Casinos: Kulturgut oder Kommerz?
Glücksspiel ist ein knallhartes Geschäft. Für die Spieler zählt nur der Adrenalinrausch, dem Casino geht es nur darum, so viel Geld wie möglich zu machen. Das ist zumindest die Vorstellung, die sich in unserer Gesellschaft hartnäckig hält. Kaum jemand kommt auf die Idee, das Casino und seine Spiele als wertvollen Bestandteil unserer Kultur zu betrachten – ebenso wie Sport, Musik oder Literatur. Aber ist das nicht zu kurz gegriffen? Sind Casinos wirklich nicht mehr als Tempel der Unvernunft und des blanken Kapitalismus? Oder sind sie vielleicht doch ein Spiegel unserer Gesellschaft, ein Ausdruck menschlicher Sehnsüchte? Vieles spricht dafür.
Das Glücksspiel in Literatur und Film
Einen ersten Hinweis liefert uns ein Blick in die Literaturgeschichte. Dostojewskis Novelle „Der Spieler“ ist eines der bekanntesten Bücher des 19. Jahrhunderts. Die Geschichte des jungen Lehrers Alexej Iwanowitsch, der dem Roulettespiel verfällt, fasziniert bis heute. Sie beruht auch auf den Lebenserfahrungen des Autors selbst. Dostojewski ist bei weitem nicht der einzige große Schriftsteller, der ein Faible für das Glücksspiel hatte. So ist überliefert, dass Ernest Hemingway als junger Erwachsener einen ganzen Sommer lang seinen Lebensunterhalt mit einem Roulettegewinn bestritt. Und das Motto von Charles Bukowski lautete bekanntlich „Wer nicht spielt, gewinnt nie.“
Das Casino hat auch einige großartige Filme inspiriert. Paul Newman und Robert Redford spielten sich als charmante 1973 als charmante Poker-Betrüger in „The Sting“ in die Herzen des Publikums. Martin Scorsese erkundete 1995 in seinem Meisterwerk „Casino“ die dunkle Seite von Las Vegas. Und zuletzt kam 2021 in Paul Schraders „The Card Counter“ die Rastlosigkeit des Protagonisten in einem Leben als heimatloser Kartenspieler zum Ausdruck. Casinos sind also zumindest in zweierlei Hinsicht Bestandteil unserer Kultur. Zum einen haben viele große Künstler in ihrem Leben Glücksspielerfahrungen gemacht. Zum anderen wird das Casino in Film und Literatur rezipiert – in der Vergangenheit wie in der Gegenwart. Das Casino als Institution hat unsere Kultur zweifellos beeinflusst. Aber haben die Spiele auch unabhängig davon einen eigenen kulturellen Wert?
Kultureller Wert von Casinospielen
Für diese Sichtweise spricht schon die Geschichte der Spiele, die teilweise bis ins 16. Jahrhundert zurückreicht. Schon Miguel de Cervantes erwähnte 1602 einen Vorläufer des Kartenspiels Blackjack in einer Erzählung. In Frankreich und Großbritannien fand das Spiel im 18. Jahrhundert unter dem Namen „Vingt-Un“ Verbreitung. Seinen heutigen Namen erhielt es in den 1890er Jahren in Alaska. Die Minenarbeiter, die im großen Goldrausch dorthin gezogen waren, verbrachten ihre Freizeit gerne mit dem Spiel. Roulette war hingegen lange Zeit ein Spiel des Adels. Es hat seine Ursprünge im frühen 18. Jahrhundert in Frankreich. Von dort aus eroberte es wie ein Lauffeuer die europäischen Kurorte, wo die damalige High Society ihre Sommer verbrachte. Mitte des 20. Jahrhunderts führte der Aufstieg der Unterhaltungsmetropole Las Vegas zu einer Renaissance des Spiels. Die Geschichte des Roulette ist damit auch mit der Geschichte des amerikanischen Showbiz eng verbunden.
Casinospiele haben aber nicht nur eine historische Bedeutung. Sie haben auch in der Sprache ihre Spuren hinterlassen. So wird ein nichtssagender Gesichtsausdruck als „Pokerface“ bezeichnet. Und wir „bluffen“ nicht nur beim Kartenspielen, sondern auch im echten Leben, obwohl der Begriff ursprünglich dem Poker entstammt. Und wenn etwas besonders riskant ist, sprechen wir von einem „gefährlichen Roulettespiel“. Schließlich sind Casinospiele auch ein Ausdruck der menschlichen Kreativität. Und das nicht nur, weil Rouletteräder oder Spielkarten oft kunstvoll verziert sind. Die Spielregeln selbst stellen einen kunstvollen Drahtseilakt dar. Sie stellen die Balance zwischen den mathematischen Wahrscheinlichkeiten, die für das Glücksspiel nötig sind, und dem Spaß am Spiel dar. Zusammengenommen sprechen diese Argumente dafür, Casinospiele als Kulturgut zu sehen.
Online-Casinos: Glücksspiel als Massenprodukt
Allerdings stellt sich die Frage, ob das auch im Onlinezeitalter noch gilt. Denn mit der Digitalisierung des Glücksspiels ist eine beispiellose Vermassung einhergegangen. Die Spiele in Online-Casinos folgen oft einem starren Schema. Und die virtuellen Spielautomaten, die den Markt beherrschen, lassen der Kreativität des Nutzers nur wenig Freiraum. Er betätigt nur noch einen Button, kann das Spielgeschehen kaum mehr beeinflussen. Und so ist es kein Wunder, dass die Nutzer von Online-Casinos nicht nach einer besonderen Atmosphäre oder nach Geselligkeit suchen. Sie interessieren sich vor allem für technische Details, für den Komfort der digitalen Dienstleistung an den sie sich im Web gewohnt haben. Die Entscheidung, wo sie spielen, treffen sie eher nach einer Liste der Online-Casinos, die noch Paypal akzeptieren, als nach dem Gefühl. Wo persönliche Vorlieben harten Kriterien wie Zahlungsmethoden, SSL-Verschlüsselung und 1-Klick-Bezahlung weichen, da ist es verlockend, von purem Kommerz zu sprechen.
Aber auch im Internet offenbart der zweite Blick eine andere Seite. Portale wie Wildz oder JackpotPiraten mögen mit den Spielsalons von Monte Carlo oder den Unterhaltungskomplexen von Las Vegas nicht mehr viel gemeinsam haben. Aber die Spiele dort können selbst als kleine Kunstwerke durchgehen. Sie nehmen sich der großen und kleinen Themen an, welche die Menschheit schon immer beschäftigen, interpretieren sie neu und verdichten sie zu einem stimmigen Erlebnis: Mythen zählen ebenso dazu wie Heldentum, Abenteuer, die Erhabenheit der Natur oder die Liebe. Selbst im unpersönlichsten Internet-Angebot kommen die kreativen Facetten des Casinospiels zur Geltung.
Kultur und Kommerz müssen kein Widerspruch sein
Natürlich sind Casinospiele auch untrennbar mit den kommerziellen Motiven ihrer Anbieter verbunden. Das war vor 200 Jahren im Kurortcasino ebenso der Fall wie heute im Online-Casino. Wer genauer hinsieht, erkennt aber unbestreitbar, dass Casinospiele auch Kulturgüter sind. In diesem Sinne zum Abschluss ein Zitat der englischen Schriftstellerin Jeanette Winterson: „Glücksspiel ist kein Laster; es ist ein Ausdruck unserer Menschlichkeit. Wir gehen Wagnisse ein. Manche tun es am Spieltisch; andere nicht. Wir spielen und gewinnen, wir spielen und verlieren. Wir spielen.“