Der Hansering als Denkmalsstrasse des 20. Jahrhunderts

Mit der Abfolge der politischen Systeme kam es an der repräsentativen Promenade des Hanserings immer wieder zu dem Versuch, mit politischen Monumenten eine kollektive Identität und Erinnerung zu stiften.

Den Anfang machte das vom wilhelminischen Star-Architekten Bruno Schmitz gestaltete Kaiserdenkmal, das 1901 enthüllt wurde. Obwohl sich hier Mäzenaten wie der Maschinenbauunternehmer Albert Dehne,der 245.000 Mark spendete, verewigten, kündete das Denkmal nicht von Bürgerfleiß, sondern von der Glorie des dynastischen Machtstaates. Umrahmt von den Standbildern Bismarcks und Moltkes erschien Wilhelm I.hoch zu Roß. Die vom Denkmalskomitee ausgewählte Widmungsinschrift („Wilhelm dem Großen – Die dankbare Bürgerschaft“) schloss an einen Mythos an, der von Hagiographen und den „absolutistischen“ Ambitionen Wilhelms II. forciert wurde.



Nach 1918 forderten SPD, USPD und KPD die komplette Entfernung monarchischer Symbole aus dem öffentlichen Raum. Als Täter aus dem kommunistischen Umfeld zur Jahreswende 1922/23 jedoch einen Sprengstoffanschlag auf das Kaiserdenkmal verübten, betrieb das bürgerliche Lager demonstrativ die Instandsetzung der Anlage, die nach der traumatischen Weltkriegsniederlage als Verkörperung einer großen Vergangenheit galt. Die feierliche Neueinweihung wurde mit einem „Deutschen Tag“ zum Spektakel für die nach Halle gereisten Repräsentanten der antirepublikanischen Rechten, während sich kommunistische Gegendemonstranten und Polizei bei Böllberg ein Blutbad lieferten.

Gemäß der Direktive Nr. 30 des alliierten Kontrollrates erfolgte nach 1945 der Abbruch der Anlage. Das nächste Denkmalsprojekt am Hansering, das 1948 enthüllte Denkmal für die Opfer des Faschismus, fand seinen Ort gegenüber dem Justizpalast und sollte als Mahnmal an die Unrechtsurteile erinnern, die hier im NS-Landgericht verkündet worden waren. Die zweieinhalb Meter hohe Skulptur des Dresdner Bildhauers Herbert Volwahsen zeigte eine aufblickende männliche Figur mit leidenden Gesichtszügen, deren Gestik nach einem zeitgenössischen Kommentar „den Eindruck der Überwindung des Leides durch inbrünstige Hoffnung und ungebrochenen Willen“ zeige. Mit der Engführung auf den aktiven politischen Widerstand sollte jedoch eine Sinnstiftung für die Gegenwart einhergehen, in der die durch den Holocaust vernichteten Opfer weitgehend ausgeblendet wurden.



Den letzten Abschnitt in der Denkmalsgeschichte des kurzen 20. Jahrhunderts bildete das „Fahnenmonument“, das zum 50. Jahrestag der russischen Oktoberrevolution 1967 eingeweiht wurde. Das neue Zentrum eines „Meetingplatzes“ sollte den Höhepunkt des neugestalteten Hanserings markieren. Die Denkmalsplaner um den stellvertretenden Chefarchitekten von Halle-Neustadt, Sigbert Fliegel, konzipierten eine 24 Meter hohe freistehende Betonplastik. Die Farbgebung ihrer technischen Innovation bestimmten jedoch die Auftraggeber, so dass das Monument weder in abstrakt-weißer noch in feuerfarben-oszillierender Farbgebung realisiert wurde. Der Überstrich selbst einer abgeminderten Kolorierung schon 1968 mit einem einheitlichen Rot führte zu einem statischeren Erscheinungsbild. Erhalten blieb dagegen die Einbindung des Monuments in die totalitäre Liturgie des sozialistischen Jahreskreises, die bereits die Planer um Fliegel skizziert hatten: „Von der erhöhten Platzfläche aus nehmen die Repräsentanten zu den großen Feiertagen die Demonstrationen der Bevölkerung ab.“ 

(Tobias Kügler, Kulturfalter Mai 2008)