Osteuropa im Schwerpunkt - Literatur im Volkspark

Vom 28. Oktober bis 28. November lädt „Literatur im Volkspark“ wieder außergewöhnliche Autoren und Autorinnen in den Volkspark ein. Dieses Jahr wurde ein osteuropäischer Schwerpunkt gesetzt: Juri Andruchowytsch, einer der maßgeblichen Intellektuellen der Ukraine, und die ukrainisch-deutsche Autorin Katja Petrowskaja (Foto) werden nicht nur ihre neuen Bücher vorstellen, sondern auch über die aktuelle Situation in ihrem Heimatland sprechen. Katerina Poladjan, gebürtige Moskauerin, befasst sich in ihrem Roman mit dem Russland der 80er-Jahre, eine Zeit, in der der Aufbruch spürbar war. Auch der deutschsprachige Erzähler Norbert Gstrein und die Lyrikerin Uljana Wolf stellen ihre neuen Bücher vor. Außerdem wird die Hallenser Illustratorin Lucie Göpfert für Kinder ab vier Jahren lesen. Die Bandbreite der in den Büchern behandelten Themen ist weit gefasst. Es geht um Musik, Revolution und Bedrohung, eine Kommunalka in Sibirien, Geschwisterliebe und Begehren, Fotografien und die darin verborgenen Geschichten, und es geht um Poesie sowie Leben und Schreiben zwischen den Sprachen. „Literatur im Volkspark“ wird gemeinsam von der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle, der Stadt Halle und dem Volkspark Halle e. V. ausgerichtet und findet dieses Jahr zum vierzehnten Mal statt. Die Lesung mit Uljana Wolf wird in Zusammenarbeit mit den Studierenden der Burg Giebichenstein, Louisa Engel, Youshua Kesting, Teresa Weißert und Julia Wirtz konzipiert und moderiert.



Juri Andruchowytsch / am 28.10. um 19.30 Uhr im Volkspark

Radio Nacht

Der ukrainische Schriftsteller Juri Andruchowytsch eröffnet mit seinem neuen Roman „Radio Nacht“ die Veranstaltungsreihe. In dem Roman geht es um den Barrikadenpianisten Josip Rotsky, der die Revolution in seiner Heimat unterstützt. Ein Mann unklarer Identität, der im Exil sein Geld als Salonmusiker verdient. In einem Schweizer Hotel muss er für den Diktator seines Landes spielen – und wird unbeabsichtigt zum Attentäter. Nach der Haft zieht sich Rotsky in die heimatlichen Karpaten zurück. Der Geheimdienst ist ihm auf der Spur. Er flieht nach Griechenland. Erst auf der Gefängnisinsel am Null-Meridian ist Schluss. Dort sendet sein Radio Nacht rund um die Uhr Musik, Poesie und Geschichten. Andruchowytschs Buch ist bereits 2020 in der Ukraine erschienen. Als Revolutionssaga, Agententhriller und burleske Biografie, bewegt sich der Roman am Rande der Absurdität und ist dennoch von großer Aktualität. Denn er erzählt von Bedrohung und Revolution in einem Land, das an die Ukraine erinnert. Juri Andruchowytsch, geboren 1960 in Iwano-Frankiwsk/ Westukraine, dem früheren galizischen Stanislau, wo er auch heute lebt, ist einer der bekanntesten intellektuellen Stimmen der Ukraine. Er studierte Journalistik, veröffentlichte Lyrik, Essays und Romane, die zum Teil in 20 Sprachen erschienen sind. Ausgezeichnet wurde er u. a. mit dem Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung 2006 und der Goethe-Medaille 2016.

 

Norbert Gstrein / am 8.11. um 19.30 Uhr im Volkspark

Vier Tage, drei Nächte

Der Österreicher Norbert Gstrein setzt mit seinem Roman „Vier Tage, drei Nächte“ am Dienstag die Literaturreihe fort. In Gstreins Kammerspiel geht es um menschliche Beziehungen und ihre Abgründe, um Geschwisterliebe und Begehren. Keiner liebt Ines so wie Elias. Doch er ist ihr Bruder. Noch jeden Liebhaber seiner Schwester hat er an sich gezogen und wieder weggestoßen. Als alle zu Hause bleiben sollen und die Welt im Lockdown kurz wie eingefroren ist, besucht Carl, der wie Elias als Flugbegleiter arbeitet, die Geschwister. Doch es streicht noch ein Mann ums Haus, und plötzlich sind jeder Blick und jede Berührung aufgeladen. Was alles hat Elias für seine unmögliche Liebe zu Ines bereits getan? Was wird Ines Carl antun? Wieder hat Gstrein ein verblüffend aktuelles Buch geschrieben, voller Schönheit, Provokation, Spannung und Trauer. Der 1961 in Tirol geborene und in Hamburg lebende Norbert Gstrein zählt zu den stilistisch profiliertesten deutschsprachigen Erzählern. Er studierte Mathematik in Innsbruck, Stanford und Erlangen. Seine Bücher wurden vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Österreichischen Buchpreis 2019, Düsseldorfer Literaturpreis und Thomas Mann Preis 2021.

 

Katerina Poladjan / am 15.11. um 19.30 Uhr im Volkspark

Zukunftsmusik

Katerina Poladjan stellt ihren Roman „Zukunftsmusik“ 15. November vor. Während heute der Russland-Krieg in der Ukraine die Welt in Atem hält, spielt das Buch im Jahr 1985, als Michail Gorbatschow Generalsekretär der KP wird. Es ist eine Zeit, in der man Aufbruch und Hoffnung in der Sowjetunion verspürte. Doch von dieser Zeitenwende ahnen die Bewohner/-innen einer Kommunalka im fernen Sibirien nichts. Großmutter, Mutter, Tochter und Enkelin leben hier auf engstem Raum zusammen. Wer interessiert sich für Politik, wenn man sich Bad, Toilette und Küche mit anderen Familien teilen muss? Changierend zwischen Ernsthaftigkeit und skurrilem Humor, zwischen historischen Fakten und Satire erzählt Katerina Poladjan von einem Land, das sich nicht für die Lebenswirklichkeit seiner Menschen zu interessieren scheint. Katerina Poladjan, 1971 in Moskau geboren, lebt seit 1979 in Deutschland und studierte Philosophie und Kunst. Sie schreibt Romane, Essays und Theatertexte. Ihr Buch „Hier sind Löwen“ war 2019 für den Deutschen Buchpreis nominiert. 2022 erhielt sie für „Zukunftsmusik“ den Chamisso- Preis/Hellerau und den Rheingau Literatur Preis.



Lucie Göpfert / am 16.11. um 10 Uhr im Volkspark

Die Ferkel sind los

Lucie Göpfert liest aus „Die Ferkel sind los“ am 16. November für Kinder ab vier Jahre. In ihrem Buch geht es um die Hängebauchferkel Karl, Konrad, Knut und Kurt. Und die lieben Schweineopa Hansis Geschichten. Begeistert lauschen sie ihm, als er eines Tages von einem Ungeheuer namens Waschlumba erzählt. Doch gerade, als es so richtig spannend wird, schläft der Schweineopa ein. Ob es diesen Waschlumba wirklich gibt? Mutig machen sie sich auf die Suche. Dabei begegnen sie dem dreibeinigen Schaf Curry, der singenden Eseldame Hermine und vielen anderen Bewohner/-innen des Begegnungs- und Gnadenhofs im Dorf Sentana. In ihrem Bilderbuch erzählen die Illustratorin Lucie Göpfert und die Autorin Christiane Wittenburg von den Tieren dieses Hofes, den es tatsächlich in Bielefeld gibt. Lucie Göpfert, geboren 1983, studierte an der BURG, liebt lustige Tiere und schräge Charaktere und lebt mit ihrer Familie in Halle. Sie illustriert Geschichten, Rätsel und Spiele für verschiedene Verlage wie z. B. Moses, EMF, dtv und Fischer. Außerdem zeichnet sie für Museen und Theater. Lucie Göpfert erhielt neben verschiedenen Stipendien auch das Heimatstipendium#2.

 

Katja Petrowskaja / am 24.11. um 19.30 Uhr im Volkspark

Das Foto schaute mich an

Katja Petrowskaja befasst sich in „Das Foto schaute mich an“ auf einzigartige Weise mit Fotografie. Das lang erwartete neue Buch der deutsch-ukrainischen Autorin, die mit Ihrem Debüt Vielleicht Esther 2014 berühmt wurde, enthält eine Auswahl von Fotos und den dazugehörigen Kolumnen, die sie seit 2015 für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung geschrieben hat. Ein Foto trifft den Blick der Betrachterin und lässt sie nicht los. Das rauchvernebelte Gesicht eines Grubenarbeiters im Donbass, eine alte Frau im Kaukasus, die der Sessellift in den Himmel trägt, oder ein Mädchen auf einem Bahndamm im Ruhrgebiet. Hier hat die Autorin ein eigenes Genre geschaffen, in dem sich Landschaft, Zeitgeschichte, Biografie und Form zu Prosaminiaturen verdichten. Subjektive Betrachtungen verbinden sich mit geschichtlichen Dimensionen. Den intimen Moment des Staunens verwandelt Petrowskaja in eine behutsame Sprache, die das Unverwechselbare, eine Wahrheit im Augenblick offensichtlich macht. Die kleinen Texte zur Fotografie sind große Literatur und werden von der NZZ in eine Reihe mit Susan Sonntag, Walter Benjamin, Roland Barthes und W. G. Sebald gestellt. Katja Petrowskaja, 1970 in Kiew geboren, lebt seit 1999 in Berlin und zurzeit auch in Tbilissi. Sie studierte in Tartu, Stanford und Moskau Literaturwissenschaft und ist als Journalistin für deutsch- und russischsprachige Medien tätig. Ihr literarisches Debüt Vielleicht Esther, 2014, über ihre jüdischen Vorfahren in Kiew wurde ein Welterfolg, in über 30 Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet.

 

Uljana Wolf / am 28.11. um 19.30 Uhr im Volkspark

Gedichte, Gossip, Essays und Reden

Uljana Wolf schließt mit „Etymologischer Gossip. Essays und Reden“ die diesjährige Ausgabe von „Literatur im Volkspark“. Die Gedichte der mit dem Preis der Leipziger Buchmesse (Sachbuch) 2022 ausgezeichneten Lyrikerin und Übersetzerin Uljana Wolf spielen mit Klangverwandtschaften, Versprechern, Verlesern und dem Crossover von verschiedenen Sprachen. Dabei reflektieren sie Identität und interkulturelle Erfahrungen. Die Texte sind geprägt von ihrer Arbeit als Übersetzerin und Pendlerin zwischen Deutschland und den USA, zwischen deutscher und englischer Sprache. Die in Etymologischer Gossip versammelten Essays und Reden geben einen spannenden Einblick in Wolfs vielsprachiges Denken und ihrer Übersetzungstätigkeit. Funkelnd und hellhörig entwirft sie eine Poetik der Beziehungen, die auch als intellektuelle und poetische Autobiografie zu lesen ist. Uljana Wolf, Lyrikerin und Übersetzerin, geboren 1979 in Ost-Berlin, veröffentlichte vier Gedichtbände, die in 15 Sprachen übersetzt wurden und zahlreiche Preise erhielten.