu Berlin (Ost); 1991 hatte sie ein Arbeitsstipendium des Landes Reinland-Pfalz im Künstlerhaus Edenkoben, 1994 war sie Ehrengast der Deutschen Akademie in der Villa Massimo in Rom; 1997 erhielt sie den Kunstpreis des Landes Sachsen-Anhalt.

Ab Mitte der 1960er Jahre zeigte Gertraud Möhwald mit ihren frei aufgebauten, betont plastischen, geschnittenen, montierten und collagierten Gefäßen und Baukeramiken, welche weitreichenden künstlerischen Möglichkeiten das Material Ton dem bietet, der sich ihm unkonventionell nähert und die Verbindung von formalem und ideellem Ausdruck zum Konzept erhebt. Damit wirkte sie schulbildend über die Mauern der halleschen Kunsthochschule hinaus und beeinflusste zahllose Keramiker, auch solche, die ihre Ausbildung nicht in Halle erhalten haben.



Gertraud Möhwald gelang es – wie übrigens vielen Menschen – in dem unfreien Land DDR ihre innere Freiheit und äußere Unabhängigkeit zu bewahren. Das spiegelt sich in ihrem Werk. Mit einer solchen Haltung bekam sie zu Zeiten der DDR kein gut bezahltes „Amt“, aber die Anerkennung und Bewunderung von Menschen, deren Meinung ihr wichtig war. „Ihre Fähigkeit das Schicksal anzunehmen, hat sie in der Enge der DDR, die sie ganz sicher schmerzlich empfand, die selbst gewählte Beschränkung nie als Einschränkung empfinden lassen. Sie hat sich eine geistige Freiheit bewahrt, die sie befähigte, ein einmaliges Werk zu schaffen“, schreibt Dr. Katja Schneider im Katalogbuch zur großen Werkschau, den die Moritzburg Gertraud Möhwald 2005 ausrichtete. Gertraud Möhwald konnte ihr Werk nicht vollenden. Sie starb unter tragischen Umständen am 20. Dezember 2002 in Halle. Kunstfreunde, Sammler und Galeristen in aller Welt schätzen und verehren sie.

Die Stiftung Moritzburg erinnert mit einer Kabinettausstellung, die vom 5. Dezember bis 7. April 2013 zu sehen ist, an das Werk dieser bedeutenden deutschen Keramikerin. Am Dienstag, dem 4. Dezember 2012, um 18 Uhr, laden das Landeskunstmuseum und die Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle zu einem Vortrag über Leben und Werk der Bildhauerin und Keramikerin Gertraud Möhwald ein.

(Renate Luckner-Bien, Kulturfalter Dezember 2012)