60 Jahre Landesmünzenkabinett

„Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert“ heißt es auch heute noch im Volksmund. Ganz diesem Sprichwort hat sich das Landesmünzkabinett Sachsen-Anhalt, dessen Bestehen sich im Herbst diesen Jahres zum 60. Mal jährt, als numismatische Universalsammlung verschrieben. Münzen sind neben anderen Zeugnissen eine bedeutsame Quelle für einen Einblick in das kulturelle und wirtschaftliche Leben vergangener Zeiten. Dieser Bedeutung war man sich in Halle schon frühzeitig bewusst.

Eine erste wissenschaftliche Grundlage der mittelalterlichen Münzkunde legte z. B. der damalige Kanzler der Universität Johann Peter von Ludewig 1708. Sie markiert den Anfang für eine über 300 Jahre währende hallesche Impulsgebung an die deutsche Numismatik. So war es nur natürlich, dass seit der Gründung des halleschen Kunstmuseums 1885 kontinuierlich Münzen und Medaillen erworben wurden und eine stadthistorisch geprägte Sammlung entstand. Die Sammlung erlitt jedoch einen spürbaren Aderlass durch Verluste während und kurz nach dem Zweiten Weltkrieg.



Im mitteldeutschen Raum gab es nach Ende des Krieges kein überregional bedeutendes Münzkabinett mehr, die wissenschaftliche numismatische Forschung war zum Erliegen gekommen. Diesem unhaltbaren Zustand Abhilfe zu leisten beabsichtigte der im November 1950 verkündete, offizielle Gründungserlass für ein „Landesmünzkabinett Sachsen-Anhalt“ als selbstständigem Sammlungsbereich in der damaligen Staatlichen Galerie Moritzburg Halle. Zu den Aufgaben des neugeschaffenen Kabinetts sollte die Erforschung der Münz- und Geldgeschichte des historischen Raums Sachsen-Anhalt, die Organisation von Ausstellungen und Veröffentlichungen, die zentrale Sicherung und Verwertung der landeseigenen Bestände, die wissenschaftliche Beratung der Münzsammlungen des Landes sowie die Zusammenarbeit mit der Universität in der numismatischen Ausbildung von Studenten zählen.

Erster wissenschaftlicher Direktor wurde der Hallenser Numismatiker und Pfarrer Eberhard Mertens, der am Aufbau des Kabinetts bedeutenden Anteil hatte. Unter seiner Leitung vervielfachte sich der Sammlungsbestand, wurde erschlossen und katalogisiert. Mit dem Landesmünzkabinett war ihm zufolge „endlich ein Institut geschaffen worden dessen Fehlen immer wieder als eine schmerzliche Lücke empfunden“ worden war und das sich nun dem Bewahren eines unersetzlichen Kulturgutes der Heimat widmen konnte. Ab 1958 fokussierten sich die Sammlungsbestrebungen auf die zeitgenössische Medaillenkunst, darunter auch aus der Kunsthochschule Burg Giebichenstein. Sie knüpften damit an die von Max Sauerlandt, zu Anfang des 20. Jahrhunderts Museumsdirekter der Moritzburg, begründete Tradition der Pflege zeitgenössischer Kunst an. Nach der deutschen Einheit konzentrierte sich das Kabinett wieder verstärkt auf die Gründungsaufgaben. Es besitzt mit über 30000 Münzen und Medaillen und 60000 Geldscheinen die umfangreichste numismatische Sammlung Sachsen-Anhalts. Sie bietet einen Überblick über die Münzgeschichte der verschiedensten Kulturen und Kontinente von der Antike bis zur Gegenwart.



Darunter sind regionalgeschichtlich besonders reizvolle Stücke wie mittelalterliche Brakteaten des Erzstifts Magdeburg, zu denen auch Zeugnisse Hallenser Münzstätten gehören. Zu diesen zählt ein Moritzpfennig aus der Zeit um 1150 – die zweitälteste Münze, auf der die Stadt Halle genannt ist. Nach ihr wurde die erste Ausstellung des Landesmünzkabinetts 1951 „Moneta Halensis“ benannt. Bereits seit dem 10. Jahrhundert wurden mit der Münzrechtsverleihung durch Kaiser Otto III. an den Magdeburger Erzbischof Giseler in Halle Münzen geprägt. 987 wurde eine Münzstätte auf der Burg Giebichenstein eingerichtet, die später in die Stadt verlegt wurde. Unter Erzbischof Wichmann von Seeburg erreichte die Münzprägung in Halle dann Ende des 12. Jahrhunderts ihre höchste Blüte. Die unter ihm geschlagenen Münzen gehören zu den schönsten im Mittelalter. Ab 1503 setzten die Erzbischöfe ihre Münzprägung in Halle in der neu errichteten Moritzburg fort. Dort wurde 1638 erstmalig ein Taler mit der Stadtansicht Halles geprägt. In den folgenden Jahrhunderten entstanden eine Vielzahl von Medaillen auf Halle, berühmte Bürger wie Christian Thomasius oder August Hermann Francke, auf Institutionen und regionalhistorische Ereignisse wie die Gründung der Universität 1694, die Hungersnot 1846 oder das 1200jährige Stadtjubiläum Halles 2006, dessen Gedächtnismedaille wichtige Momente der ereignisreichen Stadtgeschichte festhält.

Im Kontext der Dauerausstellung zu religiöser Kunst aus dem Mittelalter und der Frühen Neuzeit im Gotischen Gewölbe präsentiert die Stiftung Moritzburg ab sofort kostbare Münzen, Schmuckstücke und Medaillen der Sammlung des Landesmünzkabinetts aus der Romanik, Gotik und der Renaissance. Die Gepräge wichtiger und auch heute noch bekannter Persönlichkeiten des Mittelalters wie Friedrich Barbarossa oder Albrecht der Bär geben neben bis dato selten gezeigten Stücken einen bemerkenswerten Einblick in die Kultur und in wirtschaftliche Aspekte des Mittelalters.

(Andrea Moritz, Kulturfalter Januar 2010)