Vom Weinberg zu Deutschlands einzigem Bergzoo
Am 23. Mai 2016, beging der Zoologische Garten Halle sein 115 jähriges Bestehen. Bevor sich die mit 130 Metern höchste zweithöchste Porphyreruption der Stadt Halle sich in zu einem der schönsten Zoos Deutschlands verwandelte, wurde der Berg auf dem Giebichenstein (heute Reilsberg), als Weinberg und Schafsweide genutzt. 1803 erhielt der angesehene Mediziner Johann Christian Reil (1759-1813) ihn als Geschenk. Hier baute Reil eine Villa (heute Reilsvilla) und ließ das Gelände nach dem Vorbild des Wörlitzer Parks in einen neoklassizistischen Landschaftsgarten umgestalten.
Ein sarkophagähnliches Sandsteindenkmal neben dem Aussichtsturm markiert seine Grabstätte und erinnert noch heute an ihn. Nach seinem Tod erbte seine Witwe den Reilsberg und 1815 Reils Schwiegersohn und ebenfalls berühmter Mediziner P. Krukenberg. In der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts kaufte die Familie Nagel ihn. Der Rittmeister Otto Nagel baute 1891 die Gaststätte Reilsburg in der Seebenerstraße, welche heute das Luchs-Kino beherbergt und viele Jahre davor die Zoogaststätte. Nach Nagels Tode 1897 bot seine Witwe dem Grundstückshändler Eduard Keerl den Reilsberg zum Verkauf an. Dieser schlug dem halleschen Zoologiedozenten Dr. G. Brandes daraufhin vor, auf dem Reilsberg einen Zoo zu errichten. Keerl kaufte dazu weitere umliegende Grundstücke an und am 23. Mai 1901 öffnete der Zoologische Garten Halle mit 196 Tieren in 94 Arten erstmals seine Tore.
Seine Topographie brachte ihn bald den Beinamen Bergzoo ein, welches ihn bis heute weit über die Grenzen der Stadt bekannt macht. Seine Einzigartigkeit beruht vor allem auf dem Fakt, dass andere ähnlich gelegene Zoos bestenfalls an eine Hanglage gebaut sind, während der Reilsberg komplett vom Zoo umschlossen und allseitig mit Tiergehegen bebaut wurde. Das dieser auch noch in einem sonst eher flachen Landstrich gelegen ist und das inmitten der Stadt, macht ihn durch die wunderschönen Ausblicke auf die Halle und sein Umland sowie die teils noch erhaltene historische Parkgestaltung besonders reizvoll. Im 115. Jahr seines Bestehens wird dem Zoologischen Garten Halle zudem vom Numismatischen Verein Halle e.V. mit der Herausgabe des 4. Halleschen Geschichtstalers eine besondere Ehre erwiesen. Die im Juni erscheinende Münze in verschiedenen Edelmetalllegierungen zeigt auf der Vorderseite einen Bergziegenbock vor dem Aussichtsturm sowie der angedeuteten Freiflugvoliere. Die Umschrift „Bergzoo Halle einzigartig“ verweist, neben den von einem Pumakopf (Berglöwe) umgebenen Jubiläumsdaten 1901-2016, auf die Besonderheit des halleschen Zoos.
Noch heute zeugen die einmaligen Bergtiergehege, das Antilopenhaus, das Rinderdreieck, das Großkatzenhaus (ehemals Raubtierhaus) sowie der Aussichtsturm auf der Spitze des Zooberges von den ersten Jahrzehnten seines Bestehens. 1913 wurde die als Betreiber fungierten Aktiengesellschaft aufgelöst und der Zoo ging in städtische Hand über. Es folgten Jahre des Aufschwungs und mit Kriegsbeginn auch des Verfalls, welcher mit seiner vorübergehenden Schließung 1944 seinen Höhepunkt fand. Spektakuläre Neubauten gab es erst wieder 1960, mit dem ersten neuen Zooeingang in der Reilstraße und 1963 mit der Eröffnung der Freiflugvoliere neben dem Aussichtsturm. Pünktlich zum 100jährigen Zoojubiläum 2001 wurden außerdem die neue Seebärenanlage, die Vikunjaanlage und das Kleintierhaus fertiggestellt. Die 24 Meter hohe und 700 Quadratmeter große Freiflugvoliere auf der Spitze des Reilsberges bildet heute zusammen mit dem Aussichtsturm auch das inoffizielle Wahrzeichen der Stadt, welches man bereits von weithin sieht. Die in mehreren Ebenen an den Berghängen gestalteten Tieranlagen und Erlebnisbereiche lassen die relativ kleine Fläche von 9 Hektar wesentlich größer erscheinen. Seit Ende der 80er Jahre wurde der Tierbestand reduziert und auf die weitere Haltung bestimmter Arten, wie z. B. Giraffen und Nashörner verzichtet. Das ermöglichte, auch auf einer relativ kleinen Zoofläche mit der modernen Zooentwicklung Schritt halten zu können. Das sanierte Raubtierhaus wurde im Sommer 2003 wiedereröffnet und im Herbst 2005 entstand mit dem neuen Krokodilhaus eine weitere Attraktion im Bergzoo. Seit Mitte 2006 gibt es im Zoo Halle auch wieder Elefanten, deren Haltung während des Neubaus der Elefantenanlage nach mehr als 100 Jahren für einige Zeit unterbrochen werden musste. Die heutige Elefantenanlage umfasst ein Haus mit über 600 qm Innenfläche und ein Außengehege mit insgesamt 3.000 qm.
Vor etwas über einem Jahr nahm mit Dennis Müller, Deutschlands jüngster Zoodirektor seinen Dienst auf. Der promovierte Veterinärmediziner entwickelte in kürzestes ein richtungsweisendes Zukunftskonzept für den Bergzoo, welches seine Attraktivität und Popularität auch noch auf viele weitere Jahrzehnte nicht nur sichern, sondern auch steigern soll. Im 115. Jahr seines Bestehens laufen nun die Planungen zur Umsetzung des neuen Konzepts auf Hochtouren und bereits zum 120. Zoojubiläum in 2021 sollen die ersten maßgebliche Neuerungen vollendet sein. Unter anderem sollen bis dahin, der bis dato etwas stiefmütterlich behandelte Hintereingang als neuer Saaleeingang, mit einem neuen Eingangsgebäude nebst Erlebnisfahrstuhl, einem Abenteuerspielplatz, sowie der dann um nahezu fünfzig Prozent erweiterten Elefantenanlage einschließlich darüber führenden Hochpfad, im neuen Glanz erstrahlen. Auch viele neue Tierarten, wie z. B. der rote Pandabär, Bergzebras und Berberaffen werden sich in den kommenden Jahren in neugebauten oder umgestalteten Tieranlagen den Besuchern präsentieren. Die Gastronomie auf den Bergterrassen sowie am Saaleingang soll ebenfalls im komplett neuen Outfit die Zoobesucher bewirten. Bis zum 130.Zoogeburtstag in 2031 sollen alle wesentlichen Teile des Konzepts umgesetzt sein und dem Namen „Bergzoo“, insbesondere mit einer gestalterischen und inhaltlichen Heraushebung der großen Gebirgsregionen der Welt, neues Gewicht verleihen. Auch wenn bis dahin sicherlich noch viel Wasser die sich zu seinen Füssen erstreckenden Saale hinunterfliest, so ist doch eins Gewiss, der Zoo ist und bleibt Halles größte und beliebteste Freizeiteinrichtung und wird auch in den kommenden Jahrzehnten seinen Besuchern aus Nah und Fern viel Freude bereiten.