Die Manganiyars - ein kleines Porträt
Die Manganiyars sind eine Kaste muslimischer Musiker, die in den Wüsten von Rajasthan lebt. Ihre Mitglieder gehören sowohl hinduistischen als auch islamischen Glaubensgemeinschaften an. Sie singen Lieder über hinduistische und muslimische Götter und wenden sich zugleich auch an den christlichen Gott.
Diese Tradition beruht darauf, dass die Manganiyars ihre Kunst wechselnden Schutzpatronen widmeten: von den Königen bis hin zu einfachen Bauern, je nachdem, wer ihnen eine Mahlzeit vergönnte. Sie singen neben Balladen über ihre Könige auch Lieder zu unterschiedlichen Anlässen wie Geburt, Taufe Hochzeit bis hin zur Ernte oder wenden sich der mystischen Sufi-Poesie zu. Es ist anzunehmen, dass die Wurzeln der klassischen indischen Musik in der reichhaltigen, komplexen und traditionellen Balladenmusik der Manganiyars zu finden sind. Die Gesänge ähneln in ihrer Art denen spanischer Flamenco-Sänger.
Das Konzert in Halle
Normalerweise treten die Manganiyars in einer kleinen Gruppe bestehend aus fünf oder sechs Musikern auf. In der "Manganiyar-Verführung" jedoch wirken 42 Musiker als ein Orchester zusammen und kreieren eine zeitgenössische Musikstruktur, die auf ihren ursprünglichen Liedern basiert.
In einem zweimonatigen Workshop von Roysten Abel wurde mit dieser neuen Spielform experimentiert. Eine grundlegende Komposition sowie vier weitere komplexe Kompositionen wurden ausgewählt und daraus ein neues, einstündiges Konzert zusammenzufügen. Die Musik der Manganiyars vereinigt sich mit den visuellen Verführungen des Amsterdamer Rotlichtviertels zu einer schillernden Szenerie. Auf verschiedenen Ebenen werden Miniaturen der indischen Mogule und die königliche Architektur Rajasthans in das Spiel einbezogen. 60 Musiker sitzen in vierzig Kabinen mit roten Vorhängen, die in vier horizontalen Reihen übereinander aufgetürmt sind.
Zu Beginn des Konzert ist nur eine einzige Kabine beleuchtet, aus der der erste Sänger sein Lied anstimmt. Nach und nach leuchten immer mehr Kabinen aus der Dunkelheit auf, ein dramatisch-erstaunlicher Aufbau eines Gesamtgefüges aus Musikinstrumenten und Stimmen von jungen Männern, Frauen, Kindern und den Ältesten der Gemeinde der Manganiyars beginnt. Die Manganiyars verführen in eine Welt, die weitab der unseren, aber auch ihrer eigenen liegt. Das Theater wird zu Musik, die uns die Manganiyars auf eine völlig neue Weise erleben lassen. Es ist keine Musik mehr, die normalerweise im Theater zu sehen ist.
Der Macher der Truppe - Roysten Abel
Roysten Abel stammt aus einer wohlhabenden christlichen Familie aus Kerala in Südindien. Während der Schulzeit an der Good Shepherd International School in Ooty schrieb er Theaterstücke und führte Regie. Er studierte zunächst Wirtschaft und wechselte dann zur National School of Drama in Delhi, absolvierte nach dem Examen 1994 bei der Royal Shakespeare Company seine Lehrzeit und gründete 1995 seine "Indian Shakespeare Company".
Seine frühen Arbeiten (Der Kaufmann von Venedig, Maß für Maß, Macbeth) setzen den Text unmittelbar um und arbeiten gesellschaftspolitische Konflikte heraus. Die Schauspieler ergründen die großen Emotionen und die Sprachvielfalt im Originaltext.
In Abels späteren Werken (Othello – a Play in Black and White, Romeo and Juliet in Technicolor, Goodbye Desdemona) bringen die Schauspieler sich selbst und ihre eigene Gefühlswelt in die Spielvorlagen ein. Dabei nutzen sie eine Bandbreite von Techniken, angefangen beim traditionellen Kathakali Theater bis hin zum populären "Bombay-Stil" der Filmschauspieler. Abels experimentelles Theater setzt die Wahrhaftigkeit des Schauspielers in Bezug zur ihn umgebenden Wirklichkeit, ohne den größeren Zusammenhang der Shakespeare-Welt zu vernachlässigen. In Abels jüngsten Arbeiten verschiebt sich während der Aufführung der Fokus vom Schauspieler auf den Nicht- Schauspieler; aus dem Vorspielen wird ein situationsgebundenes Nicht-Spielen. Dabei arbeitet er mit Schlangenbeschwörern, Zauberern, Gauklern, Akrobaten, Musikern und Puppenspielern.