Christian Wilhelm von Brandenburg (1587-1665) (Teil 1)

„Der Administrator Christian Wilhelm von Magdeburg gehört zu den persönlich unglücklichsten und durch sein Eingreifen in die großen politischen Dinge verhängnisvollsten Fürsten, die es vielleicht je gegeben.“ Dies schrieb 1896 K. Wittich über eine von der Geschichtsforschung wenig beachtete (zuletzt 1998 N. Lupke-Niederich) politische Gestalt des 17. Jahrhunderts. Dabei ist die Geschichte Christian Wilhelms eng mit dem Schicksal Halles und Magdeburgs, der Entwicklung des mitteldeutschen Raumes sowie den Wirren des Dreißigjährigen Krieges verbunden. Und sie besäße das Format für ein literarisches Drama.

 Geboren 1587 in Wolmirstedt als Sohn des erzstiftischen Administrators und späteren brandenburgischen Kurfürsten Joachim Friedrich wurde er bereits 1598 durch die Wahlkapitulation des Magdeburger Erzstifts zum neuen Administrator und späteren Erzbischof bestimmt. Das mächtige Domkapitel behielt sich wichtige Rechte und Einflussmöglichkeiten vor, zumindest bis zu seinem 21. Lebensjahr. In den folgenden Jahren lenkte dann auch das Kapitel die Geschicke des Stifts, der junge Fürst war eher Spielball des politischen Geschehens. Der Rat der Alten Stadt Magdeburg versuchte zunächst wegen der starken Abhängigkeit Christian Wilhelms vom Domkapitel die Anerkennung zu hintertreiben, in Halle dagegen wurde der neue Administrator 1599 auf einem Landtag durch Vizekanzler Chilian Stisser proklamiert.



Nach der vollen Regierungsübernahme 1608 – bei Anerkennung der Wahlproklamation – scheint er versucht zu haben, mehr und mehr Eigeninteressen durchzusetzen und die reale Macht an sich zu ziehen. Zudem gab es (auch später) unterschiedliche Auffassungen über den kostspieligen Lebenswandel; der Ton in den wechselseitigen Schreiben verschärfte sich. 1614 musste Christian Wilhelm entsprechend den Festlegungen der Wahlkapitulation die Regierung des Erzbistums niederlegen, da er beabsichtigte in den Ehestand zu treten. Sein Hoffen auf Titel und Macht eines ‚Erzbischofs‘ erfüllte sich nicht; das Domkapitel (das in der hitzigen Debatte ihm auch den Übertritt zum Calvinismus vorgeworfen hatte) schränkte seine Rechte weiter ein und gestattete lediglich den Titel und die Befugnisse eines ‚Administrators‘. Eventuell trug die Sorge vor einer dauerhaften brandenburgischen Vereinnahmung des Erzbistums zu diesem Handeln bei. Die Distanz zwischen beiden Parteien wuchs und der Administrator mied anscheinend öfter das begehrte aber schwierige Magdeburg. Viele seiner Erlasse entstanden u.a. in Wolmirstedt und „zu Halle uff unserm Schlosse S. Moritzburg“.

Halle hatte 1608 in Anwesenheit des neuen Kurfürsten Johann Sigismund gehuldigt, 1615 zog Christian Wilhelm nach der Hochzeit mit Dorothea von Braunschweig in die Stadt ein. Die Stadt scheint in den folgenden Jahren zwar nicht alleiniger aber doch wichtiger Standort für den umtriebigen Administrator und Markgrafen gewesen zu sein. Als ein Zeichen für die besondere Wertschätzung kann man auch das in Halle 1616 abgehaltene pompöse Fest anlässlich der Taufe seiner Tochter sehen. Mit einem Umzug, einer Rennbahn auf dem Markt und einem Feuerwerk an der Moritzburg (Kupferstich von C. Grahle) feierte sich ein Fürst im Verständnis seiner Macht.



An vielen Stellen griff der Administrator als Stadtherr in die Geschicke der Stadt ein, wobei nichts über eine Gesamtstrategie bekannt ist: Er förderte den Bergbau (Kohle und Kupfer), erließ eine neue Talordnung (1615), versuchte der Münzverschlechterung durch eine Münzordnung (1622) entgegenzuwirken. Eine funktionierende Wirtschaft garantierte natürlich auch gute eigene Einnahmen (u.a. durch die neue Kopfsteuer von 1623). Auf das Wirken des Administrators gehen die Anlage einer neuen Reitbahn, die Berufung Samuel Scheidts als Hofkapellmeister, die Belebung des Schützenwesens und der Jagd, die veränderte Buß-, Bet- und Festtagsordnung sowie weitere Veränderungen zurück. Christian Wilhelm scheint hier – wenn auch ohne langfristige Wirkung – nahezu alle Bereiche bedacht zu haben. Einen Höhepunkt stellt für Halle die nie umgesetzte Administration von 1625 mit ihren 59 Artikeln dar. Der Dreißigjährige Krieg griff in diese hoffnungsvolle Entwicklung auf unerwartete Weise ein.

(Jürgen Engelhardt, Kulturfalter Februar 2010)