Das Straßenbahnnetz von Halle vor 100 Jahren – aus dem Stadtbild nicht wegzudenken

Das Jahr 1923 war auch in Halle durch die Weltwirtschaftskrise geprägt. Dennoch nutzten die Hallenser die Straßenbahn sehr häufig. Schon seit 1878 verkehrte in Halle ein Pferdeomnibus, ab 1882 eine Pferdestraßenbahn und ab 1898 Deutschlands erste elektrische Straßenbahn. So war dieses Verkehrsmittel 1923 bereits voll in den Alltag der Stadtbewohner integriert. Die Straßenbahn hatte mit ihrer räumlichen Ausdehnung und ihrem Passagieraufkommen eine wichtige Funktion im städtischen Transport. So wurden 1923 laut des Halleschen Adressbuchs zwar „nur” 11.850.886 Personen gegen Bezahlung befördert – 1922 waren es noch 21.847.675 Personen. Dennoch waren es im Schnitt täglich über 32.000 Fahrgäste.



Ähnlich wie heute waren auch in damaliger Zeit der Bahnhofsvorplatz und der Riebeckplatz die zentralen Umsteigemöglichkeiten. Nur zwei der insgesamt zwölf Linien verliefen nicht über den Riebeckplatz oder
den 1890 eröffneten Hauptbahnhof. Weitere zentrale Möglichkeiten zum Umstieg gab es an denselben Stellen wie heute: Steintor, Marktplatz, Franckeplatz, Rannischer Platz und Reileck. Andere heute weniger
bedeutende oder nicht mehr vorhandene Umstiege waren: Hallmarkt, Delitzscher Straße Ecke Freiimfelder Straße, Fährstraße und Reilstraße auf Höhe des Zoos. Im Krisenjahr 1923 fuhren zeitweise Linien nicht, oder einzelne Linienstücke wurden vorübergehend eingestellt.

Andererseits sind einige Streckenabschnitte der Straßenbahn mit besonders hoher Liniendichte zu erkennen. Ein kurzer Teil des Streckennetzes war wie heute auch der am stärksten genutzte: Die Strecke zwischen dem Hauptbahnhof und dem, eine Haltestelle entfernten, Riebeckplatz. Von hier über das Steintor ( damals Walhalla) und vom Steintor durch die Ludwig-Wucherer-Straße bis zum Reileck fuhren jeweils drei Linien. Vom Riebeckplatz (bis zum Leipziger Turm, Linie 8 fuhr hier in Richtung Hauptpost) bis zum Marktplatz und von hier bis kurz vor das Reileck (Mühlweg) sowie vom Reileck bis zum Zoo fuhren jeweils vier Linien.



Die Struktur des Straßenbahnnetzes des Jahres 1923 spiegelte den Stand der städtischen Bebauung und Stadtentwicklung wider. So fuhr nur Linie 4 in
Richtung Westen. Diese endete am Hettstedter Bahnhof (in der Mansfelder Straße) und verband somit diesen Bahnhof mit dem Hauptbahnhof. In Richtung Norden
fuhren die meisten Linien. Zwei Linien (8, 12) endeten in Kröllwitz unterhalb der Bergschänke, zwei Linien (7, 9) in der Seebener Straße (Saalschloßbrauerei), zwei weitere (5, 10) in der Reilstraße am Zoo, eine Linie (1) in Trotha am Kaffeegarten und eine Linie (3) in Trotha am Bahnhof. Damit war die Letztgenannte damals sogar länger als heute. In Richtung Osten fuhren nur zwei Linien, Linie 2 bis in die Freiimfelder Straße und Linie 9 bis Reideburg. Hingegen führten sechs Linien (ohne Überlandbahn, die noch nicht zur Straßenbahn Halle gehörte) in den Süden. Hier waren die Strecken deutlich kürzer als in den Norden, da die Bebauung 1923 in weiten Teilen auf Höhe der Huttenstraße endete. Linien 3 und 6 endeten am Böllberger Weg. Die Hafenbahn stellte hier noch ein natürliches Hindernis dar. Linien 1 und 11 endeten in der Beesener Straße an der Lutherstraße (heute Kantstraße). Die Linien 4 und 10 endeten in der Merseburger Straße auf Höhe der Artilleriekaserne (Damaschkestraße).



Und nicht zuletzt wurden den Fahrgästen gute Verbindungen zu anderen Verkehrsmitteln geboten: Zum einen war, wie bereits erwähnt, der Hauptbahnhof auf hervorragende Weise angebunden. Aber auch der Bahnhof in Trotha und der „Hettstedter Bahnhof“ (später bezeichnet als Bahnhof Halle (Saale) Klaustor) waren mit der Straßenbahn erreichbar. Darüber hinaus waren mit den Linien der Straßenbahn eine Vielzahl von Halteplätzen der Droschken anzusteuern: Pferdedroschken hielten am
Riebeckplatz, am Hotel „Stadt Hamburg” (Post), Neue Promenade 11–16, Marktplatz, Alte Promenade (Ecke Große Ulrichstraße), Hermannstraße Ecke Bernburger Straße und Wettiner Platz (Rosa-Luxemburg-Platz). Sogenannte „Kraftdroschken” wiederum hielten Alte Promenade, Grünstraße Ecke Magdeburger Straße (Steintor), Hettstedter-Bahnhof, Huttenstraße Ecke Merseburger Straße, Leipziger Turm, Martinsberg Ecke Große Steinstraße, Marktplatz, Riebeckplatz und Seebener Straße
(Saalschloßbrauerei).

 

*Bildbeschreibung

Beilage zum Halleschen Adreßbuch: Plan Halle a/S. [1927] mit Einzeichnung der damals existierenden Linie, Vorlage: ULB Sachsen-Anhalt, digitale Bibliothek; Grafi k: Sven Osada