Die Kultur des Casino-Spiels – neu definiert
Casinos gehören zu den ältesten kulturellen Institutionen Deutschlands. Glückspiel um Münzen gab es bereits seit der Antike und übte seit jeher Faszination auf die Menschheit aus, das Roulette Rad kam im 18. Jahrhundert in Frankreich auf, die älteste deutsche Spielbank in Bad Ems wurde 1720 eröffnet. Wer an Casinos im traditionellen Sinne denkt, hat schwere Teppiche, prunkvolle Lüster und elegante Roben vor Augen – lange Inbegriff der luxuriösen geselligen Abendunterhaltung und Teil des gesellschaftlichen Lebens. Zwar wurden die Spielbanken seitdem immer legerer und elektronische Spiele und Slot-Maschinen laufen den Klassikern wie Black Jack oder Poker den Rang ab, doch eine ganz neue Kultur entwickelt sich derzeit aus einem noch relativ jungen Bereich, zumindest in Deutschland: gezockt wird hier mittlerweile vor allem online, per Computer oder Smartphone.
Bedeutet dies das Ende der Casino-Kultur, oder entsteht daraus vielmehr ein ganz neues gesellschaftliches Phänomen, wobei Ton, Grafik, Spielerlebnis und Thematik der Spiele neue Kunstformen hervorbringen und ihrerseits Film und Musik beeinflussen? Vom Ende des Casinos im traditionellen Sinn kann bisher nicht die Rede sein. Auch wenn der Umsatz aus den landbasierten Spielbanken rückläufig ist, ist momentan von einer „friedlichen Koexistenz“ zu sprechen, wobei die Spieler die Vielfalt der Möglichkeiten genießen und schätzen, das sie sehr unterschiedliche Erlebnisse bieten. Von einem Verfall der existierenden Spielbankkultur kann also bisher nicht die Rede sein. Stattdessen tun sich derzeit neue, moderne Kulturformen auf, besonders seitdem der neue Glückspielstaatsvertrag das Zocken Online in Deutschland legalisierte und damit gesellschaftsfähig machte.
Lange galten Online-Casinos als weniger sozial und immersiv als das Erlebnis in einer landbasierten Spielbank. Mittlerweile tut sich jedoch gerade in dieser explosionsartig wachsenden Branche eine Menge – technologischer Fortschritt und die Verbreitung von KI und AR revolutionieren das virtuelle Zocken. Schon jetzt kann man sich bequem von daheim in einem Live Casino einloggen, wo man aus der Ferne an einem echten Spieltisch mit anderen Spielern Platz nimmt, der wiederum von einem echten Croupier verwaltet wird. Bald mag dies per VR-Brille noch realistischer wirken, wobei dem Visuellen keine Grenzen gesetzt sind und man in Sekundenschnelle vom MGM-Casino in Vegas zum Venetian in Macau „reisen“ kann.
Immer ausgefeilter werden auch Grafik- und Sounderlebnisse, die das Spielerlebnis ihrerseits immersiver machen. Softwarehersteller Playtech beispielsweise besitzt in seinem Spielen einiger der besten Grafiken in der Industrie, die denen von Comicfilmen kaum noch nachstehen: komplette Simulationen, 3D, intelligente Animationen und Original-Soundtrack bestachen beispielsweise in den berühmten Marvel-Slots, die in Partnerschaft mit der britischen Gambling-Marke Coral entwickelt wurden, inzwischen jedoch aus lizenzrechtlichen Gründen eingestellt wurden.
Dass man in Sachen grafischer Gestaltung stets neue Akzente setzen will, beweist auch ein deutsches Künstlerprojekt: Online-Casinos wenden sich an die Künstler des städtischen Kunstzentrums Zeche1, wo man sich im Urban Art Center auf Straßenkunst und Graffiti konzentriert. In Slot-Maschinen wird dies zum fesselnden Design, dass, laut der Website von Zeche 1 „auffällige und lebendige Atmosphäre“ schafft und dem Casino-Erlebnis eine „kantige und moderne Note“ verleiht. Die Grafiken werden als Hintergrund auf der Webseite verwendet, zudem werden Slots mit von der Kunst inspirierten Spielethemen entwickelt. Auch im VR-Bereich wird dies spannend, wenn Straßenkunst und Graffiti in die virtuelle Umgebung integriert werden.
Die Software-Entwickler wissen dabei, wie wichtig es ist, die entsprechende Grafik, Farben sowie Sound im Spiel zu integrieren. Farben stimulieren die Gehirnzellen, wobei bestimmte Kunstelemente den Wiedererkennungswert einer Marke fördern. Kunst auf einer Seite lässt das Angebot hochwertiger erscheinen und macht sie damit attraktiver, zudem kann sie die „Thematik“ eines Spiels unterstreichen, wobei erwiesen ist, dass Spieler „Themed Play“ bevorzugen.
Die Themenwelt in Online-Slots ist vielseitig, von Antike und Wild West, über Motorsport, Fantasy, bekannte Filme und Thriller bis hin zu Retro-Games und Spielen mit Arkaden-Charakter. Dabei kommt auch interessante Handlungen zum Tragen, und auch diese werden im Casino-Bereich immer ausgereifter. Die Casino Beats (CBS) Game Developer Awards zeichnen jedes Jahr die besten Online-Casino Spiele aus, wo beispielsweise ELK Studios 2023 den Preis für das beste Game Design & die Art Direction für das Spiel Nitropolis 4 erhielten. Künstlerin Iris Wallner wurde für ihre musikalischen Kompositionen für Gamomat ausgezeichnet, der Game Designer Award ging an Justin Chamberlain für HungryBear Gaming. Awards wie diese bestätigen, dass Online-Casinos der Videospiel- und Filmindustrie kaum noch in etwas nachstehen.
Es bleibt abzuwarten, inwieweit Online-Casinos umgekehrt auch die Filmbranche beeinflussen werden. Bisher wurden klassische Spielbanken zum Schauplatz und zur Thematik vieler spannender Thriller, wie Oceans 11 und 13, Marin Scorcese‘s Casino, Leaving Las Vegas, Rounders sowie diverse James Bond Filme, unter anderem Casino Royal. Aus Deutschland kennt man Lola Rennt und Der Zocker. Online-Casinos liefern neuen Stoff für Krimis und Dramen rund um die Spielerleidenschaft aber auch Spielsucht. Die Online-Casino-Industrie soll in diesem Jahr auf 94 Milliarden Dollar weltweit anwachsen, weshalb anzunehmen ist, dass sich auch Hollywood bald diesem Thema annimmt, und so der populäre Markt die Kunst auch auf diese Weise beeinflusst.