Johann August Eberhard (1739–1809) – ein in Vergessenheit geratener, streitbarer Philosoph

Johann August Eberhard war ein streitbarer Theologe und Philosophieprofessor des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Als Sohn Karl Christoph Eberhards, Kantor der Halberstädter Martinikirche sowie Lehrer an der dortigen Schule, wurde er am 31. August 1739 geboren. Eberhard durchlief einen klassischen theologischen Werdegang: Nach Ausbildung beim Vater und Schulbesuch in seiner Heimatstadt begann er 1756 sein Theologiestudium an der Friedrichs-Universität zu Halle. Darauf war er Prediger an der Halberstädter Hospitalkirche, Konrektor seiner Heimatschule sowie Hauslehrer der Kinder des Freiherren von der Horst, eines preußischen Beamten.

Von der Horst wurde 1763 vom König Friedrich II. nach Berlin berufen, um den Dienst eines Geheimen Etats- und Kriegsrats anzutreten. Eberhard legte seine Ämter nieder und folgte von der Horst nach Berlin. Hier veröffentlichte er 1772 eine sehr beliebte populärphilosophische Schrift: In seiner „Neuen Apologie des Sokrates“ verteidigte er den antiken, heidnischen Philosophen Sokrates. Der augustinischen Position zufolge waren Heiden nicht tugendhaft. Eberhard übte hieran heftige Kritik, was ihm den Spott einiger orthodoxer Theologen einbrachte. Die folgende theologische Kontroverse erschwerte ihm die erhoffte Aufnahme einer Predigerstelle. Der Befehl des Königs, Eberhard das Predigtamt in Charlottenburg bei Berlin zuzuteilen, ebnete ihm endlich den Weg, sodass er 1774 seine Anstellung antrat.



Seit Eberhard in Berlin angekommen war, knüpfte er Kontakte zu Berliner Aufklärern. Sein Verhältnis zu Philosophen wurde ihm bald vorgeworfen, indem Theologen ihn abschätzig einen „philosophe“ nannten. Der Verleger Friedrich Nicolai schrieb über seine Unterhaltungen mit dem jüdischen Aufklärer Moses Mendelssohn, dass der Halberstädter „gewöhnlich der dritte Mann bey unsern wöchentlichen Zusammenkünften, philosophischen Gedankenwechsel und geistiger Unterhaltung“ gewesen sei. Eberhard machte sich zumal als Philosoph einen Namen, als die Berliner Akademie der Wissenschaften seine Schrift „Denken und Empfinden“ 1776 zur Preisschrift kürte: Er schrieb, dass das Denken und das Empfinden Zustände der Seele seien, welche nicht voneinander zu trennen seien. Die Entfaltung beider Zustände durch Bildung und Erziehung führe zur höchsten Vollkommenheit des Menschen und zu wahrer Erkenntnis.

Als im Juni 1777 in Halle der Philosophieprofessor Georg Friedrich Meier verstarb, wurde seine Nachfolge in Berlin verhandelt. Für Preußen war der Lehrstuhl für Philosophie mit hohem Ansehen verbunden. Der preußische Minister Freiherr von Zedlitz wollte Halle zu einem Zentrum der kritischen Philosophie Immanuel Kants machen. Der Königsberger Philosoph jedoch lehnte seinen Ruf an die hallische Universität ab, ebenso wie vier weitere Kandidaten. Der Theologe Wilhelm Abraham Teller vermittelte schließlich den Ruf Eberhards am 13. Juni 1778. Ganz entgegen dem Interesse des Freiherrn von Zedlitz entwickelte sich Halle damit in den 80-er Jahren zu einem Zentrum der Kantkritik.



Johann August Eberhard gilt als der letzte Vertreter der Schulphilosophie Leibniz’ und Wolffs. Mit Kants Veröffentlichung der „Kritik der reinen Vernunft“ (1781) und ihrer Etablierung in akademischen Kreisen stand die neue kritische Philosophie der traditionellen Philosophie gegenüber. Eberhards Kritik an Kant publizierte er ab 1788 in seiner eigenen Zeitschrift, dem „Philosophischen Magazin“ (zwischen 1792 und 1795 „Philosophisches Archiv“). Darin behauptete er, dass Kants „Kritik der reinen Vernunft“ nichts anführe, was nicht schon Leibniz 100 Jahre zuvor geschrieben habe. Kant reagierte auf diesen Vorwurf und entschied die Diskussion sowohl zu seinen als auch zu Gunsten seiner Philosophie. Die Eberhard-Kant-Kontroverse stand stellvertretend für zwei miteinander konkurrierende philosophische Schulen.

1789 sorgte die Französische Revolution für politische Unruhen in Europa. Eberhard verwarf die Ideen und Prinzipien der Revolution. Für ihn kam einzig und allein die Monarchie als Staatsform in Frage. Deren Erhalt sei zu gewährleisten, Veränderung im Staat dürfe nur aus Reformen und Gehorsam gegenüber der Obrigkeit folgen. Der Staat spielte in Eberhards Aufklärungsverständnis eine große Rolle. Unnachgiebig forderte er einen „ruhigen“ Staatszustand, da sich nur in diesem richtig – also auf Wahrheit bedacht – denken lasse. Allerdings sah er nicht eigenständiges Denken vor, sondern die Erziehung und Bildung des Untertanen durch staatliche Institutionen.

Am 6. Januar 1809 verstarb Johann August Eberhard als Philosophieprofessor und dreimaliger Prorektor der Universität zu Halle. Friedrich Nicolai verfasste 1810 eine Gedächtnisschrift, die er an der Königlichen Akademie der Wissenschaften in Berlin vortrug. Er schrieb über seinen Freund, dieser habe zu den wenigen Gelehrten gehört, „deren Verdienste um Wahrheit und Aufklärung größer sind als ihr gelehrter Ruhm“. Zwar ist – wie sein Werk und Wirken – auch Eberhards letzte Ruhestätte in Vergessenheit geraten, es lässt sich aber vermuten, dass es sich um den Stattgottesacker handelt.

(Autor/in: Jan-Luca Albrecht)