Ein magischer Moment im Leben und – wusch – ist er vorbei!

Die Sammlung Hahnloser-Bühler ist eine der bekanntesten Privatsammlungen der französischen Moderne. Durch den Umbau des ausstellenden Museums Villa Flora in Winterthur mussten die Kunstwerke zeitweise ausgelagert werden und es haben sich weltweit Museen darum beworben, diese Sammlung zeigen zu dürfen. Der Moritzburg ist das Kunststück gelungendie Ausstellung nach Halle zu holen. Redakteurin Anna Dick sprach mit Katrin Greiner, Referatsleiterin Kommunikationdes Kunstmuseums Moritzburg, über die Schau.

Wie kam diese besondere Ausstellung nach Halle?

Greiner: Die Frage ist doch – warum nicht Halle? Die Ausstellung zeigt eine der bekanntesten Privatsammlungen der französischen Moderne aus der Schweiz in Winterthur, die Sammlung Hahnloser-Bühler. Das Ehepaar hat Anfang des 20. Jahrhunderts großartige Werke zusammengetragen. Die Sammlung war untergebracht in der Villa Flora, welche seit 1994 als Museum diente. Trotzdem wohnte noch ein Teil der Familie in dieser Villa. Als dieser 2014 aus dem letzten Privattrakt auszog sollte das Museum um- und ausgebaut und auf den neusten Stand gebracht werden. Die Villa Flora hatte bis dahin immer die Unterstützung der Stadt Winterthur, welche aber bei dieser Gelegenheit die finanziellen Mittel verweigerte. Das war das Pech für die Villa Flora und gleichzeitig das Glück für uns, weil durch den Umbau die Sammlung zeitweise ausgelagert werden musste. Es haben sich weltweit Häuser darum beworben, diese Sammlung präsentieren zu dürfen, weil vorher selbst einzelne Werke nur sehr selten ausgeliehen waren. Daraufhin ist unser Direktor Herr Bauer-Friedrich am letzten Öffnungswochenende der Villa Flora in die Schweiz gefahren, hat sich der Familie vorgestellt und darum gekämpft, dass die Sammlung nach Halle kommt. Zum einen haben wir als Museum einen Bezug zur klassischen Moderne und zum anderen sind bei diesen Künstlern nicht nur berühmte Namen dabei, sondern eben auch solche Künstler wie Vallotton. Diese sind im Westen sehr bekannt und geschätzt, im Osten aber noch weitgehend unbekannt, weil diese in der Kunstgeschichte keine große Rolle spielten. Die Familie ließ sich letztendlich auch davon überzeugen, dass wir hier ein ganzes Stück Aufklärungs- und Lobbyarbeit für diese großartige Kunst betreiben. So sind es vier Stationen geworden: Hamburg hat voriges Jahr den Auftakt gemacht, die Show lief bis Mitte Februar in Paris, kommt jetzt zu uns und ist 2017 in Stuttgart zu sehen. Jedes Mal in einer anderen Zusammensetzung, jeder legt auch einen anderen Schwerpunkt, aber ich finde Hamburg – Paris – Halle klingt doch cool.

Was bedeutet diese Ausstellung für die Stiftung Moritzburg?

Es ist eines der größten Projekte, das wir jemals gestemmt haben, nicht nur finanziell sondern auch kräfte- und aufwandmäßig. Zudem ist es eine Gelegenheit, überregional wahrgenommen zu werden. Wir wollen national und international zu den führenden Häusern für Ausstellungen gehören und daher ist eine so große Ausstellung natürlich die Chance, sich Respekt und Anerkennung zu verdienen.

Was ist das Besondere an der Auswahl, die die Moritzburg jetzt zeigt?

Natürlich haben wir berühmte Namen mitgenommen, Cézanne, van Gogh, Matisse,... Das Besondere unserer Auswahl ist jedoch der Schwerpunkt, der auf der Künstlergruppe der „Nabis“ (hebräisch für „Propheten“) liegt. Das sind Künstler wie Valloton etc., die ihre junge, ungestüme Kunst etablieren wollten.

Welches ist das bekannteste Werk der Sammlung?

Das ist „Le Semeur“ (= „Der Sämann“) von van Gogh. Vor knapp zwei Jahren hatten wir dieses Werk als Fälschung von Wacker im Zuge der Original-Fälschung-Ausstellung in der Moritzburg hängen. Jetzt den echten Sämann auszustellen ist großartig. Das ist wirklich das Spitzenwerk der Sammlung.

Wie lange lief die Hintergrundarbeit bis zur Schließung des „Ausstellungsvertrags“?

Die planerische Arbeitszeit lief 2 Jahre. Es mussten Sponsoren, Förderer und Unterstützer gefunden werden, mit den Leihgebern über Werke verhandelt und für die Ausstellung geworben werden.  In die Werbung sind wir schon vor einem Jahr mit den ersten Vorab-Info-Flyern.

Gibt es ein Bild in der Sammlung, das eine Sonderrolle einnimmt?

Eines unserer Hauptmotive in der Werbung ist „La Blanche et la Noire“ von Vallotton. Das ist ein sehr mutiges Motiv, da auch auf Großflächen, beispielsweise dem HalleCube zu sehen sein wird. Dieser Mut Nähe und Nacktheit zu zeigen macht es zu einem der tragenden Werke der Ausstellung.

Würden Sie sagen, das ist Ihr Lieblingsbild?

Ja, schon. Ich mag es sehr. Man schaut jeden Tag ein bisschen anders darauf. Das ist ganz verrückt. Ich habe mich noch nicht sattgesehen, obwohl wir es schon eine ganze Zeit als Werbemotiv nutzen. Das heißt das Bild trägt auch über eine längere Zeit und nicht nur über den ersten Moment der Faszination hin.



Welche Verbindung gibt es zwischen den Brücke-Malern und den „Vätern der Moderne“, was macht diese zu den Vorbildern?

Die moderne Kunst war einfach etwas, an dem sich die Brücke-Maler gerieben haben und mit der sie umgegangen sind. Das ist eine sehr schöne Verbindung, die wir zu diesem Zeitpunkt im Haus haben: Die großen Vorbilder hängen dort und die Brücke-Maler sind gleichzeitig in der großen Gemäldeausstellung zu sehen. Frappierend wird das, wenn man einen van Gogh sieht und den frühen Kirchner im Park, auch eines der tragenden Werke in der Brücke-Ausstellung. Man kann Parallelen ziehen und sieht Verbindungen. Es ist eine herausragende Gelegenheit um einen ganz speziellen Blick auf die Kunstgeschichte und die Bewegung der Kunst zu werfen. Ergänzend muss man dazu noch sagen: Das ganze Haus ist dem Thema Brücke gewidmet. Man geht durch das ganze Haus und erlebt eine Zeit wieder und das finde ich wunderschön.

Inwiefern war es ein Mehraufwand für die Moritzburg, die Sammlung beherbergen zu können – sicherheitstechnisch und finanziell?

Seit dem Neubau sind wir sicherheitstechnisch auf dem neusten Standard, sonst könnten wir auch unsere eigene Sammlung nicht mehr zeitgemäß präsentieren. Wir mussten also nicht nachrüsten. Was aufwändiger war ist das Sicherheitskonzept. Wie viele Leute dürfen gleichzeitig rein, welche Taschengröße ist überhaupt noch gestattet, wie gehen wir mit den Sicherheitskräften um? Dies stellt einen größeren Aufwand dar. Zusätzlich ist der finanzielle Aufwand enorm. Die größten Posten hierbei sind der Transport und die Versicherung.

Gibt es einen kuratorischen Bezug zwischen den Brücke-Malern und ihren Vorbildern?

Wir haben nicht ohne Grund Einladungen mit Werken von Kirchner und van Gogh gemacht, auf denen Bilder von beiden zu sehen sind. Hier kann der Besucher wirklich Dinge entdecken. Es ist ein ästhetischer Hochgenuss, in der einen Villa-Flora-Ausstellung zu starten und in der Brücke-Ausstellung auf einmal Bezüge herzustellen und Verbindungen wahrnehmen zu können. Das kann ein großer ästhetischer Genuss sein, wie in der Literatur, wenn man auf einmal die intertextuellen Bezüge kennenlernt. Nicht anders ist das bei Bildern, da gibt es auch intertextuelle Bezüge.  

Wie kam es zu dem Namen der Ausstellung?

Den haben wir selbst ausgesucht. In Hamburg hieß es „Verzauberte Zeit“, bei uns ist es die „Magie des Augenblicks“. Wenn man sich die Bilder ansieht, versteht man auch, warum: Es sind Momentaufnahmen, die den Zauber eines ganz speziellen Augenblicks in sich tragen. Das kennt man auch selbst: Ein magischer Moment im Leben und – wusch – ist er vorbei. In dem Augenblick, in dem man ihn erkennt., ist er vorbei. Aber diese Maler haben es geschafft, solche Momente einzufangen und auf die Leinwand zu bringen.



Einige Werke, die Sie in Halles Moritzburg sehen können.

  • Pierre Bonnard: Effet de glace ou Le tub (Spiegeleffekt oder Der Badezuber), 1909, Öl auf Leinwand, 73 x 84,5 cm, Hahnloser/Jaeggli Stiftung, Winterthur ©Reto Pedrini, Zürich © VG Bild-Kunst, Bonn 2016Pierre Bonnard: Effet de glace ou Le tub
  • Pierre Bonnard: Les oranges ou Le compotier aux oranges (Die Orangen oder Obstschale mit Orangen), um 1912, Öl auf Leinwand, 68 x 45 cm, Hahnloser/Jaeggli Stiftung, Winterthur, ©Reto Pedrini, Zürich © VG Bild-Kunst, Bonn 2016Pierre Bonnard: Les oranges ou Le compotier aux oranges
  • Paul Cézanne: Plaine provençalePaul Cézanne: Plaine provençale (Provenzalische Landschaft), 1883¬–85, Öl auf Leinwand, 58,5 x 81 cm, Hahnloser/Jaeggli Stiftung, ©Reto Pedrini, Zürich
  • Vincent van Gogh: Le semeurVincent van Gogh: Le semeur (Der Sämann), 1888, Öl auf Leinwand, 72 x 91,5 cm, Hahnloser/Jaeggli Stiftung, Winterthur, ©Reto Pedrini, Zürich
  • Albert Marquet: La fête nationale au Havre (Der Nationalfeiertag in Le Havre), 1906 (evtl. 1913), Öl auf Leinwand, 65 x 81 cm, Hahnloser/Jaeggli Stiftung, Winterthur, ©Reto Pedrini, Zürich © VG Bild-Kunst, Bonn 2016Albert Marquet: La fête nationale au Havre
  • Henri Matisse: Nice, cahier noir (Nizza, das schwarze Heft), 1918, Öl auf Leinwand, 33 x 40,7 cm, Hahnloser/Jaeggli Stiftung, Winterthur, ©Reto Pedrini, Zürich © Succession H. Matisse / VG Bild-Kunst, Bonn 2016Henri Matisse: Nice, cahier noir
  • Odilon Redon: Le rêve (Der Traum), um 1908, Öl auf Leinwand, evtl. Pastell, 73 x 54 cm, Hahnloser/Jaeggli Stiftung, Winterthur, ©Reto Pedrini, ZürichOdilon Redon: Le rêve
  • Félix Vallotton: La Blanche et la Noire (Die Weiße und die Schwarze), 1913, Öl auf Leinwand, 114 x 147 cm, Hahnloser/Jaeggli Stiftung, Winterthur, ©Reto Pedrini, ZürichFélix Vallotton: La Blanche et la Noire
  • Félix Vallotton: La charrette (Der Karren), 1911, Öl auf Leinwand, 101 x 74 cm, Hahnloser/Jaeggli Stiftung, Winterthur, ©Reto Pedrini, ZürichFélix Vallotton: La charrette
  • Édouard Vuillard: Le vase bleu (Die blaue Vase), um 1932, Öl auf Holz, 35 x 27 cm, Privatsammlung, Villa Flora, Winterthur, ©Reto Pedrini, ZürichÉdouard Vuillard: Le vase bleu