Sensation und Mementomori – Flugblattsammlung des Kunstmuseums Moritzburg in Halle online

Die Flugblätter waren die Vorläufer von heutigen Zeitungen und digitalen Nachrichtenmedien. Mit der Erkundung des Drucks mit beweglichen Lettern Mitte des 15. Jahrhunderts war das Flugblatt in der Frühen Neuzeit zum Massenmedium geworden, das sich meist mit einem Holzschnitt, Kupferstich oder einer Radierung sowie einem Text präsentierte. Verleger wie Jakob van der Heyden (1573−1636) konzipierten undradierten selbst oder gaben bei Kupferstechern und Autoren Bilder und Texte in Auftrag. Verkauft wurden die Blätter auf Messen, Märkten, vor Kirchen und in Wirtshäusern. In der Sammlung des Kunstmuseums Moritzburg in Halle befinden sich zahlreiche Blätter, die die politischen Auseinandersetzungender Jahrhunderte von 1560 bis 1700 spiegeln, ausgehend vom Streit zwischen den Katholiken und Protestanten um den „wahren“ Glauben. Dutzende Kriege, von denen der Dreißigjährige Krieg der bekannteste ist, resultierten im 16. und 17. Jahrhundert aus diesen Zwistigkeiten. Daneben bestimmten Themen zur Gestaltung des Alltags die Flugblätter: Welche Rollen sollten Männer und Frauen in Ehe und Öffentlichkeit einnehmen? Wie sollten sie sich kleiden, zueinander verhalten, wer gibt zu Hause den Ton an?



Andere Blätter dienten als Mahnung vor dem unausweichlichen Tod, erinnerten daran, ein rechtschaffenes Leben zu führen in Zeiten, in denen das Ende oft unvorhergesehen kam: Grund für den Aufruf „Mementomori“ („Bedenke heute, dass du sterben musst“). Missstände prangerten die Autoren und Zeichner der Flugblätter aber auch mit Spott und handfester Satire an: Modenarren werden vorgeführt, verblendete Liebhaber entlarvt, den Lasterhaften Strafe in Aussicht gestellt. Bemerkenswert sind die Blätter, die oft mit „moderner“ naturwissenschaftlicher Präzision unbekannte oder schwer erklärliche Phänomene wiedergeben, etwa Himmelserscheinungen, Missbildungen bei Menschen und Tieren oder aucMammutzähne, die für Zähne von Riesen gehalten wurden. Eine wichtige Rolle spielten neben zeitgeschichtlichen Großereignissen wie Kriegen und Schlachten auch Hochzeiten und Feste der herrschenden Persönlichkeiten, spektakuläre Hinrichtungen oder besondere Einzelereignisse.



 



Der Text unterhalb listet mit Angabe von Zeit und Ort die Aufwendung der Körperteile auf, die vom Täter an verschiedenen Orten vergraben wurden. Friedrich Kersten, ein vermögender hallescher Pfänner und Sohn eines fürstlichen Kammermeisters, hatte den Juwelier unter falschen Vorwänden in sein Haus gelockt und ihn dort mit einem Hammer erschlagen, um in den Besitz von Spohrs kostbaren Kleinodien zu kommen. Der Täter konnte jedoch seiner gerechten Strafe nicht entgehen und wurde am 2. August 1605 hingerichtet, worüber auch der hallische Chronist Olearius berichtet. Bartholomaeus Hörnig, der Drucker des Blattes, griff vermutlich als einer der ersten das Verbrechen auf und fertigte den Druck nur kurze Zeit nach der Tat in seiner Werkstatt in Eisleben an. Das Blatt erschien wohl noch, bevor der Mörder gefasst war, da im Text nur „böse Leut“ für die Tat verantwortlich gemacht werden. Der Druck bediente sicherlich die Sensationsgier seiner Rezipienten und sicherte seinem Herausgeber einen hohen Absatz. Zugleich könnte das Blatt jedoch auch als Steckbrief gedient haben. Das Flugblatt aus der Graffischen Sammlung des Kunstmuseums Moritzburg Halle (Saale) ist die einzig erhalten gebliebene Version dieses Blattes.