Der Rannische Platz – Ein Verkehrsknotenpunkt der südlichen Innenstadt von Halle

Benannt ist der Rannische Platz nach dem ehemals dort stehenden äußeren oder oberen Rannischen Tor. Dieses lag am Ende des Steinwegs und bildete die äußere Grenze des Ortes Glaucha. Lange Zeit wurde hier jeder, der nach Glaucha oder heraus wollte, vom Torwärter kontrolliert. Die Wege waren nur spärlich bebaut. Meist waren Gärten und Felder an ihnen gelegen, aber auch eine Anzahl von Weinbergen.

Natürlich hatte der heutige Rannische Platz in früherer Zeit wenig mit dem heutigen Aussehen gemein. So bildete er aber doch einen Knotenpunkt, da hier drei wichtige Wege, über den zum Platz hin ansteigenden Steinweg aus Halle kommend, entsprangen. Der erste Weg, damals Salzstraße oder Salzkärnerstraße genannt, führte der heutigen Liebenauer Straße folgend hoch zur Pfännerhöhe, weiter nahe Osendorf bis nach Franken und Bayern. Die zweite Straße verlief entlang der heutigen Beesener Straße und führte am Dorf Beesen vorbei bis nach Merseburg. Die dritte, die heutige Wörmlitzer Straße, mündete auf die Straße nach Böllberg. Da spätestens im Mittelalter ein reger Handel mit Salz stattfand und der Austausch mit Merseburg sicher ebenfalls nicht unerheblich war, ist davon auszugehen, dass der Platz vor dem Oberen Rannischen Tor bereits in früheren Zeiten häufig und vielseitig genutzt wurde.



An einen Ausbau war erst nach der Eingemeindung der Amtsstadt Glaucha nach Halle im Jahre 1817 zu denken. So wurden auch erst im 19. Jahrhundert ehemalige Tongruben und ein Teich in der Umgebung zugeschüttet. Die Bautätigkeit rund um den Platz begann mit den Vereinsstraßen im Jahre 1870 bzw. 1871. Die Bebauung entwickelte sich recht langsam, so waren am Rannischen Platz noch 1910, zum Beispiel an Stelle des heutigen Hauses Beesener Straße Nr. 1, Gärten vorhanden. Allerdings war die Urbanisierung nicht mehr aufzuhalten. Der Platz nahm mehr und mehr eine zentrale, verteilende Rolle im Süden von Halle ein.

Bereits 1888 fuhr die Stadtbahn Halle mit einer 1,9 Kilometer langen Linie vom Roßplatz über den Marktplatz zum Rannischen Platz. Zu dieser Zeit stiegen Fahrgäste an der Endhaltestelle Rannischer Platz aus und erreichten die umliegenden Häuser noch leicht fußläufig. Nur wenige Häuser standen südlich der Pfännerhöhe und der Wolfstraße. Doch schon im Stadtplan von 1899 ist auch eine Linie der Stadtbahn zu erkennen, die vom Hauptbahnhof über den Rannischen Platz bis zum Böllberger Weg führte. Das Liniennetz von 1921 hatte bereits vier Linien, welche alle über den Platz verliefen. Im Stadtplan von 1927 (Abb. 1) werden Straßenbahngleise auf vier der sieben sternförmig auf den Rannischen Platz zulaufenden Straßen dargestellt.



Nur eine dieser vier Straßen, die damalige Lindenstraße bzw. heutige Willy-Brandt-Straße, hat heute keine Straßenbahngleise mehr, die Linie wurde am 30. Juni 1969 eingestellt. Noch heute fahren tagsüber vier Straßenbahn- und eine Buslinie sowie jeweils eine Nachtlinie von Straßenbahn und Bus über den Platz und belegen seine Bedeutung. Doch gerade der rasante Aufstieg in den späten 1880iger bis in die späten 1920iger Jahre zeigt, wie Halle wuchs und sich in Richtung Süden ausdehnte. Der Rannische Platz entwickelte sich zu einer wichtigen Umsteigemöglichkeit und zu einem Zentrum in der Verkehrsführung in Halles südlicher Innenstadt (Abb. 2 und 3).

Die Bautätigkeit direkt am Platz begann in den Jahren vor 1900. So entstand das Haus Steinweg Nr. 28 um 1893. In diesem Jahr erhielt die hier noch heute ansässsige Kronen-Apotheke ihre Konzession. 1888 war das Grundstück von den Franckeschen Stiftungen als Baustelle verkauft worden. Haus Steinweg Nr. 29 ist vermutlich um 1891 erbaut; ab 1892 findet sich hier ein erstes Restaurant. Mindestens 14 verschiedene Gastwirte betreuten bis 1950 hier Gäste, zu DDR-Zeiten bot eine HO-Gaststätte Speisen und Getränke an. Nun stehen Teile der ehemalige Lokalität leer.



Doch das den Platz beherrschende Gebäude ist das Haus Beesener Straße Nr. 1 (Abb. 3). Laut Denkmalverzeichnis der Stadt Halle wurde es 1929 von dem Architekten Wilhelm Ulrich als viergeschossiger Putzbau mit Turmerkern und steilen Zwerchgiebeln erbaut. Dabei kann es sich aber nur um einen Umbau bzw. eines Anbaus eines seit ca. 1914 (bis 1916 1a, dann ab 1917 als Hausnummer 1) bestehenden Gebäudes gehandelt haben. Denn laut Adressbuch sind nachweislich mindestens 11 der Mieter, die bereits 1927 und teils früher dort vermerkt sind, auch 1930 und teils später unter gleicher Adresse zu finden. Das Haus hat eine sehr abwechslungsreiche Vergangenheit vorzuweisen. So finden sich von 1918 bis 1950 circa 84 verschiedene private wie gewerbliche Mieter. Darunter auch so bekannte wie das Kaufhaus Brummer & Benjamin, welches von 1927 bis 1933 hier Modewaren verkaufte bzw. ein Kaufhaus als Zweigstelle betrieb (Abb. 4). Doch seit einiger Zeit steht die Gewerbeeinheit dieses prächtigen Hauses leer. Eine große Drogeriemarktkette war der letzte Mieter.

Zwar ist der Rannische Platz noch immer ein sehr verkehrsreicher Verkehrsknotenpunkt, aber es scheint, als würde der fußläufige Verkehr zu großen Teilen immer häufiger nur im Steinweg stattfinden und der Platz selbst mehr und mehr ein Treffpunkt für Bahnen und Autos werden. So liegt es an den Hallensern, ihren Platz im Süden vielleicht wieder einmal zu Fuß zu erkunden.

(Autor/in: Sven Osada)