Halle im Brennpunkt der Reichspolitik: der Fürstenprotest von 1202 und seine Folgen

Der unerwartete Tod des Stauferkaisers Heinrich VI. (1190–1197) im September 1197 in Messina auf Sizilien führte nicht nur zum Abbruch eines ambitionierten Kreuzzugsprojektes, sondern stürzte auch den deutschen Teil des Reiches  in eine langanhaltende Krise. Sicher hatte Heinrichs aggressives Vorgehen gegen innenpolitische Gegner, ebenso wie sein unehrenhaftes Verhalten gegenüber der sizilischen Königsfamilie und dem englischen König Richard I. (1189–1199) der Stauferpartei im Reich Sympathien gekostet. Doch vor allem war es die Minderjährigkeit des eigentlich gewählten Nachfolgers Friedrich (1194–1250), die neue Kandidaten erforderlich machte. Es kann durchaus als englische Revanche gesehen werden, dass der bei seinen Bürgern massiv verschuldete Erzbischof von Köln gezwungen werden konnte, zusammen mit einigen niederdeutschen Fürsten, sich mit Otto von Poitou (1175–1218), den in England aufgewachsenen Sohn Herzog Heinrichs des Löwen (1142–1180) und Lieblingsneffen König Richards, für einen welfischen Königskandidaten auszusprechen.

Die staufische Partei im Reich, angeführt von den mächtigen Reichsministerialen und dem Magdeburger Erzbischof Ludolf von Kroppenstedt (1192–1205) (Abb. 1) setzte daraufhin auf den Jüngsten der Barbarossasöhne, Herzog Philipp von Schwaben (1177–1208), der 1198 in Mühlhausen zum König gewählt wurde, während Otto in Köln ebenso zum König erhoben wurde. Beide Könige hatten ein Legitimationsproblem und versuchten den Papst und noch unentschlossene, vom Kreuzzug heimkehrende Fürsten in der Folge zu ihren Parteigängern zu machen. Neben Versprechungen gehörte dazu auch eine demonstrative Darstellung der eigenen königlichen Würde. Zunächst gelang dies Philipp besser, dem Erzbischof Ludolf Weihnachten 1199 in Magdeburg den Rahmen für eine perfekte Selbstinszenierung seiner Königswürde bot; der Sänger Walther von der Vogelweide (1170–1230) war begeistert.



Auch politisch wurde hier an staufische Großmachtpolitik angeknüpft, sind doch der königliche Schutz der jungen militärischen Livlandmission und die erste Ansiedlung des Deutschen Ordens im Reichsgebiet im Folgejahr in Halle durchaus als solche Signale zu bewerten. Insbesondere Halle wurde im Folgenden zum wichtigsten Zentrum der Stauferpartei in Mitteldeutschland, wohl weil Erzbischof Ludolf von hier besser den Kontakt zu seinen Verbündeten halten konnte und sich zudem frei von Einflüssen des welfischen Machtzentrums Braunschweig wusste.

Im Januar 1202 – der vom Papst gesandte Legat hatte sich inzwischen für Otto ausgesprochen – versammelten sich König Philipp und seine Anhänger in Halle und verfassten einen auf den 22.01.1202 datierten Protestbrief gegen die Einflussnahme des päpstlichen Legaten auf die deutsche Königswahl an Papst Innozenz III. (1198–1216), den „Halleschen Fürstenprotest“. Das Dokument in forderndem Ton wurde von Markgraf Konrad II. von Landsberg (1190–1210) an die Kurie überbracht. Der Papst, ein hochgebildeter und politisch versierter Diplomat, konterte geschickt mit der moralischen Autorität seines Amtes und ließ das Schreiben ins Leere laufen. Gleichzeitig schuf er Fakten, indem er Philipp und seine Anhänger mit dem Kirchenbann belegte, was zur deutlichen Schwächung der Stauferpartei führte.



Stadt, die Erzbischof Ludolf und Markgraf Otto II. von Brandenburg (1184–1205) persönlich verteidigten. Erst die Niederlage eines böhmischen Fouragekontingents bei Zörbig zwang den Welfen, die Belagerung im Herbst aufzuheben. Die erfolgreiche Verteidigung von Halle wurde zum Beginn einer erneuten staufischen Erfolgsserie, die erst die Ermordung König Philipps 1208 in Bamberg beendete. Nun wurde König Otto im ganzen Reich anerkannt und der Magdeburger Erzbischof Albrecht II. von Käfernburg (1205–1232) zu seinem wichtigsten Berater und Brückenbauer zur Stauferpartei.

Aus dieser Zeit hat sich im Kunstmuseum Moritzburg die in Halle gefundene „Ottoschale“(Abb. 2), wohl ein Geschenk Otto IV., seit 1209 Kaiser, an den Erzbischof, erhalten. Deshalb verärgerte 1212 der Parteiwechsel des Magdeburger Erzbischofs zur Stauferpartei den Welfen ganz besonders. 1213 militärisch bei Remkersleben von ihm besiegt, flüchtete sich Erzbischof Albrecht nach Halle. In der Folge musste die Stadt einer weiteren Belagerung Kaiser Ottos IV. wiederstehen. Der erneute Erfolg markierte diesmal den Beginn der endgültigen Niederlage des Welfen. Halle war sein Schicksalsort geworden.

(Autor/in: Stefan Moeller)