Reformationsjubiläen in Halle – Tradition seit 400 Jahren
Seit Jahren werden auch die Hallenserinnen und Hallenser auf das Jubiläum der Reformation Martin Luthers in diesem Jahr eingestimmt, die vor 500 Jahren mit dem Anschlag seiner 95 Thesen gegen den Ablasshandel der Kirche begonnen haben soll. Dieses Jubiläum steht in einer Traditionslinie, die vor 400 Jahren einsetzte, denn 1617 wurde erstmals in Halle der hundertjährigen Wiederkehr des Thesenanschlags und damit der Reformation gedacht. Allerdings wissen wir nicht, wie dies in der Stadt, die sich 1541 der Reformation angeschlossen hatte und deren sämtliche Einwohner damals der lutherischen Konfession angehörten, gefeiert wurde.
Erhalten blieb allein eine zu diesem Anlass entstandene Sammlung von Predigten, die in der Ulrichskirche gehalten wurden. In ihnen kam die Freude zum Ausdruck, durch Luther von „den papistischen Lumpen, Finsternuß und Betrug“ gerettet worden zu sein. Das nächste Reformationsjubiläum wurde 1717 in Halle feierlich begangen. Dabei war die Art der Feierlichkeiten durch einen Erlass des Preußischen Königs genau vorgeschrieben. Dieser verfügte für alle lutherischen Kirchen des Landes die Abhaltung eines Dankgottesdienstes am 31. Oktober, der ohnehin ein Sonntag war. Die Beschränkung der Feierlichkeiten auf die Kirchen Halles, während zum Beispiel in Leipzig ein Festumzug durch die Stadt abgehalten wurde, liegt anscheinend darin begründet, dass man Auseinandersetzungen zwischen Lutheranern und Reformierten/ Calvinisten befürchtete, die sich mittlerweile im Kurfürstentum Brandenburg und auch in Halle niedergelassen hatten.
Die Feiern des dreihundertsten Reformationsjubiläums 1817 blieben in der Stadt Halle wie hundert Jahre zuvor auf Festgottesdienste in den Stadtkirchen beschränkt. Aber die Universität, die wenige Monate vorher in Vereinigte Friedrichs-Universität Halle-Wittenberg umbenannt worden war und damit die Tradition der 1815 geschlossenen Wittenberger Universität weiterführte, richtete eigene Feierlichkeiten aus. Diese begannen mit einem Festzug der Universitätsangehörigen von der Ratswaage zur Marktkirche, wo ein Festgottesdienst mit Beteiligung der hallischen Singakademie gehalten wurde. Danach begab man sich im Festzug zur Ratswaage zurück, um einer lateinischen Festrede zu lauschen.
Neben die Erinnerung an die Reformation als welt- und für Protestanten heilsgeschichtliches Ereignis trat in Halle schon 1641 das Gedenken an die Einführung der Reformation vor Ort durch Justus Jonas hundert Jahre vorher – begangen wurde es mit Gottesdiensten in den Pfarrkirchen.
In denselben Bahnen verlief 1741 das zweihundertste Jubiläum der Einführung der Reformation in der Stadt. Grundsätzlich hiervon unterschied sich 1841 die Feier zum dreihundertsten Jubiläum durch die große Beteiligung des Stadtbürgertums. Schon zu Beginn des Jahres hatte sich ein städtisches Festkomitee unter Leitung des Unternehmers und städtischen Kämmerers Ludwig Wucherer gebildet, und viele Vereine waren in die Vorbereitungen eingebunden. Neu war neben den traditionellen Festgottesdiensten ein großer Umzug von mehr als tausend Bürgern, zu dem sich mehr als 12.000 Zuschauer versammelt haben sollen. Außerdem hielten sowohl die Stadt als auch einzelne Vereine Festbankette ab.
Legitimiert wurde dieses bürgerliche Engagement durch den Verweis auf die Ereignisse 1541, wonach es die Bürgergemeinde war, die die Reformation in Halle durchgesetzt hatte. Zudem tauchten neue Elemente der Erinnerung auf, so wurde in den Franckeschen Stiftungen eine Ausstellung mit Drucken der Reformationszeit präsentiert. Die Reformations- bzw. Lutherjubiläen des 20. Jahrhunderts waren in Halle stark geprägt durch das politisch-ideologische Umfeld auf staatlicher Ebene.
Das vierhundertste Jubiläum des Thesenanschlags wurde 1917 vom Ersten Weltkrieg überschattet, dementsprechend auch der Reformator zum „deutschen Luther“ stilisiert. Neben den Festveranstaltungen wurde eine Luther-Gedächtnisausstellung in der Moritzburg präsentiert; das Stadttheater feierte den Reformationstag mit der Premiere des Dramas „Luther auf der Wartburg“ aus der Feder des völkisch-nationalistischen Schriftstellers Friedrich Lienhard. 1933 wurde die Feier des 450. Geburtstags des Reformators stark durch den sich durchsetzenden Nationalsozialismus geprägt. So sprach der Superintendent und Pfarrer an St. Bartholomäus, Johannes Hellwig, in seiner Festpredigt über Luther als deutschen Propheten. Er sei „einer der gewaltigsten Führer, die dem deutschen Volke geschenkt wurden“, gewesen und zudem „Erwecker zu deutschem Volkstum, als welcher er neben dem jetzigen Führer unseres Volkes steht“.
Der 500. Geburtstag Martin Luthers 1983 war aufgrund der ideologischen Neubewertung des Reformators als „progressiver Akteur im Prozeß der frühbürgerlichen Revolution“ durch die Staats- und Parteiführung der SED zur staatlichen Angelegenheit geworden. In Halle wurde kirchlicherseits die Ausstellung „Martin Luther. Bibel-übersetzer – Theologe – Reformator“ in der eigens dafür renovierten Gertraudenkapelle präsentiert. Staatlicherseits gab es in Halle nur einen akademischen Festakt, der die wissenschaftliche Konferenz „Martin Luther – geschichtliche Stellung und historisches Erbe“ einleitete. Zudem zeigte die Universität im Hauptgebäude die Ausstellung „Martin Luther 1483–1546. Die Universität Wittenberg – Ausgangspunkt der frühbürgerlichen Revolution.“ Die bis zum 26. März in den Franckeschen Stiftungen gezeigte Ausstellung „Wissensspeicher der Reformation“ enthält auch einen Raum zu den Reformationsjubiläen in Halle.
(Autor/in: Claus Veltmann)