Tiere streicheln Menschen über das Leben im Allgemeinen und Speziellen

Das Duo „Tiere streicheln Menschen“, bestehend aus den Sven van Thom (Sven Rathke) und Martin Gottschild ist seit vielen Jahren auf den Bühnen der Welt erlebbar. Ihre würzige Actionlesung begeistert die Radiohörer ebenso wie das Live-Publikum von Dresden bis Rostock. Sowohl Sven als auch Martin haben eine spartenübergreifende künstlerische Biografie. Man könnte sogar soweit gehen und das „K“-Wort nutzen, also sie als Kleinkünstler bezeichnen. Aber ist dem so? Kulturfalterredakteur Martin Große sprach mit den beiden Menschen über Tiere, gestreichelte Menschen und vieles mehr…

Ihr seid am 19. Juli wieder Open Air in Halle zu erleben. (Tickets gibts bei uns im Shop) Wie bereitet ihr euch auf so einen Abend vor? Steht das Programm schon fest?

Sven: Wir basteln über Monate unabhängig voneinander vor uns hin und erzählen uns vielleicht hin und wieder, wie wir so vorankommen. Am schönsten ist aber eigentlich der Moment, wenn wir bei der ersten gemeinsamen Show den jeweils Anderen mit unserem neuen Quatsch überraschen können.

Ihr arbeitet meist dann, wenn andere frei haben. Wie sieht ein normaler Arbeitstag bei euch aus?

Sven: Gestern zum Beispiel lag ich vom Vormittag bis etwa 17.30 Uhr im Bett und habe versucht, an verschiedenen Liedfragmenten weiterzuarbeiten. Das Ergebnis war ein grenzwertiger Schlager namens „Warme Liebe und Kartoffelsalat“. Ein ganz normaler Arbeitstag - eben nur im Liegen!

Gotti: Ich informiere mich beim Frühstück erstmal ausführlich über die aktuelle Weltlage, um zu schauen, ob sich Arbeit überhaupt noch lohnt. Dann weine ich mich in den Mittagsschlaf, wache mit schlechtem Gewissen auf, schreibe eine 1/4 Seite, hole meine Tochter aus dem Kindergarten ab und kriege echt schlechte Laune, wenn sich beim Sandmännchen "Ponorondo" mal wieder so bescheuert verzaubert. Dann schaue ich zur Beruhigung einen Film aus den 60er oder 70er Jahren und schreibe im Anschluss, mit Tränen in den Augen noch eine halbe Seite. Am nächsten Morgen stelle ich dann regelmäßig fest, dass so nicht weiter geht, und alles beginnt von vorn.

Ihr seid beide in mehreren Bereichen künstlerisch aktiv – Musiker, Autor, Komiker oder Schauspieler – Könnt ihr kurz erzählen, wie ihr eure Talente entdeckt habt?

Sven: Dass ich Musik machen wollte, wusste ich bereits als Sechsjähriger. Die Erkenntnis dass Komik mir mehr liegt als ernsthafte Kunst, musste ich erst im Erwachsenenalter lernen anzunehmen, unter anfänglichem Widerwillen.

Gotti: Mein Vater hat Gitarre gespielt, meine Mutter Akkordeon. Sich selber beim singen begleiten zu können, fand ich schon immer sehr reizvoll, da ich das Zusammensein mit anderen Menschen oft als einen qualitativen Einschnitt in meine kostbare Freizeit empfand. Die Idee, Kurzgeschichten vom Blatt vorzulesen, kam mir, weil ich mir nie sicher war, ob es im Atombunker genug Steckdosen für alle anwesenden E-Gitarristen gibt. Beim Geschichtenerzählen wäre ich auch stromlos einsatzbereit. Das ich angeblich lustig bin, lässt mich hingegen eher verzweifeln, da sich dadurch mein Verdacht erhärtet, dass meine an und für sich sachlichen Argumente zu tagesaktuellen Themen von vielen Menschen einfach nicht ernst genommen werden.



Gab es einen Punkt in eurer Karriere, an dem ihr entschieden habt „Jetzt lebe ich davon, was ich hier mache und bleibe dabei“ oder seid ihr in euer Leben so hineingerutscht?

Sven: Also, ich zumindest hatte neben der Musik nie einen Plan B. Es fühlt sich rückblickend so an, als hätten wir einfach immer vor uns hingebastelt und geschrieben, und der Rest hat sich eben so ergeben. Dabei vergesse ich allerdings gerne mal, wieviel Fleißarbeit doch eigentlich dahintersteckt, sich ständig Neues Zeug auszudenken.

Martin: Na reingerutscht sind wir nicht, aber bedächtig und ohne Gipfelstürmereien im Kopf den Berg hochgelaufen, ohne ständig nach dem Weg zu fragen, aber auch ohne große Angst, des Nächtens kein Dach über dem Kopf mehr zu finden. Unser Weg war aber auch gesäumt von vielen entwürdigenden Nebenjobs, die dann auch noch deutlich besser bezahlt waren, als das was wir mit Leidenschaft taten: kurzweilige Geschichte singen oder erzählen.

Wolltet ihr auch mal alles hinschmeißen und wenn ja, warum habt ihr es nicht getan?

Gotti: Weil die Alternativen mir noch viel furchtbarer erschienen. Ich bin gelernter Einzelhandelskaufmann.

Einige eurer Geschichten sind Beobachtungen aus eurem direkten Umfeld. Verhalten sich eure Freunde euch ‚anders‘ gegenüber, weil sie Angst haben, dass ihre Geschichten im Radio erzählt werden?

Sven: Ich habe mittlerweile keine Freunde mehr. Die immer mit ihrer „Privatsphäre“! Mimimimimiiii!

Martin: Ja, es passiert schon erstaunlich oft, dass Leute, wenn sie in einer geselligen Runde eine schöne Schnurre aus ihrem Privatleben erzählen, kurz innehalten, mich anschauen und sagen: "Aber nicht, dass ich mich in einer deiner Geschichten wiederfinde!" ich beruhige sie dann immer, indem ich ihnen versichere: so etwas mache ich nicht, das wäre unmoralisch. Am Ende warte ich aber einfach ein halbes Jahr, verändere die Vornamen leicht und schreibe Mathias z.B. mit zwei t und ohne h. Oder Conny mit K. Mehr kann ich nicht für sie tun. Ich bin kein Blut- aber berufsbedingt ein Geschichtensauger.

Bei einer Actionlesung ist das Publikum immer direkt mit Bestandteil der Show – welche Momente aus vergangenen Shows sind euch besonders im Gedächtnis geblieben?

Sven: Einmal, im Herbst 2014 in Leipzig, da haben welche gelacht. Daran denke ich gerne zurück.

Gotti: Oh, ja, das war was! Das sind so Momente im Leben, die vergisst man nicht. Ansonsten lassen wir das Publikum aber in Ruhe, gerade die erste Reihe, wer den Eintritt bezahlt, muss sich nicht auch noch verarschen lassen, um dem Künstler so den Zugang zum restlichen Publikum zu erleichtern. Ich finde sowas sollte grundsätzlich verboten sein.


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Mit wem würdet ihr gerne mal gemeinsam auf einer Bühne stehen?

Sven: Wir haben jetzt schon mehrere Male Christiane Rösinger angefragt, ob sie bei unserem Open-Air in Berlin auftreten würde. Als Antwort kommt aber immer: „An sich gerne, aber da bin ich im Urlaub.“ Wir bleiben dran!

Arbeitet ihr parallel auch an neuen Projekten und wenn ja welchen?

Sven: Ich habe ja im vergangenen Jahr meine Kinderlieder-Platte rausgebracht und spiele seit Kurzem auch Kinderkonzerte. Und das wird ganz bestimmt nicht mein letztes Kinderalbum sein.

Gotti: Hier merkt man wieder einmal, dass es Svens effektivstes Marketinginstrument ist, Angst und Schrecken zu verbreiten. Ich versuche das auch, z.B. als Darsteller im Kinofilm "Leif in Concert", der im Juni auf dem Münchner Filmfest seine Premiere feiert.

In Halle seid ihr schon öfters gewesen, was verbindet euch mit der Stadt und habt ihr Lieblingsorte die ihr gerne besucht, wenn ihr hier seid?

Sven: Früher waren wir süchtig nach der heißen Schokolade im Roten Horizont. Mittlerweile sind wir aber auf härteres Zeug umgestiegen: Die Eierkuchen im Kaffeeschuppen! Ein bisschen vermissen wir vielleicht die Abende in der Drushba, wo wir zehn Jahre lang regelmäßig aufgetreten sind. Irgendwann wurde es Zeit umzuziehen, aber die Stimmung dort war immer grandios.

Gotti: Oh ja!

Wie sieht ein idealer Sonntag für euch aus?

Sven: 5 Stunden Stau auf der A 9 und kein Handyempfang - endlich mal Ruhe!

Gotti: Ausgiebiges Frühstück mit guter Käseauswahl und einer Kanne Kaukau im Wohnzimmer, dabei "Luzie, der Schrecken der Straße", "Der fliegende Ferdinand" oder mal wieder eine Folge "Pan Tau" schauen, dann am Nachmittag zum Kaffeetrinken und Kuchen essen ins Café Schönbrunn setzen, dann aber doch schon eine Flasche "Schmetterlinge im Bauch" bestellen, weil die Sonne so schön scheint und die Vögel so schön zwitschern und weil sich alles so warm und weich und golden und richtig anfühlt. So als ob wirklich alles gut wäre. Eine Illusion, die dann hoffentlich bis zum Sonnenuntergang feuchtfröhlich anhält. Dann "Addio A Cheyenne"-pfeifend nach Hause schlurfen, in der Hoffnung, dass einem das schlafende Kind nicht von den Schultern rutscht.

Vielen Dank für das Interview.

Die Tickets für den großartigen Auftritt der beiden am 19. Juli, bekommt Ihr übrigens in unserem Ticketshop.