Neo-Western mit „Kaffee und Kippen“

Julius Jendrezok und Johannes Prondzinsky – unter dem Namen „The Grandmaster Productions“  bekannt - sind leidenschaftliche Filmemacher aus Halle und langjährige Freunde. Mit ihren Ideen produzieren sie Kurzfilme und sprechen in diesen gesellschaftskritische Themen an, die sie selbst und die Welt bewegen. Ihr neuer Film „Kaffee und Kippen“ ist etwas ganz Neues für sie und eine Möglichkeit sich filmtechnisch richtig auszutoben. Wie es dazu kam einen Neo-Western Film zu drehen und wie es zum Drehort in der Lucie Bar in Halle kam, erzählen sie im Interview mit Kulturfalterredakteurin Nathalie Seifert.



Ihr beide kommt aus Halle, wie habt ihr zueinander gefunden?

Julius: Wir kennen uns schon eine ganze Weile und sind damals zusammen auf das Georg-Cantor Gymnasium in Halle gegangen.  Da wir in verschiedenen Jahrgängen waren, hatten wir zu diesem Zeitpunkt noch keinen richtigen Kontakt. Wir haben uns über eine Austauschorganisation kennengelernt, bei der wir uns beide um ein Stipendium für eine Reise nach Australien beworben haben. Dort habe ich ein kleines Musikvideo gedreht und Johannis kam daraufhin auf mich zu und fand meine Vorliebe für das Filmen sehr cool. Er hatte zu diesem Zeitpunkt schon ein fertiges Drehbuch für einen Film und fragte mich, ob ich Lust hätte die Kamera zu übernehmen.

Wann habt ihr angefangen Filme  zu drehen und warum?

Julius: Bei uns beiden war die Leidenschaft schon immer vorhanden, es fing bei Reisedokumentationen und Schulprojekten an. Mit jedem Projekt wuchs auch unser Ehrgeiz etwas Größeres zu erschaffen.  Im Juni 2017 haben wir zusammen unseren ersten Film „Drunk in Love“ gedreht.

Johannes:  Meine Mutter hat mit mir viele Programmkinos besucht, wie zum Beispiel das Luchskino oder das Puschkino in Halle. Da habe ich Filme mit gesellschaftskritischen Themen angeschaut und mein Interesse für das Filmen entfachte sich. Der Startschuss meiner Leidenschaft für das Filmemachen begann beim Schulanfang, als mein Opa mir einen Fotoapparat schenkte und ich so anfing, kleine Projekte wie Stop-Motion Lego Filme zu drehen.

Ihr seid alle beide in der Filmbranche tätig. Wie unterscheidet sich das Arbeiten in den jeweiligen Positionen als Regisseur und Kameramann, wenn es der eigene Film ist und kein Auftragswerk?

Julius: Es ist schon etwas anderes wenn wir einen eigenen Film produzieren. Das sind Geschichten von uns selbst, unsere Ideen und Vorstellungen. Zudem beanspruchen sie wesentlich mehr Zeit und Aufwand für uns selbst. Bei Auftragswerken sind wir oftmals nur für eine bestimmte, kurze Zeitspanne da und nicht komplett zu einem so hohen Grad in das Projekt verstrickt. Außerdem werden wir dabei bezahlt, was bei unseren eigenen Projekten nicht der Fall ist. Bei Fremdproduktionen arbeiten wir nur auf einer Position am Set, zum Beispiel als Regieassistent, Kameramann oder Kameraassistent. Bei unseren eigenen Produktionen sind wir beide gleichzeitig als Produzenten tätig und von Anfang bis Ende dabei.

Johannes: Man merkt den Unterschied zwischen eigenen Geschichten und denen, die man für andere erzählt an dem Fakt, was man bereit ist an Zeit, Geld und Leidenschaft für das Projekt investieren. Wir sprechen in unseren eigenen Filmen natürlich auch Themen an die uns persönlich Interessieren und bewegen.  Zudem haben bei Auftragswerken andere Menschen eine bestimmte Erwartungshaltung an uns, weil ich als Regieassistent den Vorstellungen des Regisseurs entsprechend handeln muss. Bei eigenen Dreh‘s haben wir eine breitere kreative Freifläche die wir ausschöpfen können, ohne das uns jemand dazwischenredet. Wir lieben aber alle künstlerischen Projekte die wir machen, unabhängig davon ob sie von uns oder für andere gemacht sind.

Haben euch bestimmte Filme in eurer Laufbahn beeinflusst?  

Johannes: Unser Name „The Grandmaster Productions“ ist angelehnt an den Film „The Grandmaster“ von Wong  Kar-Wei. Er ist mein Lieblingsregisseur und bei vielen Filmen und Produktionen mein Vorbild. Je nach Projekt lassen wir uns von unterschiedlichen Quellen inspirieren, gehen dazu auch auf kritische Distanz, schließlich wollen wir unsere Geschichten auf eigene Art und Weise erzählen.

Julius: Ich habe, als ich anfing, mich näher mit Kamera Arbeit und Technik zu beschäftigen, Filme auf einmal ganz anders wahrgenommen. Mich haben eindrucksvolle Bilder, tolle Kameratechniken und Objektive fasziniert. Einer  der ersten Filme die mich begeisterten,  war „the Hateful Eight“ von Quentin Tarantino. Ich hab mir aber auch viele Kurzfilme über vimeo geschaut, eine große Inspiration ist außerdem Chris Reiber, der durch seine Kurzfilme bekannt ist.



Das Genre des Film ist der Neo-Western, wie kamt ihr auf die Idee einen Film in diesem Stil zu drehen?

Johannes: Wir wollten etwas erzählen, was es so in Deutschland in den letzten Jahren noch nicht gegeben hat. Das Genre war für uns erst mal zweitrangig, die Thematik und Story waren  wichtig für uns und danach fiel uns auf, dass unsere Geschichte sehr gut in ein Western-Setting reinpasst. Wir wollten etwas Neues ausprobieren, und dieses Genre bot sich uns als eine neue Herausforderung an.

Was kennzeichnet einen Neo-Western?

Johannes: Einen Neo-Western Film kennzeichnet, dass er viele Merkmale eines western Filmes hat, aber  Zeit und Ort nicht der typische Wilde Westen der USA des 19.Jahrhunderts ist. Er kann in der Gegenwart und in jedem beliebigen Land spielen. Man nimmt verschiedene stilistische Mittel eines Western Filmes, beispielsweise die auf die Augen gerichtete Kamera  oder der typische Gitarrensound, und setzt diese in ein neues Setting.

Wie entstand die Idee für Kaffe und Kippen?

Johannes: Wir wollten eine Geschichte erzählen die viel Spannung in sich trägt und sich nicht mit persönlichen Problemen von uns auseinander setzt und  die mehr über Werte erzählt, mit denen sich alle Leute identifizieren können, beispielsweise Glück, Anerkennung und Vorurteile.

Julius: Der Hauptcharakter Bruno strebt nach Anerkennung und Wertschätzung, und so arbeiteten wir ihn in die Geschichte von Kaffee und Kippen ein. Die drei zentralen Charaktere sind älter als wir, denn wir wollten keine Geschichte erzählen die nur auf uns zugeschrieben ist. „Kaffee und Kippen“ ist ein Film für jung und alt.

Der Drehort des Filmes ist die Lucy Bar in Halle? Wie kam es zu diesem Ort?

Julius: Ich war selbst mal als Gast dort und habe mich mit dem Barkeeper angefreundet. Als Johannes und ich über einen passenden Ort für den Film nachdachten, ist mir die Lucy Bar in Halle wieder eingefallen. Wir haben den Inhaber angefragt und er war sehr begeistert von unserer Idee. Die Bar hat uns vieles an der Einrichtung verändern lassen, wir haben sie sozusagen in das Jahr 1972 zurückversetzt und konnten uns kreativ entfalten.

Wie habt ihr die Schauspieler für die Rollen besetzt?

Johannes: Kaffee und Kippen war das erste, große Projekt bei dem wir einen Aufruf auf Crew United, einem Portal für Schauspielende und Filmschaffende, gestartet haben. Entgegen unserer Erwartungen haben wir nach wenigen Tagen viele Bewerbungen für die Rollen und Positionen der Crewmitglieder bekommen. Wir haben uns die Video-Bewerbungen der Schauspieler/-innen angeschaut und dann entschieden, wer am besten zu den Rollen in unserer Geschichte passt. 



Ihr thematisiert in euren Filmen gesellschaftlich relevante Themen, wie
Leistungsdruck oder Alkoholmissbrauch. Welche Message sendet Kaffee und Kippen an die Zuschauenden?

Johannes: Grundsätzlich ist unsere Motivation, gesellschaftlich relevante Themen in unseren Filmen zu erzählen. Wir wollten mit „Kaffee und Kippen“, im Vergleich zu unseren anderen, etwas gesellschaftskritischeren Filmen, einen spannenden und vielleicht auch lustigen Film produzieren. Trotzdem hat der Film eine verborgene, tiefere Message, nämlich dass man unabhängig von den Meinungen der anderen sein eigenes Ding durchziehen soll.

Wie ist der Film beim Publikum auf den Festivals angekommen?

Julius: Es war schön zu sehen, wie der Film funktioniert wenn viele Leute ihn in einem großen Kinosaal zusammen schauen. Überraschend war für uns, dass er bei den Menschen lustiger ankam, als wir dachten und wir freuten uns, dass die Menschen es unterhaltsam fanden und gelacht haben.

Besteht die Möglichkeit sich den Film jetzt immer noch anzuschauen?

Julius: Den Film kann man sich am 10.12.2022 bei unserer Premiere am Samstag um 17 Uhr im Zazie Kino in Halle und ab dann auch auf YouTube anschauen.

Habt ihr schon Zukunftspläne für neue Filme?

Johannes: Unser „nächstes“ Projekt ist schon fertig gedreht und wird im Frühjahr nächsten Jahres seine Premiere feiern. Wir haben schon ein paar Drehbücher für einige Projekte fertig und freuen uns, diese dann bald umzusetzen. Nachdem wir viele Geschichten über ältere Charaktere erzählt haben, würde ich gern mehr Filme aus dem persönlichem Altersumfeld drehen

Julius: Ein „Coming of Age“  Film oder eine Komödie finde ich sehr spannend, aber grundsätzlich sind wir offen für alles.

 

Vielen Dank für das Gespräch, Julius und Johannes!