Halle und die Hanse

Im Mai 2008 wurde in Halle erstmals ein Hansefest veranstaltet, das seitdem jährlich stattfinden soll, um die Erinnerung an die Zugehörigkeit zur Hanse wachzurufen und den Fremdenverkehr zu beleben. Im gleichen Jahr kam an die Öffentlichkeit, dass die Saalestadt bereits 2001 nahezu unbemerkt dem in Zwolle gegründeten „Hansebund der Neuzeit“ beigetreten war. Das Wenige, das im hallischen Stadtbild an die Hanse erinnert, reicht kaum in die ältere Vergangenheit zurück. Der großzügig gestaltete Hansering in der Innenstadt entstand erst nach dem Abbruch der mittelalterlichen Stadtbefestigung im frühen 19. Jahrhundert und trägt diesen Namen seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Verbreitet ist jedoch die Meinung, die Farben des hallischen Stadtwappens, das sich in der Mitte des 15. Jahrhunderts durchsetzte und dessen Bedeutung nicht restlos geklärt ist, rührten von der Hanse. Näher liegt freilich der Bezug zur spätmittelalterlichen Marienverehrung und zu den Farben des Erzstifts Magdeburg, zu dem Halle seit dem 10. Jahrhundert gehörte.

Als der Braunschweiger Zollschreiber und Chronist Hermann Bote um 1510 die Wappen von insgesamt 75 Hansestädten zusammenstellte, und zwar angeblich in der Reihenfolge, in der diese dem Städtebund beigetreten seien, hatte die Hanse ihre Blütezeit bereits hinter sich. Das hallische Wappen erscheint in dieser Zusammenstellung an 21. Stelle und damit noch deutlich vor Hamburg und Lüneburg, doch bleibt völlig im Dunkeln, wie der Chronist zu dieser Reihenfolge gekommen ist. Der älteste urkundliche Beleg über Halles Beziehungen zur Hanse stammt aus dem Jahre 1281. In einem Brief an Lübeck stimmte der Rat von Halle damals der vorübergehenden Verlegung des hansischen Stapelplatzes von Brügge nach Aardenburg zu. Daher kann angenommen werden, dass hallische Kaufleute im 13. Jahrhundert am Fernhandel mit Flandern teilhatten. Den norddeutschen Fernhändlern waren sie immerhin über die niederdeutsche Sprache verbunden, die noch bis in die Frühe Neuzeit in Halle und Umgebung gesprochen wurde. 1295 erscheint Halle unter denjenigen Städten, deren Kaufleute sich aus der hansischen Niederlassung in Novgorod bei strittigen Rechtsfragen an Lübeck wenden sollten, so dass eine hallische Beteiligung am Russlandhandel ebenfalls anzunehmen ist.



Obwohl immer wieder geladen, nahm die Stadt im Spätmittelalter jedoch nur selten an Hansetagen teil, da ihre Interessen meist von Braunschweig und Magdeburg vertreten wurden, mit denen sie im Sächsischen Städtebund vereint war. Für das Jahr 1434, als in Lübeck über Bündnisse gegen Dänemark, England und Flandern beraten wurde, ist Halles Teilnahme hingegen auch chronikalisch überliefert. Gemeinsam mit den niedersächsischen Städten beteiligte sich die Saalestadt bereits 1427 am Bündnis gegen den dänischen König und ab 1430 an weiteren hansischen Teilbündnissen (Tohopesaten). Am Fernhandel nach Flandern, England oder Russland dürften die Hallenser zu jener Zeit aber kaum mehr beteiligt gewesen sein. Bislang gibt es auch keine Belege, dass hallisches Salz neben dem lüneburgischen eine Rolle im hansischen Seehandel spielte. 1454 vereitelten die Lüneburger allerdings Pläne, den Wasserweg von Braunschweig nach Bremen auszubauen, weil sie befürchteten, es würde zuviel Salz aus Halle, Großsalze und Staßfurt unmittelbar an die Küste verschifft werden.



Als die Saalestadt 1478 dem Magdeburger Erzbischof unterworfen wurde, verlor sie das Recht Bündnisse zu schließen, findet sich aber schon 1494 und 1506 wieder als Partner in hansischen Tohopesaten. 1518 wurde dann jedoch in Lübeck beschlossen, die Stadt Halle und weitere Städte in den Stiftern Magdeburg und Halberstadt nicht länger als Hansestädte zu betrachten. Wie viele hansische Binnenstädte hatte also auch die mittelalterliche Stadt Halle in einer lockeren Beziehung zur Hanse gestanden, um ihre Handelsinteressen zu wahren. Dies entsprach jedoch ganz dem Charakter des Hansebundes, der sich aus Zusammenschlüssen von Fernhändlern entwickelt hatte und weit davon entfernt war, ein „Wirtschaftsimperium“ oder gar ein „Staat der Städte“ zu sein.

(Gerrit Deutschländer, Kulturfalter Mai 2010)