Ernst von Sachsen - Kirchenfürst und frommer Stifter

Mit nur 11 Jahren wurde 1476 Ernst II. von Sachsen aus dem Geschlecht der Wettiner, ein Sohn des Kurfürsten Ernst von Sachsen (1441–1486) und Bruder Friedrichs des Weisen (1463–1525), zum Erzbischof von Magdeburg erhoben. Zur Magdeburger Diözese gehörten auch die Stadt Halle und ihre umliegenden Gebiete. Durch Ausnutzung stadtinterner Konflikte zwischen den Innungen und Pfännern gelang es dem Erzbischof, seinen Einfluss und seine Macht in der Saalestadt zu behaupten und auszubauen. Nach dem durch die erzbischöflichen Truppen unterstützten Kampf der Innungen gegen die Salzelite zog Ernst von Sachsen am 21. September 1478 in die unterworfene Stadt ein.

Weithin sichtbares Zeichen der erzbischöflichen Herrschaft wurde die Anlage der Moritzburg, errichtet ab 1484 auf Betreiben Ernsts als Zwingburg an der Nordwestecke der Stadt. Die wehrhafte Burg wurde zur neuen Residenz des Stadt- und Landesherrn. Zu den Bauten des Wohnschlosses gehört die Maria-Magdalenen-Kapelle. Der im Nordtrakt der Festung gelegene spätgotische Bau, den Ernst dem Patrozinium der heiligen Büßerin Maria Magdalena unterstellte, wurde 1505 vollendet und bis 1509 kostbar ausgestaltet und reich ausgestattet. Von diesem Schmuck und Glanz der Kapelle hat sich am Ort fast nichts erhalten, doch geben zwei Verzeichnisse Auskunft über den einstigen Bestand an Reliquiaren, liturgischen Geräten und Gewändern. Bemerkenswert ist hier die Erwähnung der Paramente – d. h. der Textilien, die von den Geistlichen getragen wurden oder den Kirchenraum schmückten. Demnach gehörten 1513 nahezu achtzig Messgewänder zum Inventar der Kapelle.



Wie prächtig solche Gewänder aussehen konnten, vermittelt ein Chormantel – ein sogenanntes Pluviale – im Domschatz zu Halberstadt (siehe Foto). Warum hinterließ Ernst von Sachsen dort seine Spuren? Ernst war nicht nur Erzbischof von Magdeburg, sondern auch Administrator des Bistums Halberstadt. Nach der Absetzung des Halberstädter Bischofs Gebhard von Hoym 1479 wurde Ernst von Sachsen zum Administrator des Bistums gewählt. 1480 bestieg Ernst den Bischofsstuhl. Das Pluviale aus italienischem, schwarzviolett-goldenem Brokatsamt mit aufwendigem Granatapfelmuster könnte zu seinem Amtsantritt in den Bestand des Doms gekommen sein. Das Wappen des Halberstädter Stiftes und das sächsische Landeswappen auf der Rückseite des Pluviales weisen das Gewand als eine Stiftung des Kirchenfürsten aus (siehe Foto)

Während seiner Amtszeit weihte Ernst am 28. August 1491 die Halberstädter Bischofskirche und den Hochaltar der Kathedrale zu Ehren des hl. Stephanus. Dabei verschloss er, wie bei Altarweihen vorgeschrieben, einen mit Reliquien gefüllten Bleikasten in einer Aushöhlung des Altartisches, dem Sepulcrum. Als der Hochaltar im 19. Jahrhundert geöffnet wurde, entnahm man den Reliquienkasten. In ihm liegen noch heute Knochenpartikel und Reliquienbündelchen. Zum Inhalt gehört ebenfalls eine Urkunde, welche die Weihe bezeugt. Der Kirchenfürst zelebrierte zur Weihe der Bischofskirche das Hochamt selbst. Möglicherweise wurde das oben genannte Gewand zu diesem Anlass getragen. Auf dem Schild der Rückseite wird in Reliefstickerei die Begegnung Maria Magdalenas mit dem auferstandenen Christus gezeigt. Die Patronin der hallischen Schlosskapelle und ihre Begegnung mit dem Heiland tritt auf dem Halberstädter Gewand an eine exponierte Stelle und betont die Bedeutung der heiligen Maria Magdalena für Ernst.



Neben dem Pluviale Ernsts von Sachsen gehören etwa 90 mittelalterliche Gewänder zum Bestand des Halberstädter Domschatzes. Etwa ein Drittel dieser kostbaren Kleidungsstücke wird ab 13. April 2008 in der völlig neu gestalteten Dauerausstellung des Domschatzes in Halberstadt zu sehen sein. In den historischen Räumen der Domklausur werden dann etwa 400 Schatzstücke eines der umfangreichsten Kirchenschätze Europas präsentiert.

(Anja Preiß, Kulturfalter April 2008)