Vor 200 Jahren verlegte der Thüringisch-Sächsische Altertumsverein seinen Sitz nach Halle
Halle, die bedeutende Salzstadt an der Saale, ist von einer vielfältigen und wechselvollen Geschichte geprägt und als Universitätsstadt zugleich der historischen Forschung verpflichtet. Die Existenz der Alma mater halensis und die zugehörigen Forschungsmöglichkeiten waren ein wesentlicher Grund dafür, dass vor 200 Jahren der am Jahresende 1819 in Schulpforte aus zwei Vorgängerverbänden gebildete „Thüringisch-Sächsische Verein für Erforschung des vaterländischen Altertums und Erhaltung seiner Denkmale“ – so die offizielle Bezeichnung – seinen Sitz von Naumburg nach Halle (Saale) verlegte. Bei der Sozietät handelt es sich um einen der ältesten deutschen Geschichtsvereine. Sein Wirken inspirierte insbesondere in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Gründung weiterer Gesellschaften, so zum Beispiel in Sachsen (1824), im Vogtland (1829) und in der Altmark (1836). Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde der ThSAV, dessen Geschichte von Höhen und Tiefen geprägt war, auf Betreiben der sowjetischen Militäradministration aufgelöst.
Die Verlegung des Vereinssitzes erfolgte auf Anregung des Naumburger Bürgermeisters und Landrates Carl Peter Lepsius. Er war einer der Hauptakteure bei der Gründung dieses bildungsbürgerlichen Verbandes und erkannte bereits früh, dass die hochgesteckten wissenschaftlichen Ziele des Vereins in einer Universitätsstadt besser zu verwirklichen waren. Er äußerte dieses Ansinnen bereits auf der zweiten Jahresversammlung 1822 in Naumburg. Der 1823 begonnene Umzug erstreckte sich über mehrere Jahre, da die Vereinssammlung und die Vereinsbibliothek sukzessive nach Halle überführt wurden. So kehrten auch Sammlungsstücke aus den Kollektionen des Giebichensteiner Amtsrates Bartels und des (späteren) halleschen Bürgermeisters Mellin wieder zurück in die Salzstadt. 1826 wurde der Verein an die hallesche Universität angegliedert und verblieb dort bis zu seiner Auflösung – eine große Besonderheit in der deutschen Universitätsgeschichte.
Der hallesche Professor Ernst Dümmler, Vizepräsident des Vereins von 1862 bis 1888, bezeichnete dessen Wirken als bahnbrechend für die provinzialsächsische Geschichtsforschung. Standen in den ersten Jahrzehnten der Vereinsgeschichte Forschungen zur Denkmalpflege und Archäologie im Vordergrund,
so wurden später Geschichtsquellen ediert und Urkundenbücher herausgegeben, bevor diese Aufgabe in die Zuständigkeit der Historischen Kommission überging.
Erster Vereinssitz in Halle war die Neue Residenz an der Gerbersaale, Vereinsversammlungen wurden u.a. im Logenhausam Jägerplatz abgehalten. Professor Gustav Hertzberg war Vizepräsident von 1888 bis 1907, er bereicherte das städtische Kulturleben durch zahlreiche historische Vorträge.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zeigte sich zusehends, dass der Verein mit der Betreuung von Sammlung und Bibliothek überfordert war. So wurden diese Bestände nach und nach abgegeben. Die Sammlung gelangte zunächst an das neu gegründete Provinzialmuseum für Vorgeschichte (heute: Landesmuseum für Vorgeschichte Halle (Saale)). Jener Teil dieses Bestandes, der keinen Bezug zur Prähistorie aufweist, wurde später an das Kunstgewerbemuseum Halle (heute: Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) / Kulturstiftung Sachsen-Anhalt) abgegeben. Das Vereinsarchiv gehört zu den Beständen des Universitätsarchives Halle-Wittenberg und die Bibliothek zum Bestand der Universitäts- und Landes bibliothek Sachsen-Anhalt in Halle.
Zahlreiche der vom Verein herausgegebenen Zeitschriften (u. a. Mitteilungen aus dem Gebiete historisch-antiquarischer Forschungen, Neue Mitteilungen aus dem
Gebiete historisch-antiquarischer Forschungen,Thüringische Zeitschrift für Kunst und Geschichte) sind mittlerweile online verfügbar. So können sich Interessierte einen Überblick über das vielfältige Wirken dieser Sozietät verschaffen. Die Archivalien sind als ungehobener bzw. nur in Teilen gehobener Schatz zu bezeichnen – sie bieten viel Material, um die Geschichte der Geschichtsforschung in Mitteldeutschland vertiefend zu erkunden.
*Bildbeschreibung 1
Im saaleseitigen Flügel der Neuen Residenz lag ab 1823 die Sammlung des ThSAV („Alterthums-Cabinet“). 1884–1912 nutzte das Provinzialmuseum Räume im straßenseitigen Flügel der Residenz („Entbindungs-Anstalt“). Foto: Universitätsarchiv, MLU Halle-Wittenberg, Halle (Saale)
*Bildbeschreibung 2
Logo, entworfen von Carl Peter Lepsius: eine Sphinx, die auf einem geöffneten Grabhügel thront (aus einer Ehrenurkunde des Vereins) Foto: Universitätsarchiv,
MLU Halle-Wittenberg, Halle (Saale)