Das Maritim war ein Zuhause - Regisseur Uwe Mann über seinen Film "Kommen und Gehen"

In diesem Monat kommen gleich zwei Filme der Produktionsfirma 42film aus Halle in die Kinos. Neben „Vor dem Frühling“ läuft der Dokumentarfilm „Kommen und Gehen“ auf der Leinwand. Letzterer zeigt die letzten zwei Wochen des Maritim Hotels in Halle, bevor es gänzlich zur Aufnahmestelle für Flüchtlinge umfunktioniert wird. Kulturfalterredakteurin Anne-Marie Holze sprach mit Regisseur und Kameramann Uwe Mann über seinen inneren Antrieb und Persönliches im Film.

Liest man die Pressebeschreibung des Filmes „Kommen und Gehen“, ist vermerkt, dass sie stets eine Frage im Kopf hatten: Was verändert sich? Haben Sie eine Antwort auf die Frage bekommen?

Eigentlich nein. Meine Konzentration sollte auf dem Haus und den Beschäftigten liegen. Von jeden habe ich keine Antwort darauf bekommen, die konnte ich mir nur denken. Es gab ein(e Art) Schweigegelübde, auch das Presseverbot. Der Raum „Hotel“ hat sich nicht viel verändert, also gab es da auch keine Antwort. Von wem ich Antworten bekommen habe, waren die Menschen, die noch im Hotel gewohnt haben. Herbert Gerhardt, der gut drei Jahre im Hotel lebte, um vor dem Altersheim zu fliehen, und Demirbas Cüneyt, ein in Stuttgart geborener Türke, reflektierten und dachten nach, was vor sich ging. Die Perspektiven sind sehr verschieden. Herbert Gerhardt ist kontrollierter. Bei Cem beginnt das Nachdenken als Immigrant und wie er in Deutschland behandelt wird, obwohl er hier geboren wurde und beispielsweise keine feste Arbeit bekommt. Und nun kommen die nächsten Immigranten und kosten den Arbeitgeber noch weniger. Plötzlich stehen sich auch diese zwei Gruppen gegenüber und haben einen ganz anderen Konflikt.

Was war Ihr innerer Antrieb zu dem Film?

Das Maritim war ein zu Hause. Insofern hat sich auch für mich was geändert. Man kann über den Verlust meckern oder sich aber mit dem Gebäude und auch den Flüchtlingen solidarisieren. Das ist eine Frage der Perspektive. Ich habe mich auch mit den Mitarbeitern solidarisiert, um auch mit ihnen sprechen zu können. Sowas sieht man aber nicht im Film, ich wollte mich auch nicht als Pressemensch ihnen gegenüber verhalten. Ich war in dem Hotel relativ bekannt, ich kannte deren Geschichte. Der Hotelchef hat mich dann auch mit Herbert bekannt gemacht. Wir trafen uns eines Nachts und haben über das Leben geredet; er fühlte sich in ähnliche Weise stark mit dem Personal und dessen Schicksal verbunden. Und das reflektiert er auch in sehr schöner Sprache.

Was waren die größten Herausforderungen bei den Drehs zu „Kommen und Gehen“?

Eigentlich gab es für mich keine Herausforderung. Ich entscheide mich für einen Ort und die Menschen und bleibe bei ihnen. Sie sollen von mir wissen und ich gebe Ihnen ehrliches, authentisches Interesse. Ich stehe nicht für journalistische Kurzatmigkeit, ohne Lust auf Zusammenhänge. Ich sah die Mitarbeiter, die stumm ihren Dienst verrichteten, aber ich sah auch ihre Traurigkeit. Ich musste keine Fragen stellen, man sieht es auf den Bildern. Genauso war es bei den Einstellungen mit den Interimsflüchtlingen, die die letzte Woche schon ankamen. Ich hatte zu beiden Seiten ein gutes Verhältnis. Ich mache prinzipiell keine Interviews, ich mache dokumentarische Gespräche. Da sage ich manchmal gar nichts und die anderen reden, wenn sie möchten. Beide Gesprächspartner sind auf der selben Ebene, es gibt kein Lieferzwang, ich quetsche niemanden aus. Ich reagiere auf Gesprächsbedarf, bewerte dann, was dokumentarisch gut ist und lasse es im Schnitt zu.



Wie war das Miteinander mit den ersten angekommenen Flüchtlingen?

Die waren offen und glücklich, angekommen zu sein. Sie wurden auch herzlich aufgenommen. Das Hotel hat sich sehr schnell darauf eingerichtet und logistisch war alles unproblematisch. Die Küche hat sich darauf eingestellt und gekocht, was zu der jeweiligen Kultur passte. Das Klima in dieser Zeit war besser als in der danach: Einige Zeit nach dem Dreh war ich nochmal in dem Hotel und es war sehr unruhig und die Flüchtlinge waren unglücklich darüber, dass sie kein Geld bekamen oder nicht Arbeiten durften. Doch während der Dreharbeiten waren alle glücklich, Kleiderspenden oder Spielzeug für die Kinder zu bekommen. Und ich gehörte für sie zu den Guten, die sie empfangen haben. Ich habe nicht explizit nach ihrer Geschichte gefragt. Man muss sich erstmal in die Augen gucken und interagieren. Ich will keinem eine Botschaft aus dem Kreuz leiern. Aber man sieht wie die Flüchtlinge auf die Kamera reagieren und das hat etwas sehr warmes.

Hatten Sie ein Konzept im Kopf vor dem Dreh oder ließe sich eher nach Abschluss der Arbeiten ein Fazit formulieren?

Als klar wurde, dass das Maritim schließen sollte, musste ich umgehend reagieren. Ich hatte gar keine Zeit für ein Drehbuch oder ein Konzept. Es entstand alles im Arbeitsprozess. Ich kam hin und hatte eine gegebene Situation, das ist kein klassischer Rhythmus von Dreharbeiten und dessen Vorbereitung. Ich musste mich auf meinen Instinkt verlassen und wie man das mit der Kamera einfängt. Deswegen hielt ich sie relativ statisch, das ist im Schnitt praktisch. Die Menschen sollten nicht die Kamera sehen, sondern mich, um authentisch sein zu können. Dadurch waren alle relativ offen. Wöllte man ein Fazit beschließen, wäre es das, dass es immer Gruppen gibt, hier Flüchtlinge und Angestellte, die zu Spielbällen der Politik werden. Ihre Interessen haben gar nichts miteinander zu tun und sie wissen oft nicht, warum das passiert.

Schon bei anderen ihrer Filme zeichnen Sie sehr persönliche Bilder. Auch bei „Kommen und Gehen“ konzentrieren Sie sich auf ausgewählte Personen. Ist das Persönliche am Film für Sie das wertvollste?

Erstens das und zweitens kommt man nur über die Person an das Thema. Man kann natürlich auch so über ein Thema berichten und Fakten schinden, wie es oft in Dokumentationen im Fernsehen der Fall ist. Beim dokumentarischen Arbeiten muss das Thema für mich jedoch über eine Person greifbar sein. Dass ich mich auf Herbert und Cem konzentrieren würde, war mir vorher aber nicht klar. Ich bin reingegangen und wollte herausfinden, wie sich das Hotel verändert. Es waren natürlich auch noch mehr Personen da, aber nur mit den beiden bin ich wirklich ins Gespräch gekommen. Ich habe mich nicht sofort entschieden, habe abgewartet und geguckt, was sich ergibt. Es hat sich aber relativ schnell herausgestellt, dass Herbert und Cem anders sind. Ich habe natürlich auch mit Leuten aus dem Hotel gesprochen, aber die Gespräche sind nicht dafür geeignet in einem Film zu erscheinen, auch aus Gründen der Integrität. Es war aber interessant, was das Hotel für sie bedeutet. Manche haben 20 bis 30 Jahre dort gearbeitet und sind dort erwachsen geworden und in Halle verwurzelt. Halle ist auch ein paradiesischer Ort, ich mag ihn und die Menschen dort sehr.

Was sind nächste geplante Projekte?

Mein nächstes Projekt dreht sich um den Bauhausarchitekt Richard Paulik. Er baute das Stahlhaus in Dessau, die Kant-Garagen in Berlin. Während des Krieges ging er nach China ins Exil, kehrte aber nach dem Krieg zurück. Seine Ursprünge hatte er jedoch in Halle Neustadt. Ich bin also wieder in Sachsen-Anhalt unterwegs, und auch in Halle.

Vielen Dank, Herr Mann, für das interessante Gespräch.