Hansen Hoepner - Erholung war es nicht

Die Zwillingsbrüder Paul und Hansen Hoepner, Jahrgang 1982, sind begeisterte Abenteurer. Sie fuhren bereits mit dem Fahrrad nach Shanghai oder reisten auf den Spuren von Phileas Fogg „In 80 Tagen um die Welt“ und das ohne einen Euro in der Tasche. Funktioniert das? Sie schrieben darüber das Buch „Zwei um die Welt“ und erzählen auf der Fernlichtmesse im November in Leipzig über ihre Abenteuer. Kulturfalter-Redakteur Martin Große sprach mit Hansen Hoepner über das Reisen ohne Geld.

Wie seid ihr auf die Idee gekommen?

Das war ein längerer Prozess. Wir wollten etwas anderes als Radfahren machen und uns vom Fahrzeug entfernen. Wir hatten Ideen, wie ‚Survival in Deutschland‘ oder `Durch Europa ohne Geld`. Schließlich kamen wir auf die Idee eine Reise wie in Jules Verne`s Roman „In 80 Tagen um die Welt“ zu machen. Allerdings ist das heute extrem einfach, zumal die Hauptfigur Phileas Fogg mit 20.000 Pfund in der Tasche reist. Aber wir wollten ein Abenteuer daraus machen. Deswegen wollten wir ohne Geld reisen.

Haben Sie sich bei Ihrer Reiseplanung an der tatsächlichen Route orientiert?

Ein klein wenig hat uns die Route inspiriert, allerdings reisten wir andersherum und waren mehr auf der Nordhalbkugel unterwegs.

Was hattet ihr an Gepäck mit dabei?

Jeder von uns hatte einen Rikschaanhänger dabei. Auf diese passte alles, was wir brauchten. Also Schlafzeug, Kamera, Werkzeug, denn wir wollten arbeiten, um die Reise zu bezahlen. Der Rest war Standard Campingausrüstung, also Kocher, Geschirr etc. alles nichts Außergewöhnliches.

Ihr seid also ohne Geld in Berlin gestartet … Wie waren denn die ersten Erfahrungen? Wie seid ihr aus Deutschland weggekommen?

In Deutschland sind wir sehr viel getrampt. Am Anfang war es sehr hart und wirklich demotivierend. Wir haben drei Tage gebraucht, um aus Berlin herauszukommen. Um Geld zu verdienen, haben wir Ringe hergestellt und verkauft. Wir sind wirklich aus dem Haus, ohne Geld und brauchten erstmal ein Frühstück. Aber je weiter wir von zu Hause weg waren, umso überzeugender und einzigartiger war unsere Geschichte und infolgedessen war es dann auch einfacher. In unserer ersten Station Lissabon, war das Geld verdienen schon wesentlich einfacher.

Wie lange plant man so ein Projekt im Voraus?

Es gab eine relativ kurze Planungsphase, die begann zwei Jahre vor der Abreise. Die war aber allgemein über die Idee. Die intensive Planungsphase dauerte ein halbes Jahr. Wir machten einen Vertrag mit einem Buchverlag, besorgten die Kameraausrüstung, Gesundheitschecks, die sonstige Ausrüstung war Standard. Man kann nicht allzuviel planen ohne Geld. Deswegen war die intensive Planungsphase kürzer als mit Geld.

Was dachtet ihr sind eure Talente, die es euch ermöglichen, unterwegs zu arbeiten?

Wir haben uns sehr verschieden entwickelt. Paul ist der digitale von uns. Ich bin Goldschmied, also der handwerkliche Designer. Paul hat Erfahrung im Verkauf und macht Websiten. Zusammen haben wir eben Schmuck gemacht, aus etwas was nichts wert ist. Wir wollten daraus etwas fertigen, was man verkaufen kann. Es war uns wichtig, nicht zu betteln.



Als was habt ihr schließlich gearbeitet? Konntet ihr eure Fähigkeiten nutzen?

Wir haben bei einem Umzug geholfen. Waren Zimmermann. Wir haben Witze erzählt, Fahrräder repariert, wir haben geholfen, wenn wir gesehen haben, dass jemand Hilfe braucht. So sind wir in Kontakt gekommen, daraufhin wurden wir eingeladen und weiterempfohlen. Und natürlich haben wir Schmuck verkauft. In Lissabon ging das zum Beispiel recht schnell. Als wir dort waren, spielte gerade Sporting Lissabon gegen Benefica Lissabon. Die gesamte Stadt also voller Fans und wir haben aus Kronkorken mit den Emblemen Schmuck gemacht. So verdienten wir in kurzer Zeit viel Geld.

Was war der ungewöhnlichste Job?

Der ungewöhnlichste Job war in Vancouver. Dort haben wir einem Unternehmen bei einem Umzug geholfen. Wir saßen eben noch am Strand und einen Tag später standen wir in Arbeitskluft in einem Skyscraper und räumten eine edle Anwaltskanzkanzlei aus. Das fühlte sich sehr merkwürdig an, weil wir uns dort wie Fremdkörper vorkamen.

Gab es Jobs, die ihr abgelehnt habt?

Nein. Wir haben keine unmoralischen Angebote oder so bekommen. Wir haben nichts abgelehnt, denn wir wollten nicht wählen können. Sonst hätten wir irgendwo in kurzer Zeit viel Geld verdienen können und wären dann weitergereist. Wir wollten Vorurteile überwinden und haben alles gemacht. Dabei haben wir nur gute Erfahrungen gemacht. Eigentlich ziemlich märchenhaft.

Gab es brenzlige Situationen?

Brenzlig war es nur am Ende. Klar hatten wir zwischendurch mit Magen-Darm-Problemen zu kämpfen. Aber echt auf der Kippe stand das Ganze in Moskau, als bei mir das Dengue-Fieber ausbrach. Da wir es in den 80 Tagen nicht geschafft hatten, haben wir dann 100 Tage als neues Ziel gesetzt. Und dann musste ich am Tag 96 ins Krankenhaus. 

Auf so einer Reise passieren sicher viele unvorhergesehene Dinge. Hattet ihr einen Notfallplan?

Einen Plan B oder so hatten wir nicht, denn sonst hätte es nicht funktioniert. Uns war klar: ‚Einmal losgefahren, gibt es kein Zurück.‘ Allerdings hatten wir für unsere Kameraausrüstung eine Kreditkarte mit, denn wir brauchten zwischendurch Equipment dafür. Und wir haben diese auch nur dafür genommen. Wäre aber etwas ganz schlimmes passiert, dann wäre das eine Möglichkeit gewesen. Zum Glück trat das nicht ein, aber es war schon eine große Versuchung sie zu benutzen und es kostete viel Kraft, es nicht zu tun. Wir hatten für die Reise ein paar Regeln: 1. Ohne Geld und Wertsachen losfahren. 2. Kein Internet/ Socialmedia, also Hilfe via Facebook oder Couchsurfing. 3. Möglichst über Land reisen, also kürzeste Flüge. 4. Nicht betteln. Und die haben wir eingehalten.

War die Reise es eher Stress oder Erholung?

(Lacht) Es war auf keinen Fall Erholung. Ich würde es nicht nochmal machen und kann es aber trotzdem empfehlen. Man ist gleichzeitig abhängig und frei ohne Geld. Allerdings hatten wir auch erhebliche moralische Zweifel an dem Projekt, weil wir viel Armut gesehen haben und zugleich enorme Hilfsbereitschaft. Wir wollten wirklich schon aufgeben, doch eine Gruppe ältere Männer überzeugte uns, weiterzumachen.

Ihr habt die Hilfsbereitschaft vieler Menschen genutzt und verdient nun damit Geld, ist das ein Zwiespalt für euch?

Ja, das ist es. Das ganze Geld, was wir mit dem Buch und den Vorträgen verdient haben, bisher ca. 4000 Euro, haben wir an Projekte gespendet, die wir unterwegs kennenlernen durften. Und wir haben auch Menschen unterstützt, die uns geholfen haben. So haben wir zum Beispiel einer Thailänderin ein Studium ermöglicht. Keiner von ihnen hat das verlangt, aber wir wollten so etwas zurückgeben.

Was können die Leute aus euren Vorträgen mitnehmen?

Wir machen sogenannte Multivisionsshow mit Videos, Textpassagen und Grafiken. In unseren Vorträgen versuchen wir zu vermitteln, das man häufig die Welt einseitig angeschaut. Jeder hat Vorurteile, das ist normal. Man schätzt vorschnell ein und lernt, damit umzugehen. Wenn man das nicht ignoriert, kann man etwas dagegen unternehmen. Die Welt ist ein Ort, der sich immer neu zeigt und mit Vorteilen fährt man schlecht …

Wart ihr schon als Kinder Abenteurer?

Das wurde uns von unserem Vater in die Wiege gelegt und wir haben es dann ausgebaut. Wir waren als Kinder in den Alpen wandern und erlebten schon früh viele Outdoorabenteuer. Mit 14 wollten wir eine Radtour um den Bodensee machen und sind kläglich gescheitert.

Erfüllt ihr die Träume anderer?

(überlegt) Ja, ich hoffe. Es sind zwei Arten von Träumen von denen wir ab und zu erfahren. So hat sich ein 19-Jähriger ebenso wie wir mit dem Rad nach Shanhai aufgemacht. Und in unseren Vorträgen bekommen wir oft das Feedback, dass wir das zeigen, was andere - aus welchen Gründen auch immer - nicht sehen können.

Herr Hoepner, vielen Dank für das Interview.

Mehr Infos über die Zwillinge gibt es hier:www.hoepner-hoepner.de,

Multivisionsshow „Zwei um die Welt“ am 25.11. um 14.30 Uhr, Fernlichtmesse 2017, Kongresszentrum am Zoo, Leipzig, www.fernlicht-messe.de

Buch „Zwei um die Welt“, Piper Verlag, 19,99 Euro



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