Die Kunst des Kunstlehrens
Ein großer Raum mit einer langen Tafel, an welcher die verschiedensten Menschen ihren Platz finden. Ob eine ältere Dame mit einer Gehhilfe, eine Mutter von drei Kindern, ein erfahrener Architekt oder ein ambitionierter junger Student in seinen 20ern. Es ist der Arbeitsplatz von Dirk Neumann.
Dirk ist im Hallenser Künstlerhaus 188 ein Kursleiter für Malen, Zeichnen, Gestalten und vieles mehr. Er trommelt mit seinen Kursen kunstbegeisterte Menschen an einen Tisch und schafft es jedes Mal, jeden von ihnen mitzureißen. Doch wer genau ist dieser Kursleiter?
Geboren ist Dirk im Jahr 1969 in Gotha, Thüringen. Schon früh entdeckte er seine Liebe zur Gestaltung und wollte diese Kreativität in seinem späteren Beruf ausleben. Er machte eine Ausbildung zum Gebrauchswerber und arbeitete für die Konsumgenossenschaft. Nach der Wende absolvierte Dirk seinen Zivildienst und holte sein Fachabitur in Gestaltung im schönen Erfurt nach. Er begann anschließend ein Studium an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein und folgte auch damit weiter seiner Leidenschaft: Malerei und Grafik. Durch den dortigen Einfluss von Prof. Ulrich Klieber wuchs in Dirk immer mehr das Interesse an der Lehre.
Er träumte zunächst davon, sich in sein Häuschen zurückzuziehen und einzig und allein seiner Kunst zu widmen. So gelang er jedoch zu der Frage: „Wovon lebe ich?“. Für Dirk war die Antwort schnell klar: Kunst lehren. Er konnte damit das Feuer und die Leidenschaft in anderen legen, welches bei ihm selbst schon immer loderte.
Seinen eigenen Zeichenstil beschreibt er als „suchend“. Es macht ihm Spaß, sich immer wieder herauszufordern und neue Wege auszuprobieren, anstatt immer auf der Stelle zu treten. Seine Lieblingsmedien sind dabei die Kohle und der Bleistift.
Dirk entschied sich nach seinem Studium an der Burg in Halle zu leben. Neben der hohen Künstlerdichte hat die Stadt ihn in seinen Bann gezogen. Er fühlte sich zu Hause. Während Leipzig dagegen von ihm als schön aber zu laut beschrieben wird, ist Halle ruhig und mit seiner Unvollkommenheit ein Nährboden seiner Inspiration. Er arbeitete zunächst als Assistent und Gastprofessor an der Burg Giebichenstein. Für mehr Freiheit in seiner beruflichen Gestaltung machte er sich 2012 selbstständig und arbeitete von nun an im Künstlerhaus 188 e. V. als freischaffender Künstler. Dort unterrichtet er seither die Gestalter im Handwerk und gründete in Zusammenarbeit mit Anne Holderied und Dr. Thomas Müller die Kunstkurse. Der erste Kurs fand an einem Mittwochabend mit lediglich fünf Teilnehmern statt. Schritt für Schritt wurden es immer mehr Kurse aus den verschiedensten Bereichen der künstlerischen Tätigkeiten.
Dirk gibt beispielsweise heute Kurse für das Aktzeichnen, die Malerei, aber auch den Linolschnitt. Ein Projekt, welches ihm zudem sehr am Herzen liegt, ist die künstlerische Zusammenarbeit gemeinsam mit Renée Reichenbach und der Astrid-Lindgren-Schule. Geistig beeinträchtigten Kindern wird so die Kunst liebevoll ein Stück nähergebracht und sie bekommen die Möglichkeit, zu lernen und sich künstlerisch auszuleben. Er lässt den Kindern viel Freiraum zum Arbeiten, damit diese ihren eigenen Weg finden. Die außergewöhnlichen Werke können anschließend bei einer Ausstellung im Künstlerhaus besichtigt und manchmal auch erworben werden.
Bei seinen Kursen zeichnet Dirk besonders aus, dass er nicht lediglich ein Thema vorgibt und anschließend wird gezeichnet. Vielmehr leitet er es mit Kunstgeschichte ein und zeigt viele Beispiele und Inspirationen, damit einem der Weg in das Zeichnen leichter fällt. Das Interesse an der Geschichte hinter der Kunst entdeckte Dirk bereits in seinen 20er Jahren während seines Studiums, um so ein tieferes Verständnis zu erlangen.
Mit den Kunstkursen gibt er den verschiedensten Menschen die Möglichkeit, sich vielseitig künstlerisch zu entfalten und auszuleben. Dabei ist weder Vorerfahrung noch Können notwendig, denn Dirk ebnet den Weg sowohl für Anfänger als auch Fortgeschrittene. So unterschiedlich Menschen auch sind, an Dirk seinem Tisch kommen alle zusammen und finden eine Gemeinsamkeit: Kunst. Dabei half er in der Vergangenheit nicht nur dem Alltagsstress für ein paar Stunden zu entfliehen, er unterstützte auch Teilnehmende bei ihren Mappen für eine Bewerbung an der Kunsthochschule Burg.
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Wenn Missverständnisse entstehen und Sprache nicht weiterhilft, kann Kunst als Ausdrucksform dienen. So auch für Rafael, welcher zwar nicht die deutsche Sprache perfekt beherrscht, jedoch in diesem Kunstkurs sofort Anklang fand und das Zeichnen als Ausdrucksform nutzte. Volker ist seit über 6 Jahren Kursteilnehmer und beschreibt Dirk als einfühlsam und äußerst kompetent. Durch die verschiedensten Themen wurde es für ihn in den Jahren nie langweilig.
Dabei werden beispielsweise im Kurs Zeichnen und Malen die unterschiedlichsten Themen bearbeitetet: ob Landschaft, Porträt oder Stillleben. Zudem werden die verschiedensten Materialien verwendet, welche von dem einfachen Stift bis zur Acrylfarbe und Tusche reichen.
Die Kunst daran Kunst zu vermitteln ist für Dirk den Teilnehmenden Freiheiten zu lassen und nicht den Spaß zu nehmen. Es gibt nicht den einen Weg, vielmehr geht jeder seinen eigenen, wobei Dirk diesen lediglich unterstützt. Mit Tat und Rat steht er dabei immer zur Seite. Die Gemeinschaft des Kurses und auch der Austausch untereinander lässt einen künstlerisch wachsen. Er möchte, dass in seinen Kursen den Alltag vergessen und sich in sein eigenes Projekt fallengelassen wird.
Sein Atelier ist ein Abbild seines künstlerischen Daseins. Die verschiedensten Materialien wie Mineralien, Pflanzen, Figuren, Bücher, Malereien und vieles mehr formen es zu einem Museum seines inneren Selbst. Diese erwirbt er meist auf Flohmärkten. Als Kursteilnehmer kommt die Frage auf, woher die Ideen und Inspirationen für die verschiedensten Themen ihren Ursprung finden. Dieses Atelier ist eine Quelle voller unterschiedlichster kunstvoller Ausdrucksformen. Das Herz dessen ist sein großer Schreibtisch in einer kleinen grünen Oase. Es ist Dirk seine eigene Welt und lässt die kreativsten Kursthemen entstehen.
Das Künstlerhaus 188 bieten jedem, von Student bis Rentner, die Möglichkeit, sich künstlerisch zu entfalten. Es hat eine lange Tradition und ist mehr als schützenswert. Neben klassischen Künstlerateliers und den Kursen gibt es auch Werkstätten und Ausstellungen. Unterstützen kann man es mit dem Besuch der Kurse, Spenden aber auch kann dem Verein beigetreten werden. Das Künstlerhaus ist zudem auf der Suche nach Sponsoren, welche diese einzigartigen Projekte fördern.
Das Künstlerhaus 188 ist ein wichtiges Kulturgut der Stadt Halle. Es sollte dringend geschützt und gefördert werden, denn Kunst wäscht den Staub des Alltags von der Seele.
Von Livia Müller