Kein Ei gleicht dem anderen
Die Impronale, vom 28. November bis 1. Dezember in Halle, ist mehr als nur ein Festival – sie ist eine lebendige Bühne für das Unerwartete, das Experimentelle und das Inspirierende. Seit über 20 Jahren zieht das Improvisationstheater-Festival Künstler/-innen und Publikum aus aller Welt nach Halle, um die Magie des spontanen Theaters hautnah zu erleben. Kein Jahr gleicht dem anderen, denn jede Aufführung entsteht im Moment. In diesem Jahr wird die Impronale bewusst als Begegnungsort für intensiven Austausch gestaltet. Was bedeutet das konkret? Welche Visionen verfolgen die Organisator:innen, und wie spiegelt sich der Zeitgeist der internationalen Improvisationsszene in Halle wider? Im Interview sprechen Oliver, Franka (Foto, 2.v.re.) und Katja (Foto, re.) die Köpfe hinter der Impronale, über prägende Momente, den besonderen Reiz der Improvisation und die spannenden Veränderungen, die das Festival in den kommenden Jahren prägen werden.
Kulturfalter: Die diesjährige Impronale wirkt bewusster reduziert – nach dem Motto „weniger ist mehr“. Welche Gedanken stecken dahinter?
Katja: Wir nehmen uns in diesem Jahr viel Zeit, hinter den Kulissen das Festival zu überdenken und neu aufzustellen. Die Impronale hat deshalb bewusst einen kompakteren Rahmen gewählt, um uns mehr Raum für Austausch und Reflexion einzuräumen.
Franka: Für unsere Gäste bleibt es trotzdem spannend. Auch wenn wir das Programm reduziert haben, bleibt die Impronale ein Raum für kreative Begegnungen. Durch weniger Programmpunkte haben wir die Gelegenheit, besondere Momente zu schaffen – mit Zeit für neue Formate und viel
Raum für künstlerischen Austausch.
Wie hat sich das Improvisationstheater in den letzten Jahren verändert, und wie reagiert ihr auf diese Entwicklungen?
Franka: Aus meiner Sicht hat sich das Improvisationstheater in den letzten 40 Jahren gut etabliert, es gibt unzählige Gruppen. Viele bleiben jedoch bei den gewohnten Improspielen und lustigen Formaten. Mich reizt das nicht mehr. Aus meiner Perspektive würde ich sagen, dass das Improtheater momentan stagniert. Deshalb war unser Ansatz in Halle, hier ein anderes Improtheater zu zeigen. In den letzten Jahren haben wir verstärkt Formate auf die Bühne gebracht, die sich radikal der Gegenwart und den Biografien der Künstler:innen widmen. Dabei haben wir klassische Erzählstrukturen oft durch collagenhafte Aufführungen ersetzt, die gesellschaftliche Realitäten abbilden. Diese Experimente haben oft polarisiert und hitzige Diskussionen ausgelöst.
Welche Trends im Improvisationstheater seht ihr für die Zukunft?
Oliver: Durch das neue Profil und die neue Ausrichtung unseres Festivals bin ich sehr gespannt, was da so kommen mag. Ich bin mir aber sicher, dass die Impronale in Zukunft eher inhaltliche und ästhetische Trends setzen wird.
Wie sieht diese neue Ausrichtung konkret aus?
Franka: Nach über 20 Jahren Impronale haben wir uns gefragt: Ist das Festivalkonstrukt der letzten Jahre noch zeitgemäß – oder braucht es in Zukunft flexiblere Strukturen und andere Formen der Zusammenarbeit? Einen Teil unserer Routinen empfanden wir als eingefahren. Die Impronale
als denkenden Ort, als offene Werkstatt und Sich-zu-Begegnen zu verstehen, hat das Festivalteam animiert, sich Fragen zu stellen: „Was wäre eigentlich, wenn die Künstler/-innen mehr Zeit und Raum hätten, um wirklich zu schauen, in was für einer Stadt sie sind und was so ein mehrtägiges
Festival mit Halle macht. Was ist Improvisation und die Stadt Halle? Und in welchen Bereichen wird eigentlich noch improvisiert?“ Daraus entstand die Idee, 2025 ein Festival der Improvisation zu konzipieren. Aus dem internationalen Improvisationstheaterfestival Impronale wird 2025: Das
Festival der Improvisation!
Bei der Impronale waren Künstler/-innen aus 27 Ländern zu Gast. Was war die ungewöhnlichste Zusammenarbeit, die ihr erlebt habt?
Oliver: Mir ist eine Eröffnungsshow in Erinnerung geblieben, bei der das Ensemble aus deutschen Spielenden sowie einem Franzosen, Franck Buzz aus Brest, bestand. Die Vorstellung wurde auf Deutsch gespielt, obwohl Franck weder Deutsch sprach noch verstand. Er hat einfach mitgespielt
und auf seine Art reagiert. Trotz der Sprachbarriere hat das wunderbar funktioniert und war ein großer Erfolg.
Im Improvisationstheater ist jede Aufführung einmalig, denn sie entsteht im Moment und kann nie wieder genau so wiederholt werden. Gab es dennoch eine Aufführung, die ihr so sehr geliebt habt, dass ihr sie noch mal genauso auf die Bühne bringen wolltet?
Franka: Nein, auch wenn es fantastische Aufführungen gab, möchte ich sie nicht genauso noch mal spielen. Die Inputs und der spezielle Moment machen sie besonders. Ich könnte mir vorstellen, eine bestimmte Form oder ein Format noch mal zu sehen, aber nicht mit denselben Vorgaben.
Oliver: Es gibt viele Shows, die mir besonders im Gedächtnis geblieben sind. Aber genau das Einmalige und Unwiederholbare macht den Reiz der Improvisation aus. Wenn man es exakt wiederholen würde, würde man diese Magie verlieren. Ein weiteres Element beim Imrotheater ist die Interaktion mit dem Publikum.
Wie fühlt es sich an, wenn das Publikum so aktiv in die Aufführung eingreift?
Franka: Für mich ist das ein Geschenk. Direkt im Kontakt mit dem Publikum zu stehen und auf seine Reaktionen und Einwürfe eingehen zu können, macht jede Aufführung zu einem besonderen Erlebnis.
Katja: Es ist spannend, auf welche verschiedene Arten das Publikum Einfluss nimmt. Manche schreiben etwas auf, rufen Ideen rein oder bringen uns Dinge mit. In den letzten 20 Jahren haben wir viele unterschiedliche Formen erlebt. Sie tragen so eine Mitverantwortung für das, was gespielt
wird, und das fühlt sich für mich als Spielerin in den meisten Fällen reizvoll, herausfordernd und richtig an.
Das Interview führte Tanita Steckel für den Kulturfalter.