Die Meckelschen Sammlungen im Anatomischen Institut der Martin-Luther-Universität in Halle

Die Anatomischen Sammlungen in Halle gehen zurück auf eine Privatsammlung der Familie Meckel, die im ausgehenden 18. und ersten Drittel des 19. Jahrhunderts die Sammlungen anlegten und ständig erweiterten. Die Meckels sind eine typische Ärztefamilie, aus der in mehreren Generationen Professoren in der Medizin hervorgingen. Die Sammlung in Halle wurde von Johann Friedrich Meckel d.Ä. (1724–1774) in Berlin begründet. Sie wurde als Privatsammlung innerhalb der Familie vererbt. Der erste hallesche Meckel war ein Sohn Johann Friedrichs, Philipp Friedrich Theodor Meckel (1755–1803), der die Sammlungen mit seiner Berufung zum Professor für Medizin und Anatomie nach Halle brachte.

Er baute sie auf ungefähr 3.500 Präparate aus, die wiederum sein Sohn, Johann Friedrich Meckel d.J. (1781–1833), erbte. Er ist der berühmteste Vertreter der Meckel-Familie. Mehrere anatomische Strukturen tragen seinen Namen (z.B. Meckelsches Divertikel, Meckelscher Knorpel). Als er starb, umfassten die Sammlungen ca. 16.000 Präparate aus der Familiensammlung, zu der nach der Vereinigung der Universitäten Halle und Wittenberg ca. 1.000 Präparate aus Wittenberg hinzukamen. Johann Friedrich Meckel d.J. starb kinderlos. Seine Witwe verkaufte die Sammlungen 1836 an die hallesche Universität. Leider erfolgte anschließend ein beispielloser Niedergang dieser in der damaligen Zeit schon europaweit bekannten Sammlung, weil der Universität geeignete Räume zur Unterbringung der vielen Sammlungsstücke fehlten. Bis zu Meckels Tod war die Sammlung im Wohnhaus der Familie Meckel, dem sog. Riesenhaus am Großen Berlin (heute Große Brauhausstraße 16), untergebracht.



Die Sammlungen umfassen heute etwas mehr als 8.000 Exponate. Sie besteht aus zwei Teilen, dem medizinisch-anatomisch-pathologischen Teil und einem vergleichend-anatomisch-zoologischen Teil. Im zootomischen Sammlungsteil stammen noch ca. 2/3 aller Präparate von den Meckels. Zum Erhalt der verbliebenen Präparate hat der Umzug der Sammlungen von der provisorischen Unterbringung in der Residenz in das 1880 eröffnete neue Institutsgebäude der Anatomie in der Großen Steinstraße wesentlich beigetragen. Anfangs war die Hälfte dieses eindrucksvollen schlossartigen Gebäudes für die Sammlungen reserviert (rechter Gebäudeteil und rechter Seitenflügel). Heute sind die Sammlungen in je zwei Räumen für den medizinischen und zoologischen Teil im Dachgeschoss des Institutes untergebracht.

Während die Räume für den zootomischen Sammlungsteil 2009 komplett und denkmalgerecht saniert wurden, steht die finale Renovierung für den medizinischen Sammlungsteil noch aus, was aber das Gesamtbild nur geringfügig schmälert. Besondere Beachtung findet ein Barockschrank, in dem das Skelett von Philipp Meckel zu sehen ist, der zu Lebzeiten letztwillig bestimmt hatte, dass er nach dem Tod seziert und skelettiert und dass das Skelett in „seiner anatomischen Sammlung“ aufgestellt werden solle. Die anderen Leichenteile sind in der Gruft 76 auf dem Stadtgottesacker in Halle beigesetzt. Philipp Meckel war mit einer anderen berühmten halleschen Familie, den Wucherer, verwandt. Er war der Patenonkel von Ludwig Wucherer.



Die Meckelschen Sammlungen sind unter vielen Aspekten bemerkenswert. Sie umfassen Trocken- und Feuchtpräparate mit vielen medizinhistorisch wertvollen Präparaten aus der Meckelschen Privatsammlung und Folgezeit. Im humanen anatomisch-pathologischen Sammlungsbereich sind alle Organe und Organsysteme des menschlichen Körpers zu sehen, wie Herz und Kreislauf, Atmung, Verdauungs- und Geschlechtstrakt, harnbildende und harnableitende Organe sowie Präparate aus dem Nervensystem und von Sinnesorganen. Injektions- und Korrosionspräparate verschiedener Organe gehören zu den historisch wertvollsten Objekten. Ferner sind über 300 teratologische Präparate zu sehen, also Exponate mit Fehlbildungen und angeborenen Fehlbildungen, wie doppelköpfige Individuen, Sirenen, Zyklopen, mit Mehrfingrigkeit oder Kopflosigkeit. Der Sammlungsbestand in der vergleichenden Anatomie besteht aus Hunderten von Fisch-, Amphibien-, Reptilien-, Vogel- und Säugetierskeletten und tierischen Feuchtpräparaten, die zum größten Teil noch aus der Meckelschen Zeit stammen und das ursprüngliche sog. Zootomische Museum füllten.



Im Juni 2015 wurden die Sammlungen in das Verzeichnis der national wertvollen Kulturgüter Deutschlands aufgenommen. Dieses Gütesiegel umfasst u.a. den Schutz vor der Entnahme von Präparaten aus dem Sammlungsbestand. Diese Vorgabe wurde einmal durchbrochen, und zwar mit der Rückgabe von drei Skeletten und zwei Schädeln indigener Australier, der Aborigines, an die australische Regierung im April 2019. Die Rückführung (Repatriierung) von sog. Human Remains erfolgte in enger Abstimmung mit der Medizinischen Fakultät und der Universität Halle und nach umfangreichen Recherchen.



Diese Rückgabe und die rechtswidrige Überführung Hingerichteter aus dem Roten Ochsen in das Anatomische Institut in Halle in der Nazi-Zeit stehen exemplarisch für die ethische Problematik anatomischer Sammlungen und werden im Eingangsbereich thematisiert. Das Anatomische Institut hat sich diesem Teil seiner Geschichte während der Schreckensherrschaft der Nazis gestellt und sie zusammen mit der Gedenkstätte Roter Ochse aufgearbeitet. In der heutigen Sammlung sind keine Exponate zu sehen, die von aus politischen Gründen Hingerichteten stammen. Die Sammlungen sind der Öffentlichkeit durch Führungen zugänglich. Hier wird die Ethik anatomischer Sammlungen, die in der Fach- und Laienwelt bundesweit unter verschiedenen Aspekten immer wieder diskutiert wird, besonders angesprochen.

Führungen können über die Homepage des Instituts für Anatomie und Zellbiologie der Martin-Luther-Universität unter dem Stichwort „Meckelsche Sammlungen – Führungen“, Email an: meckelschesammlungen@medizin.uni-halle.de vereinbart werden.

(Autor/in: Bernd Fischer)