Halle wird zum Zentrum des staatlich regulierten Online-Glücksspiels

Halle bekommt eine neue, nationale Bedeutung, und das im Hinblick auf Online-Glücksspiel. Die Stadt wird Zentrum der neuen, länderübergreifenden Aufsichtsbehörde, die mit Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrags im Juli dieses Jahres ins Leben gerufen wurde. Aufgabe der Einrichtung wird es sein die Einhaltung des neuen Regelkatalogs aller Betreiber zu überwachen wie auch unlauteres Verhalten und nicht legitime Ein- und Auszahlungen zu unterbinden.
Bis zur Aufnahme der regulären Tätigkeiten der neuen Aufsichtsbehörde wird es allerdings noch eine Weile dauern. Aktuellen Nachrichten zufolge wurden im Frühjahr, bereits vor Abschluss des Staatsvertrags, Büroräume angemietet, bisher wurden ein Dutzend Mitarbeiter eingestellt. Bis Juli 2023, also zwei Jahre nach der offiziellen Legalisierung von Online-Glücksspiel und Internet-Casinos, soll die Mitarbeiterzahl laut dem Innenministerium in Magdeburg auf 110 anwachsen.
Im ersten Jahr liegen die Aufgaben der Behörde vorwiegend im Recherchebereich. Die Entwicklung des Glücksspielmarktes in Deutschland soll bis Juli 2022 beobachtet sowie Glücksspielforschung vorangetrieben und gefördert werden. Ab 1. Juli nächsten Jahres beginnt die Institution dann mit der Durchsetzung des im neuen Glücksspielstaatsvertrag festgehaltenen Regelkatalogs, kann dann die unlauteren Machenschaften von Anbietern wie auch nicht legitime Werbung unterbinden und Zahlungen bei Banken und Kreditinstitutionen verhindern. Bis die übergreifende Bundesbehörde handlungskräftig ist, fällt diese Aufgabe einstweilen den einzelnen Ländern zu.
Der Glücksspielstaatsvertrag umfasst eine Vielzahl strenger Auflagen zum legalen Anbieten von Internet-Casinos wie auch Maßnahmen zum Jugendschutz und Schutz vor Spielsucht. Werbung ist beispielsweise nur spätabends bis in die frühen Morgenstunden erlaubt. Zudem gibt es ein seitenübergreifendes, monatliches Einzahllimit von 1000,- Euro, weshalb der Wettbewerb unter den Betreibern um das Geld der Spieler sicherlich groß wird. Gleichzeitig ist jedes Casino dazu verpflichtet Spielerkonten anzulegen, zur Verhinderung von Spielsucht wird es eine Sperrdatei geben, zu der auffällige Spieler hinzugefügt werden. Ein Panikbutton wird dazu genutzt, bestimmte Spieler für 24 Stunden zu sperren.
Auch was das Angebot der Betreiber betrifft, gibt es genau Reglementierungen. Erlaubt sind ab jetzt virtuelle Automatenspiele wie auch Online-Casinos, die Poker und Roulette anbieten. Während viele Skeptiker Kritik an der Legalisierung des Marktes laut werden lassen, war die Veränderung der bestehenden Gesetzeslage unabdingbar. Schleswig-Holstein ging seit vielen Jahren einen Sonderweg und erlaubte die Vergabe von Lizenzen an ausgewählte Anbieter. Zudem wurde in Deutschland seit jeher gerne im Internet gezockt – ganz einfach bei Betreibern, die ihre Server vorwiegend in Malta oder Gibraltar stehen hatten, wo dies seit jeher ganz legal war. Die staatlichen Lotterien hatten das Nachsehen, Steuergelder flossen ins Ausland ab – und das nicht zu knapp. Laut Statistik wurden zwischen 2019 und 2019 rund 11,1 Milliarden Euro in diesem nicht regulierten Markt erwirtschaftet.
Ist das Geschäft wirklich riskant und eine Abzocke? Absolut nicht – Slot-Maschinen sind in erster Linie ein attraktiver Zeitvertreib, bei dem auch mit geringen Einsätzen gute Gewinnchancen bestehen, zumal deren Technologie wie auch Volatilität sowie der sogenannte RTP (Return To Player) – also welcher prozentuale Anteil der Einzahlungen wieder an die Spieler ausgezahlt wird – genau überwacht werden.
Klassische Glücksspiele wie Roulette und Poker können in echter Casino-Atmosphäre über Live-Streams an virtuellen Tischen gespielt werden – eine bequeme Abwechslung zum Casino-Besuch, zumal dieser im vergangenen Jahr aufgrund der bundesweiten Sicherheitsauflagen kaum möglich war.
Ist Poker ein Glücksspiel oder vielmehr ein schlaues Strategiespiel wie Schach, und sollte ohnehin nicht wie andere Casino-Games gewertet werden? Bei dieser Frage scheiden sich nach wie vor die Geister. Ein gewisses Zufallsprinzip besteht, und welche Hand der Spieler zugeteilt bekommt, hängt in der Tat von Glück ab. Allerdings spielen laut diverser akademischer Forschungsansätzen Faktoren wie Strategie und psychologisches Geschick eine ganz erhebliche Rolle. Die Universität Heidelberg hatte sich dieser Frage angenommen und ermittelt, dass zunächst Glück im Vordergrund steht, auf Dauer jedoch Geschicklichkeit zum Gewinn führt. Ermittelt wird dies über eine sogenannte Standardabweichung, die den Anteil von Zufall am Sieg ermittelt. Liegt diese bei über 50%, ist nicht von Glücksspiel die Rede. Bei Schach liegt diese Standardabweichung beispielsweise bei einem Wert von 170, bei Poker lediglich bei 30 – also unter dem Schwellenwert von 50 und ist damit der Definition nach in der Tat ein Glücksspiel.
Nach 100 gespielten Partien steigt dieser Wert jedoch auf 75 und – was bedeutet, dass ein Spieler, der besser ist als sein Gegenspieler, mit einer Wahrscheinlichkeit von 75 Prozent mehrere Partien gewinnt. Es bleibt demnach abzuwarten, ob Poker in Zukunft in Sachen Glücksspielregulierung eine Sonderstellung zufällt. Die deutsche Rechtsprechung in Schleswig-Holstein, und damit auch in Halle, wertet Poker nach wie vor noch als Glücksspiel, weshalb es vor 1. Juli nach § 284 I StGB nur in staatlich anerkannten Spielbanken angeboten wurde.

Internet-Gambling wurden besonders im vergangenen Jahr immer beliebter – jeder vierte Deutsche zockte bereits im Netz, wobei der Geschlechteranteil hier nahezu ausgeglichen ist: knapp 50% der Mitglieder von Online-Casinos sind Frauen. Während der Ruf der Anbieter in der Vergangenheit und aufgrund des legalen Graubereichs in Deutschland oftmals zweifelhaft war, wächst die öffentliche Akzeptanz des Spiels ums Geld über den Computer-Browser oder eine mobile App rapide, seitdem der neue Glücksspielstaatsvertrag in Kraft trat. Zahlreiche neue Anbieter drängen auf den Markt, weshalb die Tätigkeit der nationalen Aufsichtsbehörde umso wichtiger wird. Halle als deren Standort zu wählen hatte diverse Beweggründe, liegt jedoch im Einklang mit der Strategie die Stadt aufgrund ihrer Lage und guten wirtschaftlichen Vernetzung zum „Zukunftszentrums für europäische Transformation und Deutsche Einheit“ zu machen, wie aus einem Antrag der Stadtratsfraktion der SPD hervorging. Die neue Behörde wird im technischen Rathaus am Hansering ihren Betrieb aufnehmen.