Karosseriebau in der DDR – Die VEB Karosseriewerke Halle

Im Jahr 1833 wurde in Halle die Firma Ludwig Kathe gegründet, zunächst für die Herstellung von Kutschen. In der Mitte der 1860er-Jahre nahm Ludwig Kathe seinen Sohn als Teilhaber auf. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts stellte sich das Unternehmen auf die Produktion von Fahrzeugkarosserien um. 1907 entwickelte die Firma eine Karosserie für eine Limousine, die auf allen Seiten geschlossen war. Damit war Ludwig Kathe & Sohn das erste Unternehmen in Deutschland, das eine solche Karosserie anbot. In den 1920er-Jahren arbeitete es intensiv mit den Firmen der später bekannten Auto Union zusammen. Ab den 30er-Jahren verlagerte die Firma das Hauptangebot auf Lkw, Omnibusse und Sonderanfertigungen. Bis 1948 existierte sie unter eigenem Namen. Das Unternehmen Ludwig Kathe & Sohn wurde im Jahr 1950 mit der Fabrik für Kraftfahrzeuge Otto Kühn zu den Karosseriewerken Halle zusammengelegt. Drei Jahre später begann eine Zusammenarbeit mit dem „VEB (Volkseigener Betrieb) Automobilwerk Eisenach“. Bis 1959 waren diese dem „Ministerium für Maschinenbau HV (Hauptverwaltung) Automobil- und Traktorbau“ der DDR unterstellt, mit Beginn der 60er für 17 Jahre der „VVB (Vereinigung Volkseigener Betrieb) Automobilbau“. Ab Mitte der 60er-Jahre gehörten die Karosseriewerke Halle, Aschersleben, Meerane, Erfurt und Dresden zum „VEB IFA-Karosseriewerk Dresden“. Mit Beginn des Jahres 1978 wurde das „Kombinat Spezialaufbauten und Anhänger ‚Ernst Grube‘ Werdau“ gegründet, dem die Karosseriewerke Halle bis Ende 1983 angehörten, gefolgt ab Beginn 1984 vom „Kombinat Personenkraftwagen Karl-Marx Stadt“ (das heutige Chemnitz). Die Liquidation und Auflösung der Firma fand am 20.03.1991 statt. Zu diesem Zeitpunkt waren rund 1.000 Mitarbeitende allein in Halle für das Unternehmen tätig.
 



Im Zeitraum 1952 bis 1957 wurden mehr als 30.000 Karosserien für den Wartburg 311 sowie 312 Kombi gefertigt. Hiervon entfielen 23.568 auf den Wartburg 311/9 Kombi, welcher heute kaum noch auf der Straße angetroffen wird. Von der Mitte der 50er an wurden die entwickelten Karosseriesondervarianten für den Wartburg 311/9 Kombi sowie die Krankenwagen-und Polizeivariante hergestellt. Dieser wurde als zweitüriger Kombi gefertigt und diente als Transportfahrzeug. Das Besondere war der Holzaufbau, welcher zu Beginn der Produktion mit einem Kunststoffdach versehen war. Der Wartburg 312 Kombi galt als Übergangsmodell zum in der DDR bekannten Wartburg 353 Tourist, von welchem bis 1990 rund 140.000 Karosserien gefertigt wurden.
 



Zu diesen kamen jedes Jahr rund 850 Robur mit Kofferaufbau, 500 Robur Busse sowie 2.000 Robur mit einem geschlossenen Aufbau, welche kleine Lkw und Busse waren, die für verschiedene Zwecke in der DDR eingesetzt wurden. Neben der Karosserieproduktion war das Unternehmen verpflichtet, Bedarfsgüter herzustellen, zum Beispiel Teile für Schalensessel oder Hutablagen für den Wartburg. Besondere Bekanntheit erlangten die Karosseriewerke für ihre Spezialaufbauten. Zu diesen zählten Wartburg Rettungswagen oder sechs Aufbauten des Oberklasse-Pkw P240 Sachsenring Kombi, welcher in den 50er-Jahren gefertigt wurde. Die VEB Karosseriewerke waren in zwei Betriebsteile unterteilt. Der Betriebsteil 1 stellte vorwiegend Finalprodukte im Bereich der Sondervarianten her. Er saß in der Merseburger Straße. Zuerst wurden die Kombi Karosserieproduktion des EMW 340 (basierend auf einem Vorkriegsmodell von BMW) sowie des IFA F9 nach Halle verlegt. Der IFA F9 war Vorgänger des Wartburg 311 mit Dreizylinder-Motor. In der Mitte der 60er-Jahre wurde das faserverstärkte ungesättigte Polyesterharz im Karosseriebau eingeführt, was beim Wartburg Tourist 353/9 zum Einsatz kam. Nach dem Zusammenbruch der DDR wurden die Gebäude abgerissen und das Gelände als Parkplatz verwendet. Nur das Verwaltungsgebäude, die Villa in der Merseburger Straße 65, ist noch vorhanden.



Der Betriebsteil 2 war für Lkw- sowie Traktoraufbauten verantwortlich. Zu diesen zählten vor allen Aufbauten für den Robur Lo 2500 (Lkw oder Bus mit Nutzlast von 2,5 Tonne), den Phänomen Granit 27 (Lkw mit 2 Tonnen Nutzlast) sowie den Phänomen Granit 30k (Nachfolger des Granit 27). Neben diesen wurden auch Karosserien für Mehrzweckfahrzeuge (Fahrzeuge mit verschiedenen Nutzmöglichkeiten), Frontlenker-Omnibusse und Karosserie-Sondermodelle gebaut. Ein Beispiel ist der Planenaufbau eines Werkstattwagens der Nationalen Volksarmee oder der absetzbare Koffer für Robur, IFA W50 (Nutzlast von 5,3 Tonnen), IFA L60 (Nutzlast von 6,2 Tonnen), KrAZ (sowjetischer Lkw-Hersteller in der heutigen Ukraine) sowie Ural (sowjetischer Lkw-Hersteller im heutigen Russland). Von der Firma ist heute nichts mehr vorhanden. Später wurde das in der Nähe der Berliner Brücke liegende Areal von der Mäc-Geiz Handelsgesellschaft und seit 2011 von relaxdays genutzt. Ein Teil des Archivs der VEB Karosseriewerke Halle befindet sich im Landesarchiv Sachsen-Anhalt, Standort Merseburg.

*Bildbeschreibung 2
Detailansicht der Zufahrt mit Werbefahrzeug auf dem Dach
Foto: Stadtarchiv Halle