„ ... prächtig und bequem, wie es errichtet ist“ – die Planung und Eröffnung des Paul Riebeck-Stifts vor 120 Jahren

Zu Beginn der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stand die Stadt Halle mit circa 100.000 Einwohnern an der Schwelle zur Großstadt. Durch die Industrialisierung zog es eine Vielzahl von Menschen auf der Suche nach Arbeit vom Land in die Stadt – so auch nach Halle. Dieser Zustrom veränderte nachhaltig die hallische Infrastruktur ebenso wie die Strukturen in den unterschiedlichen Bevölkerungsschichten. Im Zuge dessen stieg in der Stadt der Bedarf an altersgerechten Wohn- und Pflegeplätzen stetig an.

Johann Wilhelm Paul Riebeck (1859–1889) ist es zu verdanken, dass 1894 der Grundstein für ein bemerkenswertes Alten- und Pflegeheim in Halle gelegt werden konnte. Riebeck war am 10. Oktober 1889 im Altervon 30 Jahren in Yokohama verstorben. Bereits schwer erkrankt, hatte der Sohn und Alleinerbe des Bergwerkunternehmers und Industriellen Carl Adolf Riebeck (1821–1883) vor seiner Weltreise ein Testament aufgesetzt. Darin bestimmte er die Stadt Halle zur Universalerbin. Aus dem Erbe hatte die Stadt Halle „eine Anstalt für Sieche, oder für Kranke und irre, oder für alte arbeitsunfähige Leute zu begründen oder eine bestehende zu vergrössern, oder die Mittel zur Erhaltung solcher Anstalten zu verwenden.“

So veröffentlichte die Stadt im März 1893 die Ausschreibung eines Wettbewerbs „zwecks Erlangung von Entwürfen für das Gebäude der ,Paul-Riebeck-Stiftung‘“. Die Behörden hatten für den geplanten Bau 500.000 Mark vorgesehen und bereits ein Grundstück von circa 2,7 Hektar im Süden der Stadt angekauft. An der Lutherstaße (der heutigen Kantstraße) gelegen, sollte die „Altersversorgungsanstalt“ im östlichen Teil des Geländes errichtet werden und für 80 Männer und Frauen Platz bieten.Tatsächlich gingen 79 Entwürfe ein. Das Preisgericht kürte nach „eingehender Beratung über die Mängel und Vorzüge der Entwürfe“ die Sieger im Wettbewerb.

Trotz der Auszeichnungen befand das Preisgericht keinen der Entwürfe als geeignet, um realisiert zu werden. Die Architektenbüros Schreiterer & Below (Köln) sowie Spalding & Grenander (Berlin) wurden gebeten, ihre Pläne nach den Wünschen und Vorstellungen der Auftraggeberin zu überarbeiten. Der dann abgewandelte Entwurf von Spalding und Grenander wurde vom Stadtbauamt als geeignet angesehen und zur Bauausführung beschlossen. Im Folgenden zogen die städtischen Behörden die alleinige Verantwortung für den Bau des Riebeck-Stifts an sich und beteiligten die Architekten nicht weiter am Projekt.



Im Herbst 1894 wurde der Grundstein des Paul Riebeck-Stifts gelegt. Der Bau konnte aufgrund seiner finanziellen Absicherung innerhalb von zwei Jahren fertiggestellt werden. Die zuvor geplanten Kosten von 500.000 Mark wurden weit übertroffen, die Stadt Halle musste 800.000 Mark aus dem Erbe Riebecks für die neue „Altersversorgungsanstalt“ aufbringen. Noch vor der feierlichen Eröffnung am 7. Dezember 1896 wurde das Stift bereits am 1. Oktober von 78 „Pfleglingen“ bezogen. Die Saale-Zeitung beschrieb es feierlich als „prächtig und bequem, wie es errichtet ist, eine Wohlthat für seine Bewohner, eine bauliche Zierde unserer Stadt, ein bleibendes ehrenvolles Denkmal für seinen großherzigen Stifter“.

Eigens zur Verwaltung des Stifts wurde bereits 1893 die Paul Riebeck-Stiftung gegründet und ein Statut für das zukünftige Stift beschlossen. Es legte fest, welchen Personen die Aufnahme ins Stift gewährt wurde. Die Bewerberinnen und Bewerber mussten älter als 50 Jahre sein und dem Deutschen Reich angehören. Zudem sollten sie mindestens 10 Jahre in Halle gelebt haben und „sich eines guten Rufs und voller Unbescholtenheit erfreuen“. Grundsätzlich durften sie „weder mit einer bleibenden und dauernde persönliche Aufsicht erfordernden, noch mit einer ansteckenden oder Ekel erregenden Krankheit behaftet“ sein.



Zudem sollte das Stift vorrangig solventen Bürgerinnen und Bürgern der Stadt Halle zugänglich sein. Gemäß dem Statut der Paul Riebeck-Stiftung musste ein sogenanntes Eintrittsgeld von 600 Mark gezahlt werden. Auch wurde – mit einem Anteil von zehn Prozent – mittellosen Personen Platz geboten. So vergab die Stiftsverwaltung sieben ‚Freistellen‘ und die Familie Riebeck fünf ‚Freistellen‘. Den Stiftsbewohnerinnen und -bewohnern wurde ein Zimmer – Ehepaare bezogen zwei Zimmer – zur alleinigen Verfügung geboten, in denen sie sich mit ihrem eigenen Mobiliar einrichten konnten.

Die Zimmer waren mit Heizung und Beleuchtung ausgestattet. Neben der unentgeltlichen Verköstigung beinhaltete ein Platz im Riebeck-Stift die Reinigung der Wäsche, die ärztliche Behandlung, Medikamente im Krankheitsfall ebenso wie die Beerdigung. In 120 Jahren ist das „Schloss von Halle“ bis heute Alten- und Pflegeheim geblieben. Eine Ausstellung im Foyer des Paul Riebeck-Stifts (Kantstraße 1, Halle) erzählt von der facettenreichen Geschichte des Gebäudes. Bis zum Frühjahr 2017 wird sie dort zu sehen sein.

(Autor/in: Doreen Pöschl)