Gottfried Rost und die Wasserversorgung der Franckeschen Stiftungen – Wasser für (H)alle

Die schnell wachsenden Schulanstalten August Hermann Franckes (1663–1727), die heutigen Franckeschen Stiftungen, waren von Beginn an mit dem Problem der Versorgung mit frischem Wasser konfrontiert. Letzteres wurde nicht nur zum Trinken, sondern auch für die Versorgung der Tiere in der Meierei, in der Nahrungsmittelzubereitung, aber auch für die Säuberung der Kinder und der Kleidung in großen Mengen benötigt: So lebten und lernten 1727 bereits ca. 2.000 Kinder und Angestellte in den Anstalten. Brunnen auf dem Gelände der Stiftungen lieferten nicht genug Wasser und so musste man es notgedrungen aus der Saale beziehen – wie übrigens der größte Teil der Bewohner der Stadt Halle auch.



In Fässern wurde das bereits damals als verunreinigt geltende Wasser der Saale unter hohen Kosten in die Anstalten geliefert. Georg Heinrich Neubauer (1666-1725), wichtigster Mitarbeiter Franckes und Architekt der meisten Gebäude der Anstalten, nahm sich des Problems an. Mehrere von ihm durchgeführte Bohrungen und Brunnenbauten führten jedoch nur zu kurzfristigen Erfolgen. Nach einigen Jahren gab Neubauer entmutigt auf und überzeugte Francke, dass das Problem der Wasserversorgung nicht zu lösen war.

Dies änderte sich 1717, als der eigentlich als Schreibmeister am Waisenhaus angestellte Gottfried Rost (1677–1753) südlich der Anstalten zwei Quellen fand. Die eine befand sich in der Nordwestecke des heutigen Lutherplatzes, die zweite am heutigen Südfriedhof, etwa auf Höhe der Kreuzung Dieselstraße/Barbarastraße. Mittels eines aus dem Bergbau entlehnten, über fünf Kilometer langen Stollen- und Röhrensystems und unter Ausnutzung des natürlichen Geländegefälles gelang es Rost, das frische Wasser dieser Quellen in die Anstalten zu leiten.



Die Kapazität des vorrangig aus ausgehöhlten Baumstämmen bestehenden Röhrensystems war so groß, dass das nicht verwendete Wasser in einen Brunnen auf dem heutigen Franckeplatz geleitet werden konnte. Das als „Waisenhauswasser“ bekannte Nass erfreute sich bei der Stadtbevölkerung großer Beliebtheit und galt als äußerst gesund. Berichte aus der Mitte des 18. Jahrhunderts legen dar, dass am Tag hunderte Personen das Wasser in Flaschen aus dem Brunnen schöpften und dieses teilweise bis zum Petersberg transportierten. Rost, der zum ‚Wasserbaumeister‘ des Waisenhauses avanciert war, entwickelte sein Röhrensystem beständig fort und war bis zu seinem Tod für dessen Kontrolle und Reparatur verantwortlich.



Seinen Erfolg erklärte er sich mit der göttlichen Providenz (Führung). Seit frühester Jugend war der aus Rochlitz in Sachsen stammende Rost mit Wasserbauten und Brunnen in Berührung gekommen, was zur Ausprägung eines lebhaften Interesses für diese Aspekte gesorgt hatte. Als tiefreligiöser Mensch der Frühen Neuzeit erblickte Rost hierin die Führung Gottes, der seine Interessen gelenkt und ihn am Waisenhaus an einen Platz gestellt hatte, wo er sein Wissen zum Wohle eines größeren Ganzen einsetzen konnte. Die allein aus den Mitteln der Anstalten finanzierte Wasserversorgung befand sich auf dem technischen Stand der Zeit.

Herausragend ist die überlieferte Dokumentation der Anlage: neben großformatigen Übersichten, über 50 Einzelplänen und beschreibenden Akten sind mehrere Teilstücke des Rohrleitungssystems sowie der verwendeten Werkzeuge erhalten. Das von Gottfried Rost etablierte Wasserversorgungssystem blieb bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts intakt.