Liebe Mauer - Regisseur Peter Timm im Interview
Anfang des Jahres 2009 war ganz Halle in großer Aufregung, denn in Halle wurde für den Filmdreh von "Liebe Mauer" die Berliner Mauer wieder aufgebaut. Der Film ist jetzt endlich im Kino und speziell für Hallenser ein großer Spaß. Zur Premiere des Filmes am 12. November 2009 sprach Kulturfalterredakteur Martin Große mit Regisseur Peter Timm über den Drehort Halle und speziell für Kulturfalter verriet Peter Timm einige Sachen, auf die Hallenser beim Schauen des Filmes achten sollten. Lesen Sie hier das komplette Interview mit Peter Timm.
Kulturfalter: Es ist nicht ihre erste deutsch/ deutsche Geschichte – Wie kamen sie auf die Idee den Film zu machen?
Peter Timm: Ich wohnte einmal in Westberlin in der Sebastianstraße direkt an der Mauer und man hatte von den Vorderhäusern einen wunderschönen Blick auf den Todesstreifen. Man schaute nach Osten, wo die Sonne aufgeht über der Mauer. Man konnte beobachten, dass einige Frauen versucht haben mit den Grenzern Kontakt aufzunehmen. Sie schäkerten herum, schauten mit Operngläsern herüber und wollten natürlich eine Reaktion von den Grenzern. Das ist dann auch einer Frau gelungen. Sie hat sich dann mit dem Grenzer getroffen und sie haben sich in einander verguckt. Diese Geschichte sollte dann auch von der Stasi überwacht werden. Und die Frau wurde vom Westberliner Staatsschutz gewarnt, ihr wurde geraten,, dass sie darüber berichten soll. So entstand die Idee daraus eine Geschichte zu machen. Später habe ich recherchiert und bin auf noch viele weitere Geschichten gestoßen, die aber sehr ähnlich waren. Es stellte sich dabei auch heraus, wie die Stasi versuchte ihre Grenzsoldaten zu erpressen und sie zwang, Liebe vorzuheucheln, um in die Westfamilien hineinzukommen. Eine Geschichte zu entwickeln,, die das zeigt, wie die Liebenden dem ganzen widerstehen und Zivilcourage zeigen, denn genau das ist es, das hat mich gereizt.
Wollten Sie diesen Menschen mit dem Film ein Denkmal setzen?
Ja, diesen Leuten schon und zwar aus dem Grund, weil sie diesem Druck widerstanden und das hat ja auch eine gewisse Komik, wenn die Liebenden die Stasi auflaufen lassen. Der im Film gezeigte Verwechslungstrick mit den Klamotten ist ja nur einer von vielen. Insofern hat die Liebe auch etwas subversives. Mein Ansinnen war es aber auch, den vielen Dramen, die es auch gab, nicht noch ein neues Drama hinzuzufügen. Es gibt schon viele, vor allem Fluchtgeschichten, mit Kindern, die danach ins Heim gesteckt wurden, aber so eine Geschichte wollte ich nicht erzählen. Ich will eine Geschichte im Kino erlebbar machen, die für die Heranwachsenden, die diese Zeit aus den Erzählungen der Eltern noch nicht richtig nachvollziehen können, nachfühlbar wird. Da ist die Besetzung mit Felicitas Woll ideal, denn sie kennt man als „Lolle“ aus „Berlin Berlin“. Und es ist eine Geschichte mit der man mitgehen möchte und sich fragt, wie weit würde ich gehen, wenn ich mich ausgerechnet in einen Grenzsoldaten verliebe...
Sie sind aus der DDR ausgewiesen wurden. Ist Humor ihre Art mit der Geschichte oder mit Dingen umzugehen?
Durchaus auch,denn, Humor ist sowieso immer ein aktueller Widerstand. Es gibt einige Gründe die ernsten und verbissenen Funktionäre dieses Staatsapparates der DDR zu verspotten.. Nicht das sie Clowns, Kasper oder Komiker gewesen wären, aber in ihrer ganzen Ernsthaftigkeit sind sie auch lächerliche Figuren. Je ernster sie sich genommen haben, vor allem ihre Privilegien, um gleicher zu sein als die gleichen, um so lächerlicher waren sie. Das war ein richtiges Problem der DDR-Gesellschaft, dass es viele gab, die privilegiert waren und das waren diejenigen, die dann Wasser gepredigt und Wein getrunken haben. Dieser Riss im Gleichheitswahn war für die meisten Menschen unerträglich und so ist diese soziale Revolution auch zu verstehen, mit all ihren unterschiedlichen Beweggründen. Der Blickwinkel von der Seite, die Bedenkenträger in ihrer Ernsthaftigkeit in einem Gang einer Handlung zu verspotten, dass ist schon ein wichtiger Ansatz. Wenn ich das nicht mehr kann, dann bin ich nur noch verbittert. Mein Humor war immer auch meine eigene Waffe um solche Dinge zu ertragen.
Ich habe selber habe auch in einer Vernehmung durch die Stasi herzlich gelacht. Das konnten die nicht verstehen. „Ihnen wird das Lachen schon noch vergehen“ und „Jetzt sagen sie mal, was hier so komisch ist.“ waren ihre Reaktionen. Ich sagte darauf: „Es ist eigentlich nicht komisch. Es ist eher tragisch. Ich kenne sie nur aus dem Fernsehen. Sie benehmen sich wie die Gestapo. Das was sie hier machen ist Gehirnwäsche. Sie verlangen, dass ich meine Freunde verrate, Ihnen sage, was die gesagt haben, sind sie wahnsinnig? Sie haben Heerscharen von Spitzeln, die auch dabei waren, wenn die nicht wissen, was meine Freunde gesagt haben, dann fühle ich mich in diesem Staat nicht mehr sicher.“
Ein Satz der auch so im Film vorkommt.
Ja das war Teil meiner Realität und die ist an dieser Stelle mit eingeflossen.
Gerade bei diesen ganzen Geheimdienstverwicklungen, nimmt der Film Fahrt auf und erinnert ein bisschen an Billy Wilders „Eins zwei drei“ – ein Film der den Mauerbau zum Thema hat. Ist das beabsichtigt oder meine Einbildung?
Ist das beabsichtigt oder meine Einbildung?Das erzählerische Netz was ausgelegt ist, knotet sich ab dieser Stelle zusammen. Der westliche Geheimdienst wird aktiv und die anderen auch. Aber „Eins zwei drei“ war nicht das Vorbild. Man nimmt nicht das Erzählmuster von anderen Filmen und meint man presst die eigene Geschichte da hinein, das funktioniert nicht. Das Netz muss man selber knoten. Aber es muss genügend plausible Dinge haben, die sich in ihrer Sogwirkung unterstützen und dann lässt man die Dinge enger und schneller werden. Manchmal ergibt sich das auch am Schneidetisch. Man merkt plötzlich, da ist dieser Satz und der ergänzt perfekt den anderen Satz und dann ergibt es eine sich zusammenfügende, verdichtende Geschichte, die ihr dramatisches und komisches Ende hat. Aber dieses Netz muss man immer neu erfinden. Es gibt Muster, das stimmt, aber genauso könnte ich auch sagen, dass Ernst Lubitsch „Sein oder Nichtsein“ ein vergleichbares Muster hat. Aber wie gesagt, das Netz muss man selber spinnen.
Der Film endet schließlich mit dem Mauerfall. Wie haben Sie selbigen erlebt?
Ich saß vor dem Fernseher und habe Tagesthemen geschaut. Da konnte man die Menschenansammlung an der Mauer sehen, aber es kam zu dem Zeitpunkt noch keiner herüber. Doch dann gingen die Grenzen auf und da wusste ich: Jetzt fällt dort alles zusammen“. Die Mauer war ja vor allen Dingen eine Machtfrage. Sie versinnbildlichte die Macht über das Volk und löste sich in dem Moment auf. Am nächsten Tag habe ich mir dann einen Mietwagen genommen, denn von Hamburg aus gab es keinen Flug mehr. Ich wollte fliegen, da ich als Ausgewiesener nicht so einfach die Transitstrecken nehmen konnte. Ich hatte Angst, dass sie mich einsperren. Aber es hat keinen mehr interessiert. Am 10 November gab es diesen Tanz auf der Mauer, von dem auch die vielen Bilder stammen und den habe ich miterlebt.
Von Berlin wieder nach Halle. Wie sind sie auf Halle als Drehort gekommen?
Halle hat traurigerweise, und für uns Gott sei dank, so viele Straßenzüge in einem Zustand, wie er damals im Prenzlauer Berg und Friedrichshain zu finden gewesen war. Auch die Plattenbauten neben dem Maritimhotel sind alle noch in dem Zustand. Nur drei Wohnungen hatten zum Beispiel Satellitenantennen. Die durften wir aber abnehmen oder etwas davor stellen. Wir brauchten genau so etwas als Realhintergrund und wir durften hier bauen. Wir haben eine Förderung von der Mitteldeutschen Medienförderung bekommen, auch mit der Maßgabe das Geld hier auszugeben. Das haben wir gemacht und sogar noch mehr Geld mitgebracht und ausgegeben. Außer die Szenen in Berlin am Fernsehturm und einige Sachen in Erfurt haben wir den größten Teil des Filmes hier gedreht.
Was dachten Sie bei der ersten Vorortbegehung?
Als ich das Gelände sah, sah ich sofort unseren Grenzübergang. Ich hatte sofort die Perspektiven im Kopf und habe mir vorgestellt, das hier die Mauer steht, dort die Grenztürme und an der Ecke musste das Zimmer von Franzi sein. Dort ist eigentlich ein Büro drin, was aber kein Problem war. Und das Maritim konnten wir mit dem großen DDR-Plakat verdecken - es war ideal.
Wo befand sich denn die Wohnung von Franzi?
Die Wohnung haben wir im Studio nachgebaut und dort alles gedreht. Man erkennt das an dem Vorhang aus Perlenschnüren, welche die Sicht auf das Fenster verdeckt. Immer wenn Franzi zum Fenster geht, war das unsere Schnittstelle. Und die Hintergründe aus den anderen Fenstern bestanden aus Fototapete.
Wo war der Eingang der Hausnummer 189, wo die Oma wohnte?
Das war mit der Straßenbahn einige Stationen weiter. Ich glaube es war in der Südstadt. Dass muss ein bisschen außerhalb vom Zentrum gewesen sein. Diese Plattenbauten gab es ja überall, auch in Berlin und in Halle immer noch.
Die Kneipe in der Charlie arbeitet. Ist das Brohmers Eisdiele?
Ja, das war Brohmers Eisdiele.
Was bleibt ihnen von Halle in Erinnerung?
Es war eine sehr schöne Zeit und ein toller Dreh. Wir sind überall mit offenen Armen empfangen wurden. Egal ob von den Behörden oder den Hallensern. Uns ist sehr viel ermöglicht wurden. Deswegen war es uns auch wichtig den Standort zu stärken und möglichst viele von hier zu engagieren. Gerade auch die Komparsen waren super. Sie hatten wirklich Spaß den Mauerfall noch einmal zu erleben. Und ich denke viele haben ihn auch wirklich einfach noch mal erlebt.
Herr Timm, vielen Dank für das Gespräch. (Das Interview führte Martin Große)