Zweite Filmmusiktage feiern 80 Jahre deutscher Tonfilm

Im Jahr 2010 fanden die Filmmusiktage Sachsen-Anhalt, organisiert und durchgeführt von der International Academy of Media and Arts Halle e.V., einem Zusammenschluss von Unternehmen der Film- und Medienwirtschaft in Mitteldeutschland, zum zweiten Mal statt. Gefeiert wurden 80 Jahre deutscher Tonfilm. Zu den Festtagen und der Arbeit der Academy sprachen wir mit Mike Riemenschneider, dem Projektleiter der Filmmusiktage und Programm-Direktor der Halle-Academy.

Kulturfalter: Herr Riemenschneider, seit 2004 existiert die International Academy of Media and Arts e.V. mit dem expliziten Ziel der gemeinnützigen Förderung der Film- und Medieninfrastruktur in Mitteldeutschland. Was hat sich seitdem verändert?

Mike Riemenschneider: Halle ist bekannter geworden in der Branche und man wird mittlerweile ernst genommen. Wir sind nicht mehr die „Verrückten“ aus Halle und es heißt nicht mehr: „Aus welcher Halle kommt ihr?“ Seit 1999 hat es in Halle und Mitteldeutschland eine Entwicklung gegeben. Gerade, wenn man die letzten zehn Jahre reflektiert und einen Vergleich zwischen heute und damals zieht, wird dies deutlich. Allerdings muss man auch sagen, dass Halle mehr Präsenz zeigen könnte.  

Der Sitz der Academy ist Halle. Was spricht für die Saalestadt?

Zum einen gibt es eine enge Bindung an die Gründungsmitglieder der Academy. Die Trickfilmkreativschmiede der MotionWorks GmbH, die maßgeblich an der Gründung unserer European Animation Masterclass im Jahr 2001 beteiligt waren, andere ansässige Unternehmen und Institutionen, ebenso die Mitgliedschaft der Stadt Halle legten nahe, Halle als den Standort der Academy zu wählen. Zum anderen hat man hier ein fruchtbares Umfeld für Entwicklungen und kreative Experimente, die so woanders nicht möglich wären. In Berlin herrscht zum Beispiel ein hoher Konkurrenzdruck, der hier noch nicht so ausgeprägt ist.  

Was halten Sie für den bisher größten Erfolg der Arbeit der Academy?

Kontinuität. Seit 2004 existiert die Academy und schafft es seitdem immer erfolgreicher, Bereiche abzudecken, die in der Medienlandschaft Mitteldeutschland bisher gefehlt haben. Mit Weiterbildungsmaßnahmen wie zum Beispiel der Leadership Master Class for European Media Executives für Entscheidungsträger oder die European Animation Masterclass für Berufseinsteiger und junge Akademiker, können wir eine Lücke zwischen akademischer Ausbildung und Berufsleben füllen. Diese Projekte sollen in den nächsten Jahren ausgebaut und mit weiteren ergänzt werden. Unsere Arbeit ist kein Konkurrenzprodukt zur universitären Ausbildung, wir bauen viel mehr darauf auf und bieten Bereiche der Bildung und praktisch-kreativen Betätigung, die die Universität aufgrund ihres Ausbildungsrahmens nicht abdecken kann.  

In den letzten Jahren sind unter anderem in Mitteldeutschland ein Fülle an erfolgreichen und kreativen regionalen und internationalen Produktionen entstanden: „Carlos der Schakal“, „Frohe Zukunft“, „Schultze gets the blues“ oder „Inglourious Basterds“, um nur einige zu nennen. Was macht Mitteldeutschland so attraktiv?

Ein Grund ist die proaktive Förderungslandschaft: die Landesregierungen geben Hilfestellung und durch die Mitteldeutschen Medienförderung existiert eine Institution, die finanzielle Unterstützung liefert. Ein anderer Grund ist die kulturelle Vielfalt, die sonst nicht vorhanden ist und Mitteldeutschland auszeichnet. Der Vorteil davon ist, dass Teile von Mitteldeutschland sich noch in einem „strukturellen Dornröschenschlaf“ befinden. Dadurch sind Projekte wie der Spielfilm „Luther“ überhaupt nur möglich. Und man hat die Mittel, daraus etwas zu machen. Außerdem macht der Weiterbildungsgedanke unserer Academy Mitteldeutschland potenziell noch attraktiver. Für die Entscheidung eines Unternehmens, sich hier anzusiedeln, spielt die Möglichkeit, geschultes Personal aus der Umgebung anstellen zu können, durchaus eine Rolle.  



Letztes Jahr fanden die Filmmusiktage, die von der Academy ins Leben gerufen wurden, zum ersten Mal statt. Dieses Jahr werden 80 Jahre deutscher Tonfilm gefeiert. Was erhoffen Sie sich von der zweiten Auflage?

Wir hoffen natürlich, dass wir an den Erfolg vom letzten Jahr anknüpfen können.  

Kann man nach dem Erfolg der ersten Filmmusiktage und ihrer jetzigen Fortsetzung schon von einer etablierten Veranstaltung sprechen, wie stark ist die bisherige Resonanz – regional, bundesweit, international?

Der Erfolg der letzten Filmmusiktage und die starke Resonanz auf die diesjährige Fortsetzung sprechen dafür, dass wir mit der Veranstaltung etwas richtig gemacht haben. Wir freuen uns sehr darüber, dass internationale Musiker und Filmkomponisten wie Klaus Doldinger, Günther Fischer und viele weitere Künstler und Dozenten unserer Einladung gefolgt sind. Die Filmmusiktage sind eine überfällige Ergänzung zur bestehenden Struktur von Händelfestspielen, universitären Veranstaltungen oder medialen Produktionen, die wir beim Schopfe gepackt haben – und der Erfolg gibt uns Recht. Ziel unserer Arbeit ist und war es, einen existierenden Bedarf zu finden und zu erfüllen. Das bedeutet auch, dass wir unsere Ziele für die nächsten Jahre weiter stecken: die beiden ersten Veranstaltungen waren regional und bundesweit konzipiert, im nächsten Jahr wollen wir uns international ausrichten.  

In der Fachkonferenz werden wissenschaftliche Beiträge mit Erfahrungsberichten bekannter deutscher Komponisten und cineastischen bzw. musikalischen Beiträgen gemischt. Was für ein Publikum wollen Sie ansprechen?

Mit unserem breit gefächerten Programm wollen wir grundsätzlich alle Interessenten ansprechen: Fachpublikum ebenso wie Begeisterte von Filmmusik. Letztlich geht es darum eine Lanze für die Filmmusik zu brechen, um die Bedeutung der Filmmusik in der Branche zu erhöhen.   Im zweiten Teil der Konferenz wird in einer Podiumsdiskussion die Frage aufgeworfen, ob ein Soundtrack aus „einem Guss“ überhaupt möglich und gewollt sei. Ist diese Frage seit Quentin Tarantinos Soundtracks zu „Pulp Fiction“ und „Kill Bill“ nicht obsolet geworden?So einfach ist es nicht. Zum Beispiel kann man einen Soundtrack komponieren lassen oder aus schon existierenden Musikstücken zusammenstellen. Der Regisseur muss wissen und wählen, was ihm in sein Konzept des Films passt – eine schwierige Aufgabe. Außerdem muss Quentin Tarantino als Ausnahme gelten.  

Herr Riemenschneider, vielen Dank für das Gespräch!

(Nico Elste, Kulturfalter September 2009)