Tom Wolter: Die Zukunft beginnt erst morgen!

Tom Wolter ist künstlerischer Leiter des WUK Theater Quartier, Vorstand des Bundesverbandes der Freien Darstellenden Künste, Schauspieler, Regisseur und festes Mitglied der freien Theaterszene in Halle. Kulturfalter sprach mit ihm über die aktuelle Situation.

Kulturfalter: Wie wirkt sich die Schließung auf Ihren Betrieb aus?

Mit der Allgemeinverfügung der Stadt Halle vom 12.3.2020 sind alle Vorstellungen, Projekte, Proben und Werkstätten bis auf weiteres ausgesetzt. Wir mussten über 30 Veranstaltungen absagen. Zwei Premieren sind ins Ungewisse verschoben. Insgesamt verlieren wir die Basis unserer Finanzierung mit der Absage. Circa 16.000 Euro haben wir jetzt durch fehlende Einnahmen nicht zur Verfügung, wenn es bei der Schließung bis Ende April bleibt. Ungefähr 20 Personen leben ja von und mit dem WUK Theater Quartier. Wir sind, bei allem Verständnis für die getroffen Maßnahmen und in Solidarität mit allen Betroffenen, in großer existenzieller Sorge für uns als Haus und für alle Beteiligten.

Wie gehen Sie mit der Situation um?

Einerseits hat der Vorstand die strikte Schließung des Hauses beschlossen, nur zwei Personen haben Zutritt, und andererseits arbeiten wir schon seit dem 13. März an einer Art „Ersatzprogramm“. Wir waren sehr ermutigt, dass fast alle Teammitglieder sofort ihre Ideen mit eingebracht haben. Wir werden den Kopf nicht in den Sand stecken. Denn gerade in diesen Tagen wird Kultur, Kunst, Kommunikation gebraucht. Es wird unser Projekt „Auf Sendung“ geben. Dieses enthält neben dem #coronatagebuch Angebote an unsere Gäste, interaktive Entdeckungen und den Aufruf an Künstlerinnen und Künstler sich mit zu beteiligen.



Wie lange können Sie so weiter machen?

Wir bauen im Augenblick auf unsere Gäste und Förderer, zwei Spendenaktionen haben wir gestartet. Und wenn, wie im Moment aus dem Kulturbüro der Stadt Halle klar formuliert, die Stadt uns in den nächsten Wochen stark unterstützt, werden wir die Schließtage überstehen. Unsere Förderer, unsere beiden Hauptsponsoren, die Stadtwerke Halle und der Bauverein Halle/Leuna zeigen aktiv ihre Unterstützung. Das ermutigt!

Was würde Ihnen am besten helfen?

Ermutigend wäre, wenn die Landespolitik die Sondersituation der Spielstätten verstehen würde und uns mehrjährige Förderung ermöglicht. Das fehlt in Sachsen-Anhalt und in Halle. Und in der aktuellen Situation zeigt sich, dass es unsinnig ist, kulturelle, künstlerische Arbeit so abhängig zu machen von eigenen Einnahmen. Für heute brauchen wir für unsere Künstlerinnen und Künstler kein Hartz IV-Ersatzprogramm, sondern Soforthilfen auf Mindestlohnniveau. Und für uns als Haus braucht es Liquidität bis zum Ende des Jahres, eventuell sogar darüber hinaus.

Machen Sie sich Sorgen um die freie Theaterszene in Halle – Was sind die akuten Probleme?

Ja. Ich mache sie mir, weil es innerhalb der Szene in Halle nur wenige gibt, die beruflich Theater machen. Wir sind über 20 Akteure, kleine und größere Ensemble in der Stadt, aber nur vier oder fünf, die professionell arbeiten. Dadurch verzerrt sich die Wahrnehmung. Das ergibt auch vollkommen unterschiedliche Bedürfnisse und politische Forderungen. Wir benötigen professionelle Strukturen neben dem wirklich tollen Amateurtheater und Wohnzimmerprojekten. Und für diese professionelle Arbeit haben wir im WUK Theater Quartier einiges gewagt; wir sind zum Beispiel national mit neun Bühnen im Netzwerk der Freien Theater aktiv, haben begonnen mit spannenden überregional beachteten Häusern und mit Künstlern zu arbeiten. Das benötigen wir hier. Dafür fehlt sowieso schon Verständnis und Solidarität. Die akute Situation verschärft das noch. Weil wir nicht über Qualität sprechen, nicht über Wirksamkeit und die dafür notwendige Struktur.



Wo ist jetzt Ihr Büro – daheim?

Ja, ich arbeite von zu Hause. Bin in Klausur. Nicole Tröger und Madame Kurt Wabbel sind im WUK Theater Quartier.

Was können Künstler und Veranstalter in dieser Situation tun? Online-Angebote? Vorstellungen streamen?

Wir haben uns darauf verständigt, dass wir nicht auf eine Veröffentlichung unserer Aufzeichnungen setzen. Das empfinden wir als sehr vergangenheitsbezogen… Wir glauben, dass die aktuelle künstlerische Chance besteht zu erforschen, was digital möglich ist. Ob Arbeitsraum, Begegnungsort ohne lokale Begrenzung, ob interaktives Theater über Livestreams. Da stellen wir uns der Herausforderung im Projekt „Auf Sendung“.

Können Sie gerade eine Zukunft planen?

Nein. Die Zukunft beginnt ja erst morgen. Nach der Ausnahmesituation. Und sie wird gewiss anders sein. Auch für das WUK Theater Quartier.