Modellstaat Westphalen – einheitliche Währung im territorialen Chaos
Zwischen 1807 und 1813 gehörte Halle zum Königreich Westphalen. Es entstand in Folge der napoleonischen Kriege und befand sich während seiner gesamten Existenz unter der Kontrolle Frankreichs. Ziel war die Schaffung eines Reform- und Modellstaates, der mit seiner modernen Staatsausrichtung und Verwaltung als Vasallenstaat Frankreichs Vorbildcharakter in Deutschland haben sollte. Kennzeichen der Modernität waren die Einführung einer Verfassung, Abschaffung von Adelsprivilegien, die Einführung der Gewerbefreiheit und der Gewaltenteilung. Zu den Modernisierungsmaßnahmen gehörte auch die Einführung des Dezimalsystems, womit ein einheitliches Maß-, Gewichts- und Münzsystem entstand. Am 6. Februar 1808 berichtete das Hallische patriotische Wochenblatt über die „neufränkischen Maaße, Münzen und Gewichte“.
Dies war auch deshalb notwendig, da sich das Königreich aus vielen verschiedenen Territorien (Fürstentümer, Herzogtümer, Grafschaften etc.) zusammensetzte, wodurch im Land 80 unterschiedliche Münzwährungen existierten. Die Einführung des Franken gestaltete sich zunächst schwierig. Per Dekret vom 11. Januar 1808 durften Rechnungen nur noch in Franken und Centimen erfolgen (Abb. 1). Die alten Münzen behielten ihre Umlaufgültigkeit. Die Umrechnung in die vereinheitlichte Währung wurde im Gesetz-Bulletin festgelegt und am 26. März 1808 im Hallischen patriotischen Wochenblatt bekanntgemacht. Umgerechnet wurde von preußischer Währung in Franken und Centimen. Ziel war die Abschaffung der Scheidemünzen in deutscher Währung bis zum 1. April 1812, weshalb Jérôme Bonaparte am 16. Oktober 1809 ein weiteres Dekret zur Prägung von Scheide- und Kupfermünzen im Wert von 1 Million Franken erließ. Die Reformen des Münzsystems wurden durch die Bürger nur begrenzt anerkannt, was zu einer komplizierten Währungssituation führte. Auch innerhalb der Departements kam es zu Differenzen, verursacht durch die Zusammenlegung von Verwaltungsgebieten mit unterschiedlicher Konfession und Traditionen. Die angespannte finanzielle Situation des Königreichs durch die an Frankreich zu zahlenden Kontributionen zur Finanzierung der napoleonischen Kriege stellte die größte Herausforderung dar. Schon 1808 lag die errechnete Generalschuld bei über 112 Millionen Franken. Finanzminister Bülow erstellte einen Plan zur Rückführung (Amortisation) der Schuld innerhalb der nächsten 20 Jahre. Zur Umsetzung des Plans wurden in Abständen von zwei Jahren (1808/1810/1812) Zwangsanleihen im Königreich erhoben. Die erste Anleihe über 20 Millionen Franken erließ der König per Dekret vom 19. Oktober 1808. Die Obligationen hatten einen Nennwert zu je 200 Franken. Ihre Höhe war abhängig von der Vermögenslage der Bürger, Gemeinden und kirchlichen Einrichtungen. Der Zinstermin war vierteljährlich, die Rückzahlung sollte jährlich per Losverfahren erfolgen. In Halle zeichnete z. B. der Kaufmann Siegmund Friedrich Sauer am 27. Dezember 1808 eine der Obligationen (Abb. 2). Aufgrund seines geschätzten Vermögens von 40.000 Franken erwarb er zwei Anleihen zu je 200 Franken mit einer 6 %-igen Verzinsung.
Doch wurden nur 10 Millionen der geplanten 20 Millionen Franken gezeichnet. In Halle besaßen von den 19.000 Einwohnern lediglich 285 (1,5%) ein Vermögen von mehr als 5.000 Franken, nur die Hälfte des erwarteten Volumens wurde gezeichnet. Dies stellte im Königreich Westphalen keinen Einzelfall dar.
Die mit Dekret vom 1. Dezember 1810 verordnete, zweite Zwangsanleihe beinhaltete ein Volumen von 10 Millionen Franken. Eine Neuerung waren feste Rückzahlungstermine. Dadurch, dass die Bevölkerung sie aufgrund ihrer finanziellen Situation nur in geringer Anzahl zeichnen konnte, war es dem Königreich kaum möglich, die Zinsforderung der ersten Anleihe zu begleichen. Darauf gab man die letzte Zwangsanleihe über 5 Millionen Franken per Dekret vom 12. Juni 1812 aus. Noch im selben Monat reduzierten sich alle ausgegebenen Anleihen auf ein Drittel des ursprünglichen Nominalwertes. Damit stand der Staatsbankrott Westphalens unmittelbar bevor. Alle staatlichen Kassen waren ab 1813 verpflichtet, die Zinscoupons als Zahlungsmittel anzunehmen. Auch dies verhalf dem Königreich nicht zum Wiederaufschwung und verschlechterte die finanzielle Situation.
Mit der verlorenen Völkerschlacht bei Leipzig vom 16. bis 19. Oktober 1813 und der damit verbundenen Niederlage Napoleons endete die Existenz des Königreich Westphalens. Spätere Regierungen weigerten sich, die Wertpapiere zurückzunehmen sodass diese Anleihe ihren Wert verlor und die Zinsansprüche verfielen. Lediglich Kurhessen hatte 1814 den Bürgern zugesagt, dass die Schuldverschreibungen teilweise zurückgenommen würden. Damit endet die Geschichte des westphälischen Frankens.
(Autor/in: Luca Hinnenkamp und Florian Fuhrmann)
Die Autoren sind Auszubildende zum Bankkaufmann an der Berufsbildenden Schule IV „Friedrich List“, Halle.