Die hallische Museumsgesellschaft (1911–1929): Wertvolle Kunst für das Städtische Museum
Für die Entwicklung des 1885 gegründeten Städtischen Museums für Kunst und Kunstgewerbe waren Schenkungen und Stiftungen von Beginn an unverzichtbar. Damals wie heute erlaubte der aus dem städtischen Haushalt bereitgestellte Museumsetat Ankäufe nur in kleinerem Umfang. 1908 erhielt das Museum mit dem jungen Kunsthistoriker Max Sauerlandt (1880–1934) erstmals eine professionelle Leitung. Die Sammlung, die er vorfand, war ein mittelmäßiges Sammelsurium ohne besondere Glanzpunkte. Diesem Zustand wollte Sauerlandt entgegenwirken, indem er ausnahmslos anspruchsvoll gestaltete Einzelwerke von Künstlern, Handwerkern und Manufakturen zu erwerben suchte. Schon kurz nach seinem Amtsantritt war Sauerlandt aktiv darum bemüht, potenzielle Unterstützer und Geldgeber für seine Interessen und Ziele zu gewinnen. Die im Dezember 1911 auf Initiative Sauerlandts gegründete Museumsgesellschaft gehörte zu den wichtigsten Förderern des Museums zu Beginn des 20. Jahrhunderts. An der Gründung beteiligten sich wohlhabende Bürger der Stadt Halle (Saale) sowie hochgestellte Persönlichkeiten aus der Kommunalpolitik, Wirtschaft und Wissenschaft. Kurze Zeit nach ihrer Gründung hatte die Gesellschaft bereits über 50 Mitglieder.
Für den Ankauf von Kunstwerken erhob die Museumsgesellschaft einen Jahresbeitrag von 100 Mark und verlieh für 5.000 Mark die lebenslange Mitgliedschaft. Die Mitgliedsbeiträge verschafften Sauerlandt einen zusätzlichen Ankaufsetat von durchschnittlich 5.000 bis 6.000 Mark jährlich. Innerhalb weniger Jahre konnten aus diesen Mitteln einhundert Kunstobjekte angekauft werden. Darunter ragen seltene venezianische Gläser, kostbare Delfter Fayencen und frühes Meißner Porzellan hervor. Sauerlandt erwarb diese Stücke bei verschiedenen deutschen Kunst- und Auktionshandlungen und teilweise auf dem internationalen Kunstmarkt in Wien und St. Petersburg. In Einzelfällen gelangten Stücke aus dem Besitz öffentlicher Einrichtungen als Schenkungen der Museumsgesellschaft in das Kunstmuseum Moritzburg. Dazu gehören zwei Nürnberger Edelzinnteller, die 1912 dem Berliner Kunstgewerbemuseum für 300 Mark abgekauft wurden. Hierzu zählt außerdem die Gipsbüste des Aufklärers Friedrich Nicolai, die 1798 von dem berühmten Berliner Bildhauer Johann Gottfried Schadow geschaffen wurde. Seit dem frühen 19. Jahrhundert befand sie sich im Besitz der Universitätsbibliothek Halle. Erst nach zähem, monatelangem Ringen mit dem Preußischen Kultusministerium war es Sauerlandt gelungen, die Büste zum Preis von 1.500 Mark zu erwerben. Damit war sie die teuerste Schenkung der Museumsgesellschaft.
Die Einberufung Sauerlandts zum Kriegsdienst 1914 und die wirtschaftlichen Folgen des Ersten Weltkrieges brachten die Aktivitäten der Museumsgesellschaft nahezu zum Erliegen: Die Anzahl der Schenkungen sank fast gegen Null. Drei moderne Gläser der Wiener Werkstätte, die 1920 der neue Museumsdirektor Burkhard Meier (1885 - 1946) auf der Leipziger Frühjahrsmesse erworben hatte, markieren das Ende der Schenkungen. Die Inflation und Wirtschaftskrise in den zwanziger Jahren leiteten schließlich den Niedergang der Gesellschaft ein. Spätestens seit 1925 wurden keine Mitgliedsbeiträge mehr erhoben. 1929 zählte die Gesellschaft nur noch zwei Mitglieder, so dass sie sich schließlich auflöste und im Mai 1929 aus dem Vereinsregister gelöscht wurde.
Die heute noch fast vollzählig erhaltenen Stücke belegen, wie es Sauerland mit finanzieller Unterstützung der Museumsgesellschaft gelang, den vorhandenen heterogenen Sammlungsbestand durch den Ankauf von teilweise erstklassigen Werken des Kunsthandwerks aus der Zeit vom 16. bis 18. Jahrhundert binnen kürzester Zeit gezielt weiterzuentwickeln. Mit qualitätsvollen Einzelstücken setzte Sauerland glanzvolle Akzente in der Sammlungskonzeption und Ausstellungspräsentation. Dabei beschränkte sich Sauerland nicht auf bestimmte Bereiche der angewandten Kunst. Ganz im Gegenteil, er begriff das Kunstgewerbe undogmatisch weit. Dieses breite Spektrum spiegeln auch die Schenkungen der Museumsgesellschaft wider, unter denen sich auch Porträtminiaturen, historische Bestecke, Petschaften, Modeln und tönerne Heiligenfigürchen finden. Sie verdeutlichen in besonderer Weise die Universalität von Sauerlands Sammlungskonzeption, deren zeitlicher Rahmen vom Mittelalter bis zur Gegenwart reichte und zudem keine politischen oder geografischen Grenzen kannte.