Das Werkleitz Festival in Halle

Ein paar engagierte Studenten, ein altes Gehöft und ein paar gute Ideen – mehr braucht es manchmal nicht um einen Kosmos für Filmschaffende und eine Plattform für ihre Werke zum Leben zu erwecken. Was den Werkleitz-Kosmos alles umfasst, erzählt Mitbegründer Peter Zorn in einem Gastbeitrag für Kulturfalter. Das Werkleitz-Festival findet jährlich statt. Im Jahr 2019 vom 25. Mai bis 9. juni und das ausnahmsweise in Dessau.

Der Werkleitz Kosmos – war gar nicht so geplant

Zum einen ist es wichtig zu wissen, dass wir ursprünglich gar nicht vorhatten, eine Biennale oder ein Festival zu gründen. Der Ursprung der Werkleitz Gesellschaft liegt begründet in einer kleinen Landkommune in einem alten Gehöft bzw. ehemaligen Ziegelei außerhalb des 300 Seelen Saaledorfes Werkleitz. Während unseres Studiums in der Filmklasse der Kunsthochschule Braunschweig renovierten wir zwei Jahre lang das idyllische Anwesen und machten es wieder bewohnbar. Die ursprüngliche Intention war, das vermutlich weltweit erste dezentral gelegene Medienzentrum der Welt zu gründen. Zumindest schafften wir es, uns 1994 mit einer Internet Standleitung an die Otto-von-Guericke Universität in Magdeburg anzuschließen und waren damit vermutlich tatsächlich das weltweit erste „globale Dorf“.

Daneben konnten wir 1994 mit Hilfe des Bundesinfrastrukturprogrammes und Eigenmitteln eine Medienwerkstatt einrichten, die mit einem der ersten nonlinearen digitalen Schnittsysteme ausgestattet war, was damals äußerst attraktiv für Filmemacher und Künstler aus aller Welt war. Ebenso starteten wir 1994 mit den ersten kleineren Workshops und konnten zusammen mit den Kulturinstitutionen Hull Time Based Arts in England und dem Intermedia Department der Kunstakademie Budapest in Ungarn den European Media Artist in Residence Exchange, kurz das EMARE Stipendienprogramm initiieren, aus dem sich mittlerweile dank des Kulturprogrammes der Europäischen Union – Creative Europe das größte internationale Netzwerk für Medienkunststipendien entwickelt hat, das wir von Halle aus managen. Diese Zeilen schreibend sitze ich gerade im Zug von Linz nach Werkleitz. Wir hatten in Linz bei der Ars Electronica die erste Gruppenausstellung unserer diesjährigen Stipendiaten unserer neuen European Media Art Platform (EMAP), die sich mit 11 der wichtigsten Organisationen für digitale Kultur von Süd (Spanien, Griechenland) bis Nord (Finnland, Letland), Ost (Polen, Kroatien) nach West (Österreich, Deutschland, Niederlande, Frankreich, Großbritannien) erstreckt. Infos darüber und wie man sich bewerben kann findet man auf unserer Website werkleitz.de oder der gemeinsamen digitalen Platform emare.eu.

Das Festival ist also nur eines von momentan drei Hauptbereichen, die Werkleitz beschäftigen aber zugegeben war lange Zeit die Biennale die Aktivität, die international am Meisten wahrgenommen wurde, vor allem als wir 2002 die Auszeichnung des Internationalen Kritikerverbandes als „die besondere Ausstellung des Jahres“ gleich nach der Documenta bekamen und Ulrich Wickert die Werkleitz Biennale in den Tagesthemen als die „documenta des Ostens“ ankündigte.

Aber schon Jahre zuvor lud uns Rene Block als quasi „kleinste Biennale der Welt“ auf die erste Biennalenkonferenz nach Kassel ein. Es ist schon etwas bizarr wenn man sich dann zwischen der Sao Paolo und der Venedig Biennale präsentiert, aber man gewöhnt sich mit der Zeit an den Zirkus.


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Die erste Biennale in Deutschland

Nach unserem ersten Event 1993 realisierten wir (wir bedeutet 1993, der 2006 leider verstorbene erste Werkleitz Direktor Uwe Büchler, meine damaligen Kommilitonen Alexander Decker, Thomas Munz und die uns von außen unterstützenden Künstler Marion Kreissler und Martin Conrath), dass uns die Organisation eines jährlichen Events zu wenig Zeit lässt, unsere eigenen Arbeiten zu realisieren, was ja auch ursprünglich mal der Plan war, zumal wir den Verein die ersten drei Jahre komplett ehrenamtlich aufbauten.

Daher stammte also ursprünglich die Idee, es zweijährig stattfinden zu lassen und damit Werkleitz Biennale zu betiteln. Wir realisierten erst später, dass wir damit die erste Biennale in Deutschland gründeten und uns im illustren Reigen der internationalen Kunstbiennalen bewegen sollten. Wegen unserer Beteiligung als Ko-veranstalter des ostranenie - Forum für elektronische Medien an der Stiftung Bauhaus Dessau 1995 und 1997 verschoben wir unser nächstes großes Event auf 1996 und betitelten es einfach als 2. Werkleitz Biennale: Cluster Images.

Damit waren die Themenbiennalen geboren, auch wenn dieses erste Thema von Martin Conrath konzipiert einen sehr kunstimmanenten Diskurs abbildete, bewegte es sich bereits zwischen theoretischem Expertenwissen und sinnlichen Kunstformen wie zum Beispiel die Wipfelperformance von Jochen Wüstenfeld und Thomas Werner.

Mit der 3. Werkleitz Biennale Sub Fiction begann sich die nationale Presse für uns zu interessieren, ausgelöst durch eine dpa Meldung über das tätowierte Schwein des belgischen Künstlers Wim Delvoye, das zum ersten Mal in Deutschland zu sehen war. Mit den Biennalen Realwork und Zugewinngemeinschaft beschäftigten wir uns dann verstärkt mit wichtigen gesellschaftlichen Themen wie den Wandel der Arbeit und der gesellschaftlichen Ausgrenzung. Beide Themen sind brennender denn je und Künstlerinnen und Künstler können sehr viel dazu beitragen.


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Von der Biennale zum Festival

Nach dem Einstand in Halle mit der 6. Werkleitz Biennale Common Property – Allgemeingut 2004 folgte mit Happy Believers 2006 die letzte Ausgabe der Biennale. Der Wandel zum Festival ab 2008 geschah vor allem aus der Notwendigkeit, sich flexibel auf die Förderbegebenheiten einzustellen. Einerseits hatten wir das große Glück, gleich mehrfach alternierend ab 2009 Förderungen der Europäischen Kommission und der Kulturstiftung des Bundes zu erhalten – wir akquirieren mittlerweile 70% unseres Budgets überregional – zum anderen kann es aber auch sein, dass es zwischendrin kleinere Ausgaben des Festivals geben muss, da beide Förderer nicht jedes Jahr fördern können und die Finanzierung eines großen Biennaleformats eine gewisse Kontinuität erfordert.

Es ist vor allem dem ehemaligen Filmreferenten Dr. Thomas Hertel, als auch Staatsminister Rainer Robra (damals noch nicht Kulturminister), sowie dem Medienbeauftragten der Staatkskanzlei Claus-Peter Bossmann und den zuständigen Referaten im Kulturministerium und dem Landesverwaltungsamt zu verdanken, dass sie uns ermunterten, nicht aufzugeben, sondern mit neuen flexiblen Formaten zu experimentieren.

So freuen wir uns ganz besonders, dass nach den kleineren Festival 2016 und 2017, nun 2018 und 2019 gleich zwei größere Festivals gesichert sind und arbeiten bereits daran 2021 das bisher größte Event in der Werkleitz Geschichte zu feiern: Die Abschlussausstellung der 44 Neuproduktionen unserer European Media Art Platform zusammen mit unseren internationalen Partnern und sicherlich wieder gekoppelt mit einer großen internationalen Konferenz und diversen Begleitprogrammen aus Live Acts, Performances, Konzerten und Filmprogrammen.

Mehr Infos zu den einzelnen Biennalen und Festivals finden Sie auf unserer Website: http://werkleitz.de/festivals