Eichendorff-Bank und Eichendorffdenkmal – zwei Juwelen der halleschen Stadtkultur
Die Eichendorff-Bank auf den Klausbergen und die jüngst eingeweihte Eichendorff-Bronzeplastik haben trotz der Zeitdifferenz ihres Entstehens und grundverschiedener Gestaltung Gemeinsamkeiten. Beide erinnern an den aus Schlesien stammenden Joseph von Eichendorff (1788–1857), den bedeutenden Schriftsteller und Lyriker der Romantik, und beide sind Ausdruck bürgerschaftlichen Engagements. Mit Halle verband Eichendorff das im Mai 1805 begonnene, aber schon ein Jahr später beendete Studium an der Halleschen Universität. Die durch Napoleon verfügte Universitätsschließung setzte diese Zäsur. In seinem Tagebuch hielt der damals 18-Jährige seine Erinnerungen an Halle fest. Als 67-Jähriger weilte Eichendorff nochmals kurz in Halle. In Erinnerung an seine Studentenzeit verfasste er aus der Perspektive eines alten Mannes das schöne, aber auch Wehmut ausdrückende Gedicht „Bei Halle“, veröffentlicht im Deutschen Musen-Almanach von 1841. Die ersten Zeilen finden sich auf der Stele der Eichendorff-Bank:
DA STEHT EINE BURG ÜBERM TALE
UND SCHAUT IN DEN STROM HINEIN
DAS IST DIE FRÖHLICHE SAALE
DAS IST DER GIEBICHENSTEIN
DA HAB ICH SOOFT GESTANDEN
ES BLÜHTEN TÄLER UND HÖHN
UND SEITDEM IN ALLEN LANDEN
SAH ICH DIE WELT NIMMER SO SCHÖN
Eichendorffs Beziehung zu Halle motivierte vor wenigen Jahren Bürgerinnen und Bürger aus Halle zu einer Denkmalstiftung. Die „Interessengemeinschaft Bronzeplastik Joseph von Eichendorff e. V.“ rief zu Spenden auf. Der renommierte hallesche Bildhauer Prof. Bernd Göbel erhielt den Auftrag. Bei der Einweihung am 23. November 2019 kam Staunen auf: Der Jüngling Joseph von Eichendorff, scheinbar gerade der Saale entstiegen, ist notdürftig mit einem Handtuch verhüllt (Abb.1). Dass Eichendorff in die Saale zum Baden stieg, belegt sein Tagebuch. Ob er jemals die felsigen Klausberge bestieg, ist ungewiss. Aber eben dieser einst kahle, felsige Standort wurde am Ende des 19. Jahrhunderts als Erinnerungsort für das bürgerliche Dichteridol gewählt. Mit einer Natursteinbank wurde ein Zeichen gesetzt, um das Andenken an Eichendorff wachzuhalten und zur Besinnung über Landschafts- und Zeitwandel anzuregen (Abb. 2)
Wer waren die Initiatoren? Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts wuchs Halle unaufhaltsam. Mit dem Abbruch der Stadtmauern wurde der städtische Raum entgrenzt. Der Wille der Bürgerschaft nach Teilhabe entfaltete sich, wobei die Gründung des Halleschen Verschönerungs-Vereins 1864 eine entscheidende Zäsur bildete. Maßgeblich geprägt wurden dessen Aktivitäten durch den langjährigen Vorsitzenden, Justizrat und Kommunalpolitiker Hermann Gottlob Fiebiger (1815–1882), und einflussreichevermögende Bürger wie Brauereibesitzer Rauchfuß, Stadtrat Heinrich Niemeyer, Richard Bertram oder Kommerzienrat Lehmann. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war das unwegsame Saaletal mit seinen kahlen Felshängen in einen beeindruckenden Landschaftspark verwandelt. So entstanden Amtsgarten, Reichardts Garten, verschlungene Spazierwege, Aussichtspunkte mit Treppenaufgängen und Abstiegen. Auch Erinnerungsorte zur „völkischen Erbauung“ wurden angelegt: An den Klausbergen entstanden die Großplaketten zum Dreikaiser-Jahr 1888, der Abstieg zur Jahn-Höhle und am Kröllwitzer Gegenufer das Kriegerdenkmal 1896 sowie das Bismarck-Denkmal 1895. In Scharen nahmen Hallenser und Besucher die neuen Ausflugs- und Erholungsorte an.
In diesem Kontext ist die Anregung des Stadtrats Niemeyer einzuordnen, auf dem Klausbergfelsen eine Erinnerungsstätte für von Eichendor zu schaffen. 1879 setzten Bürger einen Gedenkstein, nachfolgend stiftete Niemeyer eine Steinbank, die 1883 durch Vandalismus zerstört wurde. 1899 beschloss der „Hallesche-VerschönerungsVerein“, die Natursteinbank erneut aufzustellen, und finanzierte Erdaufschüttungen auf dem Felsen und die Bepflanzung mit Fliederbüschen und Laubbäumen. Abgesehen von der regionalen Bedeutung seiner „HalleschenHymne“ verblasste aber das Interesse an Eichendorffs Werk. Vor wenigen Jahren zeigte sich ein wieder gewachsenes Interessen diesem Erbe. Dafür sprechen die Stiftung des neuen Bronzedenkmals und das Engagement der „Freunde der Bau- und Kunstdenkmale Sachsen-Anhalt e. V.“: 2018 nahm der Verein den Denkmalort „Eichendorffbank“ in den Fokus. Seit dem 17. August 2021 zeigt sich die Bank im neuen Glanz, komplettiert durch eine erklärende Edelstahlplatte, gestiftet von der Bürgerstiftung Halle. Zwischen zwei Juwelen der Stadtkultur Halle, dem Eichendorff-Denkmal im Tal und der historischen Bank auf den Klausbergen, entstand so eine symbiotische Beziehung, die sich nicht zuletzt in Form wechselseitiger Spenden und eines Zusammenwirkens der Vereine äußerte.