Die Giebichensteinbrücke – Eine Brücke der Moderne

Einer der beiden Hauptübergänge nach Kröllwitz, die Giebichensteinbrücke, feiert in diesem Jahr zu Pfingsten das 91. Jubiläum ihrer Errichtung und zusätzlich den 70. Jahrestag ihres Wiederaufbaus nach der kriegsbedingten Zerstörung 1945. Auf ihrem Weg zum heutigen Aussehen durchlief sie jedoch einigen Wandel.

Im Mittelalter war der regelmäßige Fährbetrieb die einzige Möglichkeit, die Saale an dieser Stelle zu überqueren. Ab 1363 existierte zwar eine Holzbrücke, errichtet durch Erzbischof Dietrich, doch das Hochwasser der Saale zerstörte sie nach einigen Jahren. Bis 1813 sollte dies der einzige Versuch bleiben, statt des Fährbetriebs eine den dortigen Wassermassen widerstehende Brückenverbindung zu schaffen. Im Jahr 1813 wurde im Rahmen der Napoleonischen Kriege eine Schiff sbrücke errichtet, welche 1870 durch eine Pontonbrücke ersetzt wurde.

Bereits 22 Jahre später erreichte der Verkehr von und nach Kröllwitz derartige Ausmaße, dass das Projekt einer neuen, hochgelegten Stahlbrücke ins Auge gefasst wurde. Half diese Brücke zwar, dem Verkehr Herr zu werden, so erschien sie doch den meisten Hallensern als Bauwerk, das sich nicht im Einklang und in Harmonie mit der Saale-Landschaft und der Burg Giebichenstein befand. Weil die Brücke zudem wenige Jahre nach ihrer Fertigstellung ebenfalls den wachsenden Verkehr Halles nicht mehr bewältigte, wurden bereits 1915 erste Pläne für den Bau der uns heute bekannten Giebichensteinbrücke in Angriff genommen.



Der Erste Weltkrieg und die nach dem Krieg herrschende Hyperinflation der Weimarer Republik verhinderten die Verwirklichung des Bauvorhabens jedoch bis zum Jahr 1926. Wurden die Kosten zunächst auf 790.000 Reichsmark beziffert, erhöhten sich diese bis zur Fertigstellung auf eine Summe von 1,3 Mio. Reichsmark. Dies würde heute Kosten von etwa fünf Millionen Euro entsprechen. Nach einer nur zweijährigen Bauzeit wurde die 261 Meter lange Giebichensteinbrücke zu Pfingsten 1928 eingeweiht.

Vor der offiziellen Amtseinführung Prof. Adolf Heilmanns als Stadtbaurat im Tiefbauamt im April 1926 hatte der Stadtbaurat für Hochbau, der Architekt Wilhelm Jost, die Möglichkeit genutzt, selbst die Gestaltung der Entwürfe der Brücke zu übernehmen. Jost wurde dabei durch den Magistratsbaurat und Architekten Clemens Vaccano unterstützt. Heilmann selbst ließ diese Pläne nach Aufnahme seiner Arbeit weitestgehend unangetastet und fügte nur geringfügige Änderungen hinzu. Seine weitreichendste Änderung bei der äußeren Gestaltung der Brücke war der Verzicht auf eine Verkleidung mit Naturstein, wie Jost es vorgesehen hatte. Auch ließ Heilmann einen Wettbewerb zur künstlerischen Verwirklichung und Formgebung der Treppen und Uferanlagen der Brücke ausschreiben.



Verantwortlich und ausschlaggebend für die künstlerische Gestaltung des Bauwerks war schließlich der Gewinner des Wettbewerbs, der Architekt und Direktor der Städtischen Kunstgewerbeschule Paul Thiersch, sowie der Bildhauer Gerhard Marcks, welcher die beiden Plastiken der Brücke entwarf. Die Brücke selbst ist eine moderne Stahlbetonkonstruktion im architektonischen Stil des Neuen Bauens. Merkmale sind die Nutzung von Beton als modernem Baumittel, der Einsatz sachlicher und funktionaler Elemente sowie der Gedanke, die Architektur an die Umgebung anzupassen. Als funktionale Erweiterung enthielt die Brücke eine Trafo-Station für die Weiterleitung von Strom und die elektrische Versorgung für die Straßenbahn sowie eine heute nicht mehr in Gebrauch befindliche öffentliche Toilettenanlage.

Besonders für diese Brücke ist auch, dass auf ihre Wirkung in der Landschaft speziell geachtet wurde. So wurde ein Teil des Felsens der Bergschenke gesprengt, um den Rhythmus der Brücke besser wahrnehmen zu können. Zudem wurden zwei Häuser aufgekauft und abgerissen, die öffentlichen Anlagen wichen.

Die Plastiken von Gerhard Marcks, der Hengst und die Kuh, symbolisieren den Gegensatz von Halle und Kröllwitz und dienen zugleich als Eisbrecher. Der nach Halle blickende Hengst stellt die aufstrebende und moderne Industriestadt Halle dar, während die Kuh mit Blick nach Kröllwitz den ländlichen und agrarischen Charakter des Stadtteils verkörpern soll. Die heutige Brücke ist nicht mehr aus dem Stadtbild Halles wegzudenken und für die Stadt eine der wichtigsten Verkehrsverbindungen nach Norden.

(Autor/in: Felix Zilm)