In Form. Kunst zu Sport im öffentlichen Raum Halles

Sport ist eines der bedeutendsten soziokulturellen Massenphänomene der Moderne. Auch Halle war und ist nicht zum Wenigsten eine Stadt des Sports. Dessen Praktiken und Rhythmen strukturieren den Alltag zahlreicher Bewohner mit. Anlagen des Sports prägen weitläufig das Stadtbild und bilden ihre eigene Topografie aus. Zunehmend geraten Bauten des Sports auch in den Fokus des Denkmalschutzes. Über Architekturen und Stadtplanung hinaus ermöglicht der Sport alternative Kartierungen, regt die Ausbildung sportspezifischer mental maps von Stadt und Umland an. Herausragende Protagonisten und Ereignisse schreiben sich überdies in das städtische Gedächtnis ein.

In den 1990er-Jahren gehörte zu den Labeln, unter denen Halle um seine Neuerfindung im wiedervereinigten Deutschland rang, neben jenen der „Händelstadt“, „Universitätsstadt“ oder „Kulturhauptstadt“ auch das der „Sportstadt“. Aktuell kommt dem Sport erneut als Marketinginstrument und Standortfaktor wachsende Bedeutung zu, wobei sich markante Verzahnungen von zentralen kommunalen Akteuren mit dem (Profi-) Sport ausmachen lassen.



Der Sport ist strukturell nicht nur an dessen Vereine im engeren Sinne gebunden, sondern gerade auch in historischer Perspektive an für die Stadt bedeutende Einrichtungen wie die Universität oder die Franckeschen Stiftungen, an Firmen und Betriebe wie Eisenbahn oder Post, an Institutionen wie Polizei und Militär.

Ein wichtiger Resonanzraum des Sports ist neben Literatur und Film die Bildende Kunst, was etwa großformatige Wanddekorationen oder plastische Werke zeigen. In Halle ist an der Hanseringpromenade nahe des Leipziger Turms seit 1949 die Bronzeplastik „Läufer am Ziel“ (1926/27) von Fritz Röll (1879–1956) platziert. Dass sie unter anderen zuvor das ästhetische Empfi nden der NS-Eliten getroff en hatte und mit weiteren Arbeiten Rölls etwa auf der Großen Deutschen Kunstausstellung 1940 im Haus der Deutschen Kunst in München vertreten war, verweist auf die komplexe Rezeptionsgeschichte. Besuchern des Nordbades wird die monumentale steinerne „Schwimmerin“ von Karl Voigt (1923–1994) bekannt sein, die 1955 für das ein Jahr zuvor eröffnete Bad entstand. Gegeben beim Binden der Schwimmkappe, empfängt sie derart hinweisend im Eingangsbereich gleichsam dessen Gäste.



Eine Verdichtung sportlicher Sujets ist in Halle-Neustadt auszumachen, wo sie sich wie auch der dortige Sportkomplex am Bildungszentrum in das Gesamtkonzept der sozialistischen Modellstadt einfügen. Dies zeigen exemplarisch der „Kugelstoßer“ von Heinz Beberniß (1920–2012) und die Dreiergruppe „Ballspieler“ von Rudolf Hilscher (1921–2017), der mit „Sportliche Übung“ und „Turnende Kinder“ zudem weitere thematisch verwandte Arbeiten in Neustadt hinterlassen hat. Kugelstoßer (1972, aufgestellt 1982) und die als solche gedachten Basketballer (am Guss datiert 1975, aufgestellt 1980) stehen auf mehreren Ebenen kontrastiv für verschiedene Bereiche und Aspekte des Sports, indem sie etwa jeweils einen Individual- und Mannschaftssport repräsentieren oder eine leichtathletische Disziplin und einen Ballsport.

Zum Zeitpunkt ihrer Aufstellung verweisen sie im Subtext auch auf nunmehrige Förderstrategien im DDR-Leistungssport mit deren Unterscheidung von medaillen- und somit prestigeträchtigen sowie ‚anderen‘ Sportarten. Für die ressourcengestützten Ersteren steht die Leichtathletik, in der die DDR speziell im Kugelstoßen jeweils zwei Olympiasiege bei Frauen und Männern errang. Basketball vertritt die marginalisierten und nicht massiv staatlich geförderten Sportarten, wobei gerade hier hallesche Mannschaften jahrzehntelang eine feste Größe waren, im weiblichen Bereich sogar weitgehend dominierten. So war die SG KPV Halle 69 im Jahr 1970 sowohl bei Frauen und Männern DDR-Meister geworden.



Unterschiede ergeben sich auch aus dem engeren stadträumlichen Kontext. Der Aufstellungsort des Kugelstoßers befi ndet sich im Zusammenhang eines weitläufi gen Sportkomplexes, der u.a. das Neustädter Stadion, die Schwimmhalle und eine in HP-Schalen-Bauweise errichtete Großsporthalle umfasst. Hilschers Basketballer sind in eine ein Wohnkarree begrünende Parkanlage eingebunden und trotz erhöhter Aufstellung somit weniger exponiert. Und nicht zuletzt belegt der Blick auf die künstlerische Auff assung der Figuren, wie verschieden ‚Spielarten‘ realistischer Kunst sein können. Der Vergleich mit weiteren Arbeiten beider Künstler verweist allgemein auf subjektive Vorstellungen von Körpern und deren Inszenierung im Medium der Plastik.

Gemeinsamkeit ist, dass sie die Figuren vollständig nackt geben und sich damit wie bereits Fritz Röll in eine Rezeptionslinie antiker Athletendarstellungen einreihen. Rölls Adaption wiederum lässt sich unmittelbarer auch als hellenischer Wettkämpfer lesen oder als Pheidippides, des athenischen Boten und legendarischen ersten Marathonläufers.

(Autor: Dirk Suckow)