Messe Halle wird für Carlos zum OPEC-Hauptquartier

Terroristen oder Freiheitskämpfer – je nachdem aus welcher Perspektive man es betrachtet – scheinen ‚in’ zu sein. Das Interesse von Film und Fernsehen, das spektakuläre, gewalttätige und dramatische Leben einzelner berühmter Figuren zu verfilmen oder den cineastischen Blick auf die politischen Hintergründe und dramatischen Konsequenzen derzeitiger Konflikte zu werfen, wird immer größer. Steven Spielbergs München, der die Vergeltungsaktion des israelischen Geheimdienstes Mossad nach der Geiselnahme von israelischen Olympiateilnehmer durch die Terrororganisation „Schwarzer September“ 1972 in München thematisiert, zeigt ebenso wie die Neuverfilmung der Geschichte der RAF in der Baader Meinhof Komplex das Interesse an filmischer Aufarbeitung des internationalen Terrorismus. Jedoch auch die Gegenwart, in der Terrorismus aktueller denn je ist, hat nicht wenige Politthriller, Antikriegsfilme und Dramen hervorgebracht. Der Film Flug 93, der aus der Perspektive der Entführten in einem der gekaperten Flugzeuge die Attentate vom 11. September verarbeitet oder auch die Thriller Siyriana mit George Clooney und Ridley Scotts Body of Lies mit Leonardo di Caprio, die die politischen Handlungen und geheimen Aufträge amerikanischer Spezialagenten in den von den USA bekämpften sogenannten „Schurkenstaaten“ kritisch hinterfragen, zeugen davon.

Nun kommt mit "Carlos der Schakal" bald ein Film in die Kinos, der die Lebensgeschichte des Mannes auf die Leinwand bannt, der zu Zeiten des Kalten Krieges den internationalen Terrorismus erfand. Édgar Ramírez (kleines Bild) spielt die schillernde Figur des Illich Ramírez Sánchez, dessen berühmteste Terroraktion wohl der Anschlag auf das OPEC-Hautquartier 1975 in Wien war. Doch der Film, der unter der Regiedes französischen Star-Regisseurs Olivier Assayas (links im Bild) unter anderem in der Messe Halle gedreht wird, verspricht weniger die politischen Motivationen des Schakals, seiner auch deutschen Mitkämpfer und die internationalen Konflikte der damaligen Zeit in den Fokus zu rücken. Vielmehr scheint sich in der französisch-deutsch-spanischen Produktion alles um die Figur Carlos zu drehen, die auf einem egomanischen Trip eines ideologischen Gewalttäters Geheimdienste in Ost und West für sich benutzt und dabei sein angehäuftes Vermögen in Luxushotels und Bordellen verprasst.

„Das Carlos-Set in der Halle Messe ist über 2000 Quadratmeter groß“, so Produzent Jens Meurer von Egoli Tossell Film. „So ein Set kann sonst nur in einigen wenigen Studios untergebracht werden“, nennt er einen der Beweggründe, in Halle zu drehen. Mit Konferenzräumen, Büros, Foyer und Fahrstuhlschächten werden Teile des einstigen OPEC-Hauptquartiers von Wien nachgebaut. Vor dem Hintergrund der ersten Ölkrise hatten sich damals dort Minister der OPEC-Länder versammelt. Auf dieses internationale Treffen verübte Carlos 1975 einen Anschlag. „Dieser Anschlag wird Gegenstand der Dreharbeiten in der Halle Messe sein“, verrät Meurer.

Vom 16.-22. April drehte das Filmteam der deutsch, spanisch, französischen Koproduktion Szenen des actiongeladenen Streifens, der 2010 in die Kinos kommt. Dazu wurden in der Messehalle 4 seit dem 24. März 2009 Teile des OPEC Hauptquartiers von Wien nachgebaut. 

(Nico Elste, Kulturfalter)




Das Gesicht des Terrors

Bereits im Maiheft 2009 berichtete Kulturfalter von „Carlos – der Schakal“, damals fand nämlich gerade ein wichtiger Teil der Dreharbeiten in der Halle Messe statt. Jetzt kommt der Film als groß angelegte Biographie des berühmt-berüchtigten Terroristen Carlos ins Kino und ist überraschend fesselnd, trotz einer Länge von mehr als drei Stunden.

Ilich Ramirez Sanchez, am 12. Oktober 1949 in Caracas geboren, wird in den frühen Siebzigern des letzten Jahrhunderts zum Sinnbild des internationalen Terrorismus. Mit spektakulären Aktionen verschafft er der Volksfront zur Befreiung Palästinas Gehör, um dann, nach der Gründung einer eigenen Truppe, zum Söldner zu werden, geschützt durch etliche Ostblockstaaten. Doch nach dem Ende des Kalten Krieges wird er von sämtlichen Geheimdiensten der Welt gejagt und 1994 im Sudan verhaftet. Der französische Regisseur Olivier Assayas folgt der Blutspur des Mannes, der in den Medien als Phantom einen zweifelhaften Ruhm genießt, arbeitet aber nicht nur einfach die Fakten ab, sondern erzählt Carlos Geschichte wie die Karriere eines Rockstars, der an der eigenen Selbstüberschätzung scheitert.

Hauptdarsteller Edgar Ramirez, der in mindestens fünf Sprachen spielt, verschmilzt förmlich mit seiner Carlos-Rolle, aber auch die restliche internationale Besetzung kann sich sehen lassen. Zum deutsches Ensemble gehören Nora von Waldstätten als Carlos’ Ehefrau Magdalena Kopp, Alexander Scheer als sein Weggefährte Johannes Weinrich, sowie Christoph Bach, Udo Samel und Jule Böwe. Für seinen Film hat Olivier Assayas jahrelang Recherchen betrieben, das daraus entstandene Drehbuch, verfasst von Assayas und  seinem Koautor Dan Franck, basiert ausschließlich auf Zeugenaussagen, Gerichtsprotokollen und Polizei-Akten. Die französisch-deutsche Koproduktion entstand in Zusammenarbeit mit der hallischen Egoli Tossell Film-Production. In Halle wurde die Messe zur Kulisse des OPEC-Hauptquartiers in Wien, auf das Carlos 1975 einen spektakulären Anschlag verübte. Auf einem Areal von 2000 Quadratmetern entstanden Konferenzräume, Büros, Foyers und Fahrstühle, um den historischen Anschlag nachzugestalten – eine Sequenz, die gleichzeitig den Mittel- und Höhepunkt der Saga bildet.