Zum Teil über sich selbst

Elke Heidenreich ist eine deutsche Schriftstellerin, Literaturkritikerin, Kabarettistin, Moderatorin und Journalistin. Bekannt wurde sie durch die Moderation zahlreicher Fernseh- und Hörfunksendungen und sie ist vielen Kindern durch ihr Buch Nero Corleone bekannt. Im Januar konnte man sie im neuen Theater erleben. Kulturfalter-Redakteur Martin Große sprach mit ihr über Nero, das Lesen und Schreiben …

Sie lesen in Halle aus „Männer in Kamelhaarmänteln“ und „Hier geht’s lang“. In dem einen Buch geht es um ihre Kleidungsstücke und im anderen um Literatur, die sie gelesen haben. Bilden die beiden Bücher eine Art von Biografie oder Teile davon?
Ich glaube, jeder der schreibt, schreibt zum Teil über sich selbst. Trotzdem sind die „Männer in Kamelhaarmänteln“ einfach Geschichten über Kleidung. Jeder kennt das ja, dass man bestimmte Lieblingsstücke hat, an denen man hängt und die einen eine Weile begleiten. Aber „Hier geht’s lang“ ist ganz bewusst eine Autobiografie anhand von Büchern, die ich in meinem Leben gelesen habe. Man könnte es eher Sachbuch bezeichnen.

Ich habe mich gefragt, ob da noch ein drittes Buch kommt mit dem Thema Musik? Auch die prägt und begleitet einen ja in bestimmten Zeiten.
Das habe ich bereits geschrieben. (lacht) Das heißt „Passione“. Da habe ich über Verdi und Venedig, die Stadt der Musik, geschrieben. Aber das war ja jetzt kein Wettstreit, dass ich das und das aus meinem Leben noch schreiben wollte. „Die Männer in Kamelhaarmänteln“ sind als kleine  Geschichten im Laufe der Zeit entstanden. Aber weil mich die Menschen in Interviews oder bei Lesungen gefragt haben, wie das denn angefangen hat mit dem Lesen, habe ich „Hier geht’s lang“ geschrieben, um das zu erzählen.



Sie haben ihr ganzes Leben lang viel mit Literatur zu tun gehabt, aber erst spät angefangen mit schreiben. Was gab dann den Anstoß, selber zu schreiben?
Ich habe jahrelang für den Funk geschrieben, Texte, Drehbücher, Hörspiele und Hörstücke, das waren in dem Sinne keine Romane. Und irgendwann habe ich meine Texte, die ich für Funk geschrieben habe, auch als Buch veröffentlicht – also meine Kabaretttexte als Else Stratmann. Aber meine ersten literarischen Erzählungen erschienen als Buch bei Rowohlt eben erst als ich 50 war unter dem Titel „Kolonien der Liebe“. Einen Roman habe ich erst später gemeinsam mit meinem damaligen Mann Bernd Schröder geschrieben, der hieß „Alte Liebe“. Er schrieb die Männerkapitel und ich die Frauenkapitel. Ich selbst habe alleine noch nie einen Roman geschrieben.

Wie war das damals, als Sie quasi die Seiten gewechselt haben? Hatten Sie Angst vor der Literaturkritik?
Das war sehr aufregend damals. Ich hatte Angst, dass man mich als Kabarettistin abstempelt. Weil ich ja lange die ulkige Frau Stratmann war. Ich hatte Angst, dass man das verwechselt. Hat man aber nicht. Die Kritik ist von Anfang an sehr sanft mit mir umgegangen, und ich hatte Mut, weiterzumachen.

Wie kamen Sie denn eigentlich dazu, Comedy zu machen?
Das war beim SWF3. Das war ein junger Popsender für junge Leute. Und da hatten alle, die moderierten, also auch ich, sich so eine Figur ausgedacht. Meine Figur war nur die berühmteste von allen, weil es damals so wenig Frauen im komischen Sektor gab und weil ich zweimal die Olympischen Spiele mitgemacht habe – in Seoul und Los Angeles. Dadurch war ich so bekannt. Weil ich aber Angst hatte um mein literarisches Schreiben, habe ich die Figur 1988 beerdigt . 1992 kam dann mein erstes Buch heraus.


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Eines Ihrer bekanntesten Bücher ist „Nero Corleone“. Hat dieser Erfolg Ihr Leben sehr verändert?
Nero Corleone war ein Kinderbuch, das ich mit ganz leichter Hand nebenbei geschrieben habe. Und dass das so ein Erfolg war, hat mich finanziell unabhängig gemacht. Ich konnte mein Haus kaufen. Es hat aber mein Leben nicht tiefgreifend verändert. Mein Leben ist seit Mitte der 70er-Jahre auf einer Schiene geradeaus gegangen, also Schreiben, Radio und Fernsehen. Und das wäre auch ohne Nero genauso verlaufen. Das Buch war ein Lottogewinn, aber es hat mich nicht aus der Bahn geworfen.

Sie haben Nero Corleone als Hörbuch herausgebracht. Ist Ihnen wichtig, Ihre eigenen Werke zu sprechen?
Ja, das ist mir schon wichtig. Ich möchte, dass die nach mir klingen und meinen Sound haben. Also habe ich die alle selber gesprochen. Die stehen auch hier alle in meinem Regal. Aber ich habe die nie wieder angehört.

Warum?
Man hört sich ja nicht gern selber. Da geht es mir wie vielen Menschen.



Sie haben auch Texte anderer Autoren als Hörbücher gelesen. Macht man sich dabei Gedanken über die Intentionen und Vorstellungen des Schreibers?
Im Grunde nicht, denn bei den Büchern, die ich gelesen habe, lebt der Autor nicht mehr. Der Text muss zu mir sprechen, sonst kann ich das nicht machen. Ich muss den Text begreifen und mögen, dann kann ich das sprechen. So habe ich zum Beispiel Dorothy Parker gelesen. Das war sicher
mein bestes Hörbuch. Das hätte man als Schauspielerin und mit Atemtechnik und so nicht richtig lesen können. Dorothy Parker brauchte etwas Freches und Temperament, und dafür hatte ich die richtige Stimme.

In den Coronalockdowns – Wie haben Sie die Zeit verbracht – mit einem großen Berg Bücher? – Glücklich, einmal Zeit zu haben?
Ich habe ein neues Buch geschrieben, das im Herbst rauskommt. Ich habe viel gelesen. Im Grunde war mein Leben nicht viel anders. Ich war zu Hause und habe gelesen und geschrieben. Das sind beides recht einsame Akte. Mir haben nur die Lesereisen gefehlt und der Kontakt zum Publikum sowie der Kontakt zu Menschen. Ohne Input klarzukommen und dass man mal seine Akkus aufladen konnte, das hat gefehlt. Ich denke, insgesamt bin ich gut mit der Situation klargekommen, aber jetzt ist auch mal wieder gut.

Frau Heidenreich, vielen Dank für das Gespräch.